Seit 1997 hat er mehr als 165 Ausstellungen durchgeführt – Thomas Niecke ist seit 45 Jahren Kunsthändler und feiert den 75. Geburtstag der Galerie Keim.

„Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, muss aber vorwärts gelebt werden.“ Dieser Gedanke von Sören Aabye Kierkegaard spricht dem Cannstatter Kunsthändler Thomas Niecke aus dem Herzen, der eine der ältesten Galerien Stuttgarts führt. In diesem Jahr feiert er gleich zwei Jubiläen: er ist seit 45 Jahren Kunsthändler und seine Galerie blickt auf ein stolzes Alter: 75 Jahre. Der bald 77-Jährige steht jeden Morgen freudig auf. Sein Weg ist nicht weit. Er wohnt über der Galerie und wie er sagt „in der Kunst und auch mit ihr“. Und das mit Leidenschaft.

Jahrzehntelange Kundenbeziehungen weit über Bad Cannstatt hinaus

Warum auch – wäre er nicht so viele Jahre im Dienst der Galerie und der Kunst. „Ich habe viele nette Kunden. Sie wissen von der Qualität der Firma“, sagt der stets rührige und behände Endsiebziger. Fit hält er sich durch regelmäßige Spaziergänge morgens und abends mit seinen zwei Hundedamen. All das gibt ihm Energie, um das Leben eines Galeristen so zu meistern, wie er es mit seinen Qualitätsansprüchen geschafft hat. Seine oft jahrzehntelangen Kundenbeziehungen reichen längst weit über Bad Cannstatt hinaus und bleiben ihm auch aus der Ferne treu, wie er erzählt.

Die Galerie Keim wird 75 Jahre alt. Im Hof hängen fast alle Ausstellungsplakate. Foto: Iris Frey

Nicht immer kann er alle Fragen beantworten: Ein Kunde fragte ihn, was denn in zehn Jahren noch für Kunst gefragt sein wird. „Wenn ich das wüsste, wäre ich reich“, habe er geantwortet. Das neueste Motto zu seinem Jubiläum lautet „Harmonie und Kontrast“. Da will er ein spannendes Potpourri bieten mit allen Stilrichtungen vom Gegenständlichen bis zum Abstrakten, zeigen, was der Kunsthandel nach 1950 so produziert hat. Künstler Claude Stockinger hilft ihm beim Kuratieren und Umsetzen. Den Gedanken fand Niecke in dem preisgekrönten Historiendrama „Vatel – ein Festmahl für den König“ mit Gerard Depardieu. Darin hat Vatel, der Meisterkoch des Sonnenkönigs Ludwig XIV., ihn inspiriert mit dem Satz: „Harmonie und Kontrast, diese beiden Dinge zeichnen die wahre Schönheit aus. Nur wenige Dinge sind schön oder hässlich aus sich heraus. Wenn du das weißt, bist du auf dem besten Weg, ein Künstler zu werden.“

Er zeigt auch auf Youtube seine Ausstellungen

Die Hintergründigkeit des Satzes hat Niecke begeistert, der Kunstgeschichte und Philosophie bei Max Bense studiert hat. Ihm macht es bis heute viel Spaß, die fertige Ausstellung zu präsentieren. Seine Begeisterung ist ihm in den Einführungsreden anzumerken. Sie steckt an. Längst nutzt er auch moderne Kommunikationsmittel, um seine Fans anzusprechen. So zeigt er auch auf Youtube seine Ausstellungen. „Ob es was bringt, weiß ich nicht. Aber es macht mir Spaß, den Menschen klarzumachen, dass man Kunst nicht nur verstehen, sondern erleben muss.“ Und da ist er tief eingetaucht in die Kunstgeschichte, durch Kunden und viel Lektüre – und Reisen durch Europa. Museen sind für ihn wichtig von Abu Dhabi bis zum Louvre. „Ägypten fehlt noch, das Museum in Gizeh bei den Pyramiden muss noch eröffnet werden“, sagt Niecke. Künstlerisch gestaltet wurde es aber vom Cannstatter Atelier Brückner, erklärt er stolz.

