Der Leipziger Wohnungsmarkt ist schon jetzt eng. In zentralen Ortsteilen wie Schleußig und Plagwitz liegt die Leerstandsquote längst unter 1 Prozent. Doch für Immobilieneigentümer bedeutet das goldene Zeiten. Und ein Phänomen breitet sich gerade in den beliebtesten Quartieren aus, das die Wohnungsnot noch weiter verschärft. Die Wohnhäuser wechseln nicht nur ihren Eigentümer, die meist irgendwo im fernen Westen sitzen.
Die neuen Eigentümer zerlegen auch die Wohnungen und vermieten sie dann für deutliche höhere Mieten. Oder sie wandeln Mietwohnungen auch systematisch in Eigentumswohnungen um. Ein Thema, das die Linksfraktion am 27. August zum Thema machte.
Zuvor hatte ein Fall in der Schnorrstraße in Schleußig für Aufsehen gesorgt, in dem die Bewohner eines Hauses einfach mal alle die Kündigung bekamen, weil die neuen Eigentümer meinten, dass die Mieten im Haus viel zu niedrig wären.
Und ohne Scham begründeten sie die Kündigung auch noch damit, dass sich die neuen Eigentümer mehr Rendite versprechen, wenn sie die Wohnungen in Eigentumswohnungen verwandeln und verkaufen. Und weil das so eigentlich auch nach den gültigen Mietgesetzen nicht möglich ist, deuteten sie schon mal an, dass man dann auch auf Eigenbedarf kündigen könne.
Das ist schon lange kein kleines Hintertürchen mehr, mit dem sich Hauseigentümer die Nutzung einer Wohnung im eigenen Haus erzwingen können, sondern ein sperrangelweit geöffnetes Tor, durch das die Verwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen systematisch und rücksichtslos vorangetrieben wird. Mit überall sichtbaren Folgen der Verdrängung und Segregation, wie Linke-Stadträtin Dr. Elisa Gerbsch am 27. August in der Ratsversammlung betonte.
Ein Problem, das in derselben Form auch in Berlin längst greifbar ist, weshalb die Linksfraktion im Stadtrat beantragt, Leipzig möge doch dem in Berlin gegründeten Bündnisprojekt „Wohnungsnot durch Aufteilung und Eigenbedarfskündigung stoppen!“ beitreten. Denn die Folgen dieser Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen sind augenfällig: Die Mieter, die in der Regel nicht zu den Reichen gehören, werden verdrängt, die Stadt wird entmischt.
Ganze Quartiere verwandeln sich in Hochpreisquartiere, in denen Eigentumswohnungen dominieren, die in der Regel reichen Westdeutschen gehören, die auf diese Weise ihr Geld in Immobilien anlegen können, ohne selbst überhaupt daran zu denken, die gekaufte Wohnung auch zu beziehen.
Ein durchaus sinnvolles Anliegen. Doch scheint das Berliner Bündnis dann doch eben nicht die große, schlagkräftige Organisation zu sein, in der eine Stadt wie Leipzig eine Rolle spielen könnte. Das Anliegen sei nur zu verständlich, meinte SPD-Stadtrat Marius Wittwer. Und AfD-Stadtrat Udo Bütow fand den Verwaltungsstandpunkt ganz in Ordnung, in dem die Stadt erläuterte, was sie schon alles tut, um diese um sich greifende Form der Entmietung zu bekämpfen.
Noch fehlen zwei Werkzeuge
Eigentlich eine reine Informationsvorlage. Doch so richtig informativ war sie nicht. Eher erzählt sie davon, wie sehr der Stadt die Hände gebunden sind bei den zunehmend brachialen Methoden, mit denen Immobilieneigentümer in Leipzig Mietwohnungen in Renditeobjekte verwandeln.
