Analyse | Niederlage in Dortmund

Unions junge Spieler müssen lernen – nur von wem?

Mo 01.09.25 | 06:03 Uhr | Von Till Oppermann

Union-Profi Leopold Querfeld. / imago images/Eibner

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Video: Sportschau | 01.09.2025 | Bild: imago images/Eibner

Beim 0:3 in Dortmund sorgen Fehler der jungen Abwehrspieler für Gegentore. Trainer Steffen Baumgart hat dafür Verständnis. Das liegt auch daran, dass sein größeres Problem in der Offensive liegt. Von Till Oppermann

Nimmt man das Spiel bei Borussia Dortmund als Maßstab, hat sich Union Berlin im vergangenen halben Jahr weiterentwickelt. Nach dem 0:6 bei der letzten Reise nach Dortmund verloren die Eisernen am Sonntag nur mit 0:3. Ob man das doppelt so gut oder nur halb so schlecht findet, sei jedem selbst überlassen. Trainer Steffen Baumgart gab nach der Partie im TV-Interview bei DAZN jedenfalls offen zu, dass seine Mannschaft dieses Debakel noch im Hinterkopf hatte.


Union vergibt große Chancen

„Wir mussten aufpassen, dass es nicht das gleiche Erlebnis wurde wie letztes Mal“, lautete seine Begründung dafür, dass die Unioner in der Folge des Gegentors zum 0:2 in der 58. Minute ihre Offensivbemühungen einstellten.

Dabei hatte Baumgart mit der Hereinnahme von Woo-yeong Jeong, Tim Skarke und Oliver Burke durchaus Akzente nach vorne setzen wollen. Aber was sich beim Auftaktsieg gegen Stuttgart schon andeutete, als Ilyas Ansah Unions einzige Schüsse aufs Tor beide versenken musste, um zu gewinnen, setzte sich in Dortmund fort.

Der Mannschaft fällt es unglaublich schwer, Chancen zu kreieren. Die wenigen, die sich trotzdem bieten, muss Union also „in aller Konsequenz nutzen“, wie es Tom Rothe formulierte. Stürmer Andrej Ilic gelang genau das in der 42. Minute und direkt nach der Halbzeit nicht. „Wir hatten unsere Gelegenheiten, nicht nur zum Ausgleich, sondern sogar für die Führung“, haderte Baumgart.


Guirassy übertölpelt junge Abwehr

Vielleicht wäre dann alles ganz anders gelaufen. Wahrscheinlich aber nicht. Denn die fehlende Effizienz in den entscheidenden Momenten war nicht das einzige Manko an diesem Spätsommerabend im Westfalenstadion. Insgesamt fehlte der Mannschaft ab Mitte der ersten Halbzeit der Zugriff in den Zweikämpfen. Auch individuell lief es schlecht. Die jungen Innenverteidiger Leopold Querfeld und Tom Rothe gehörten am Sonntag nach ihren hervorragenden Leistungen gegen Stuttgart zu den schwächsten Unionern.

Mir darf sowas wie in der ersten Halbzeit nicht passieren.

Union-Verteidiger Tom Rothe

Eine gute Berliner Anfangsphase fand in der 23. Minute ihr jähes Ende, als der 20-jährige Rothe Dortmunds Serhou Guirassy mit einem haarsträubenden Fehlpass die erste Großchance des Spiels auflegte. Gut 20 Minuten später ließ sich dann Querfeld von Guirassy abschütteln wie eine lästige Fliege – 1:0 für Dortmund. Dass Querfeld auch beim zweiten Tor nicht gut aussah, weil ihm Guirassy nach einem Doppelpass entwischte, passte ins Bild. Immerhin hatte sein Kapitän Christopher Trimmel Verständnis: „Guirassy ist einfach ein Top-Spieler“.


Junge Spieler machen Fehler

Union setzt spätestens seit diesem Sommer konsequent auf junge Spieler. Neben Rothe und Querfeld sind mit Ansah (20) und Aljoscha Kemlein (21) zwei weitere Nachwuchskräfte für die Startelf eingeplant. Oluwaseon Ogbemudia, David Preu und der verletzte Livan Burcu sind ebenfalls alle höchstes 20 Jahre alt. „Unser Anspruch ist es, Spieler zu entwickeln“, erklärte Baumgart nach dem Spiel versöhnlich. Fehler und fehlende Konstanz gehören zu dieser Entwicklung ebenso dazu wie Ansahs-Traumdebüt in der Vorwoche. Baumgart weiß das.

„Mir darf sowas wie in der ersten Halbzeit nicht passieren“, sagte der selbstkritische Rothe nach dem Spiel, obwohl aus seinem Fehlpass kein Gegentor entstanden war. Er scheint die richtige Einstellung zu haben, um daraus lernen zu können, das ist die gute Nachricht. Aber Union hat ein anderes Problem: Von ihren älteren Mitspielern können die jungen nur lernen, wie man weit läuft. Am Ball waren Rani Khedira, Alex Kral, Christopher Trimmel und Robert Skov zumindest in Dortmund keine Vorbilder.


Die Ruhe fehlt

So gab Trimmel zu, dass auch er trotz seiner großen Erfahrung zu ungeduldig war: „Wir haben einen Tick zu früh in die Spitzen gespielt“, sagte der 38-jährige Kapitän und untertrieb dabei maßlos. Ob bei überhasteten Halbfeldflanken, langen Bällen ins Seitenaus oder unsauberen Konterpässen: Union fehlte in so gut wie jeder Spielphase die Ruhe am Ball. Das ist misslich, schließlich erfordert Baumgarts Umschaltfußball saubere Pässe in die Spitze und auf die Flügel. Anders kann Union das Tempo der Neuzugänge Ansah, Derrick Köhn und Oliver Burke nicht ausspielen.

Genau das soll aber mit dem vorhandenen Personal gelingen, so Baumgart. „Ich muss die Jungs dahin kriegen, dass sie ruhig genug sind, um den Ball an die richtigen Stellen zu bekommen.“

In dieser Hinsicht lässt eine Einwechslung hoffen: Mittelfeldspieler Aljoscha Kemlein feierte nach überstandener Fußverletzung sein Comeback. Ausgestattet mit seiner neuen Rückennummer, der Sechs untermauerte das Eigengewächs während seines Kurzeinsatzes seinen Führungsanspruch. Kemlein trat sofort Ecken und Freistöße. Dass er nach Monaten ohne Spielpraxis umgehend zum Hoffnungsträger wird, ist ein weiterer Beleg dafür, wie unkreativ Unions ältere Mittelfeldspieler sind.

Sendung: rbb24, 31.08.25, 21:45 Uhr

Beitrag von Till Oppermann