Zum Jubiläum zeigt er Bilder aus seiner umfangreichen Sammlung

In der Museumsdidaktik erspürt er Sehweisen der Kunst. So holt er sich Anregungen für seine Ausstellungen. Claude Stockinger gab ihm die Idee für das zweite Motto: „Suchen, entdecken, finden“. Es bezieht sich auf die Jubiläums-Ausstellung im Erdgeschoss. Dort sind Bestände aus dem Magazin zu sehen aus Nieckes umfangreicher Sammlung von rund 250 Bildern. Darunter sind Klassiker von Ackermann über Picasso bis Fabritius und viele bekannte Künstler wie Baumeister und Chagall.

Auf die Galerie Keim traf er erstmals in den 1970er Jahren, als er noch Stadtplaner der Stadt Stuttgart war: „Es war stinklangweilig.“ In der Zeit wurde in Bad Cannstatt der Kaufhof gebaut und das neue Verwaltungsgebäude. Den Wettbewerb hat er begleitet. Mit 31 Jahren hat er sich selbständig gemacht, um in den 1980er Jahren etwas Neues zu machen.

Zeitweise drei Galerien geführt

Karin und Hans Keim haben ihn 1997 gefragt, ob er die Galerie übernehmen will. Ein Jahr später sei Karin Keim gestorben. Sie hatte zu ihm gesagt, wer zwei Galerien führen kann, könne auch drei führen. Niecke hatte damals noch das Kunstkabinett Esslingen und Kirchheim/Teck, welches er 1980 mit Klaus Zigan gegründet hatte. Die drei Galerien seien eine enorme Herausforderung gewesen, „die ich nur mit Klaus Zigan, Heidi Herzogin von Württemberg, Michael Wenger und später Sabine Schwefel sowie noch immer Arno Falkenberg bewältigen konnte“.

Teuerstes Bild für 20 000 Euro verkauft, einen Ackermann

Sein teuerstes Bild, das er je verkauft hat, war ein Ackermann für 20 000 Euro. Das besondere seiner Galerie ist neben dem Bilderverkauf der Service der fachgerechten Rahmung. Seine Geschäftseinnahmen bezieht er etwa zwei Drittel aus dem Bilderverkauf und einem Drittel aus dem Einrahmen. Seit 1997 hat er mehr als 165 Ausstellungen durchgeführt – und nicht nur in Bad Cannstatt, auch auf Messen. Er ist der einzige Händler für Werke von Andreas Felger. Onlineverkauf sei eine Konkurrenz für ihn aber: „Gute Ware kostet auch online viel Geld. Eine Picasso-Keramik bekommen Sie nicht für 2,50 Euro.“

Ob er stolz ist auf das Erreichte, sagt er bescheiden: „Frau Keim könnte stolz sein, dass sie einen wirklichen Nachfolger gefunden hat.“ Zur Debatte steht bei ihm nun noch selbst, einen Nachfolger für die Galerie zu finden. Ihm ist dabei der Gedanke wichtig: „Kunst braucht Leidenschaft.“

Von der Art Karlsruhe bis zum Art Alarm in Stuttgart

Seine Kunden pflegt er mit sorgfältig zusammengestellten Ausstellungsheften und Einladungen, aber, sagt er: „Ich überfüttere sie nicht mit E-Mails“. Dass Kunst weiterhin gefragt ist, zeigte die letzte Lange Nacht der Museen: da kamen 300 Leute in seine Galerie. „Es hat mir geholfen, weiter bekannt zu werden. Und alle waren erstaunt, dass sie hier eine Besichtigungsfläche von 240 Quadratmetern finden.“ „Kunst braucht Hingabe“ steht unter einem Bild, das ihn liegend beim Ausmessen auf der Art Karlsruhe zeigt, an der der gelernte Schreiner und studierte Bauingenieur viele Jahre teilnahm. Mehr als passend.

Am Sonntag, 14. September, wird die Jubiläumsausstellung von 14 bis 18 Uhr zu sehen sein mit einer Einführung von Thomas Niecke. Auch beim Art Alarm, dem Stuttgarter Galerienrundgang am 20. und 21. September.