„Die Antragsinhalte werden seitens der Verwaltung auch über die Spitzenverbände (Deutscher Städtetag etc.) adressiert und in Gesetzgebungsverfahren und Abstimmungen z.B. mit dem Sächsischen Staatsministerium für Infrastruktur und Landesentwicklung eingebracht“, erklärte das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung.
Und: „Beide Instrumente (der erweiterte Kündigungsschutz bei Umwandlung und die Umwandlungsverordnung) sind Bausteine des Handlungsfeldes ‚Stadtgesellschaft zusammenhalten‘ der Leipzig-Strategie 2035 mit dem strategischen Ziel ‚Bezahlbares Wohnen‘. Ziel ist, Wohnen in allen Ortsteilen bezahlbar, vielfältig, für alle zugänglich und nachhaltig zu gestalten und dadurch die soziale Durchmischung und Teilhabe zu ermöglichen.“
Das klingt schön. Doch an einer entscheidenden Stelle fehlen der Stadt die Werkzeuge, das auch durchzusetzen.
Das gibt auch die Stellungnahme der Verwaltung zu, wenn sie schreibt: „Die Erneuerung des Ersuchens an den Freistaat Sachsen zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Umwandlungsverordnung nach § 250 Baugesetzbuch (BauGB) i. V. m. § 201a BauGB zum angespannten Wohnungsmarkt sowie einer Rechtsverordnung nach § 577a Absatz 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum erweiterten Kündigungsschutz bei Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung ist bereits gedeckt durch die aktuelle Beschlusslage zum Wohnungspolitischen Konzept (vgl. VII-DS-09202-NF-01) und wird über den gewohnten Verfahrensweg der Verwaltung erfolgen.“
Nur hat der Freistaat beide Rechtsverordnungen nicht erlassen. Es ist wie immer in den vergangenen zehn Jahren: Die Probleme der Großstädte mit ihren zunehmend explosiven Wohnungsmärkten interessieren die Staatsregierung nicht. Sie zögert, bremst, vertagt und tut so, als würden die Großstädte (die eigentlich die wirtschaftlichen Motoren des Freistaats sind) Luxuswünsche äußern.
Ein Punkt für Die Linke
Die Forderung der Linksfraktion, der Oberbürgermeister möge sich auch bei diesem Thema mal wieder nach Dresden begeben, ist also weiterhin aktuell. Und so hatte sie es auch beantragt: „Die Stadt Leipzig erneuert in diesem Zuge ihre Anfrage an den Freistaat Sachsen nach Erlass einer Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB und einer Rechtsverordnung für einen verlängerten Kündigungsschutz bei Wohnungsumwandlung gemäß § 577a Abs. 2 BGB.“
Und so kam es dann in der Abstimmung auch ziemlich logisch, als der letztlich ziemlich luftige Verwaltungsstandpunkt mit 28:29 Stimmen bei acht Enthaltungen abgelehnt wurde, aber auch ein Beitritt zum Bündnis „Wohnungsnot durch Aufteilung und Eigenbedarfskündigung stoppen!“ mit 28:35 Stimmen keine Mehrheit bekam.
Aber der eigentlich wichtige Antragspunkt der Linksfraktion bekam dann eine Mehrheit mit 38:25 Stimmen. Denn wenn Leipzig vom Freistaat nicht die Instrumente in die Hand bekommt, gegen die Umwandlungen von Mietwohnungen wirklich vorgehen zu können, kann diesem systematischen Auslöschen von Mietwohnungen in begehrten Quartieren nicht wirklich ein Riegel vorgeschoben werden.
Das Thema wird Leipzig in nächster Zeit immer wieder beschäftigen. Denn unter den aktuellen Bedingungen haben die Renditejäger die Oberhand und haben zumindest das Gefühl, dass sie schalten und walten können, wie sie wollen, und dass Eigentum zu gar nichts verpflichtet, außer zu noch mehr Rendite auf Kosten von Leuten, die diese wilde Hatz nicht mitmachen können.