Der angekündigte Flieger mit rund 50 Afghaninnen und Afghanen aus Pakistan ist in Hannover gelandet.

Die Menschen mit Aufnahmezusage kamen mit einem Linienflug aus der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. Das berichtet FOCUS-online-Reporter Ulf Lüdeke von vor Ort. Es sind die ersten Afghanen, die über offiziellem Wege seit der Regierungsübernahme von Friedrich Merz nach Deutschland eingereist sind.

Viele afghanische Familien harrten Monate oder Jahre in Islamabad aus

„Es sind 47 Personen, davon acht Hauptantragstellerinnen. Insgesamt sind es zehn Familien, davon 19 Frauen, 20 Kinder unter 18 und acht Männer. Eine Hauptantragstellerin hat den Anschlussflug in Istanbul mit ihrer alten Mutter verpasst, sie wird aber voraussichtlich noch heute Abend in Hannover mit einer späteren Maschine landen“, sagte Eva Beyer, Sprecherin der Organisation „Luftbrücke Kabul“, FOCUS-online-Reporter Ulf Lüdeke am Flughafen in Hannover.

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Viele afghanische Familien harren bereits Monate oder Jahre in Islamabad aus. Eine Frau hatte der dpa am Flughafen in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad vor ihrem Abflug gesagt, sie habe 14 Monate auf ihre Ausreise gewartet und die Zeit in Islamabad voller Sorgen verbracht. Nun freue sie sich auf ein Leben in Freiheit und Sicherheit.

Koalition stoppte Aufnahmeprogramm

Die schwarz-rote Bundesregierung hatte das Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen im Mai gestoppt. Neben früheren Ortskräften deutscher Institutionen und ihren Angehörigen sollten über das Programm auch Afghanen aufgenommen werden, die Verfolgung durch die islamistischen Taliban fürchten müssen, etwa weil sie sich in der Vergangenheit als Anwälte oder Journalistinnen für Menschenrechte eingesetzt haben.

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Dass jetzt trotz des Stopps einige der Betroffenen trotzdem mit ihren Angehörigen reisen durften, liegt daran, dass sie, um ihre Einreise durchzusetzen, in Deutschland geklagt hatten. Unterstützt werden die Betroffenen dabei teils von der Organisation „Kabul Luftbrücke“. Laut Auswärtigem Amt gibt es aktuell rund 85 Eilverfahren, die vor Gericht anhängig sind.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte: „Wir haben als Koalition klar vereinbart, freiwillige Aufnahmeprogramme so weit als möglich zu beenden – dazu stehen wir.“ Rechtsverbindliche Aufnahmezusagen würden aber eingehalten. „Knapp 50 Personen können deswegen heute nach Deutschland einreisen.“

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Abschiebungen nach Afghanistan

Zusätzliche Dringlichkeit hatte die Angelegenheit bekommen, nachdem die pakistanischen Behörden damit begonnen hatten, auch Afghanen aus dem deutschen Aufnahmeprogramm nach Afghanistan abzuschieben.

Das Auswärtige Amt teilte mit, aktuell befänden sich aus dem Aufnahmeprogramm derzeit 2.100 Personen in Pakistan und 200 in Afghanistan. Mitte August hatte die Bundesregierung mitgeteilt, etwa 210 Menschen aus dem Programm, die sich zuletzt in Pakistan aufgehalten hätten, seien nach Afghanistan abgeschoben werden. Man stehe mit ihnen in Kontakt.

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Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte vor gut einer Woche noch Kritik an der Dauer des Aufnahmeprozesses zurückgewiesen. Er betonte: „Ich bin nicht bereit, auf reguläre Aufnahmeverfahren, ich bin nicht bereit, auf Sicherheitsüberprüfungen zu verzichten.“

ANZEIGEAußenminister dringt auf mehr Tempo 

Wadephul sagte nun: „Ich bin der pakistanischen Seite, insbesondere meinem Amtskollegen, außerordentlich dankbar dafür, dass wir den Zeitraum für diese Überprüfungsmaßnahmen jetzt bis zum Jahresende haben verlängern können.“ Er erwarte nun, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diese Zeit effektiv nutzten. Die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner sagte, es sei „gut, dass sich diese Regierung noch an Gerichtsurteile hält“. 

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Überprüfungen laufen noch

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte mit, „dass der große Teil der Menschen noch nicht alle Schritte im Aufnahmeverfahren durchlaufen“ habe. Auf Nachfrage von Journalisten erklärt er, dies betreffe über 90 Prozent.

Neue Gerichtsentscheidung

Im Streit um die Erteilung von Visa für Afghanen zur Einreise nach Deutschland hat ein Gericht der Bundesregierung unterdessen eine weitreichende Entscheidungsfreiheit eingeräumt. Solange Behörden Betroffenen noch keine Aufnahme zugesichert und sich damit rechtlich gebunden hätten, dürften sie frühere Entscheidungen überprüfen, entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG). 

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Es erklärte damit den vorübergehenden Stopp der Aufnahmeverfahren für Ortskräfte und aufgrund ihrer früheren Tätigkeit gefährdeten Menschen für zulässig, wie ein Sprecher mitteilte. 

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Erfolg für Auswärtiges Amt 

Aus einer Aufnahmebereitschaft ergäbe sich noch kein Anspruch auf ein Visum, so die Richter. Die Programme seien aufgrund politischer Entscheidungen getroffen worden. Die Bundesregierung habe das Recht zu überprüfen, ob das frühere politische Interesse an der Aufnahme der Antragsteller noch vorliege. Damit war die Beschwerde des Auswärtigen Amtes gegen eine Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts im Eilverfahren erfolgreich. 

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Im konkreten Fall ging es um einen früheren hochrangigen Richter Afghanistans sowie dessen Ehefrau und den vier Kindern. Ihm wurde Ende 2022 die Bereitschaft signalisiert, ihn auf eine „Überbrückungsliste“ aufzunehmen. Als er sich darauf berief und Visa beantragte, wurde dies im Frühsommer 2025 aber abgelehnt. Zur Begründung führte das Auswärtige Amt an, eine Einreise im Rahmen der Programme sei ausgesetzt.