Am Samstagvormittag tönt beschwingte Bandmusik über den Leipziger Marktplatz. Ein paar Menschen stoppen ihre Shoppingtour, klatschen mit, und schon sind sie auf der Klimafair – der Leipziger Klimamesse, die nun zum sechsten Mal stattfindet. Neben Musik, Hüpfburg und Eis haben die Omas for Future auf bunten Stoffstreifen Zukunftswünsche an »Zukunftsbäume« gehängt, auf dem Boden verteilte Informationsflyer in Fußform laden zur Prüfung des eigenen ökologischen Fußabdrucks ein. »Wir gestalten das bewusst so offen und hoffen, so Menschen anzuziehen«, sagt Co-Organisatorin Lisa Falkowski. »Aber anders als bei der Weinmesse oder Ähnlichem, geht es hier nicht nur ums passive Konsumieren, sondern auch darum, neue Sachen zu lernen und aktiv zu werden.«
Aber möchten sich denn Leute an einem sonnigen Samstag mit Wärmewende und Artensterben auseinandersetzen? Scheinbar ja. Bei einer heißen Waffel entstehen viele Gespräche. Umweltschutzverbände wie »Leipzig pflanzt« stellen Interessierten ihre Projekte vor. Der Grundtenor ist klar: Beim Klimaschutz können Menschen eine Menge gewinnen: mehr Verkehrssicherheit, saubere Luft, Stadtgrün und nicht zuletzt angenehme Temperaturen. Fast schon unpassend zum Thema Erderwärmung zeigt auch das Wetter mit zwanzig Grad und kühlem Wind sein freundliches Sommergesicht.
Eskalationsspiralen
Grund zur Entspannung besteht aber nicht, das wird auf den verschiedenen Panels deutlich, die im Laufe des Tages auf der großen Bühne stattfinden. Der Meteorologe Karsten Haustein ordnet ein: Auch wenn 2025 Deutschland einen ab und an kühlen Sommer beschert hat, ändert das nichts an der exponentiell steigenden Temperaturkurve – global wie in Sachsen. Nicht gerade hilfreich, dass weltweit politische Parteien gerade weg vom Klimaschutz driften. »Retropie« nennt Florian Teller, Referent für Radikalisierungsprävention bei der Fachstelle Farn, die rückwärtsgewandte Zukunftsvision konservativer Kräfte. Im Festhalten an der Illusion ewigen Wirtschaftswachstums durch fossile Energien wird Klimaschutz zum kulturkämpferischen Spielball. Oder in der Sprache eines Wahlplakates der Berliner CDU: »Lass dir dein Auto nicht nehmen.«
Dass sich Klima- und Demokratiekrise gegenseitig befeuern, scheint dann ein Selbstläufer. Die Flucht vor zunehmendem Extremwetter befeuert in Ankunftsländern politische Konflikte und Unzufriedenheit für die rechte Parteien Scheinlösungen nur anbieten. Klimaschutz gehört nicht zu ihrem Programm. Dann gibt es noch den Teufelskreis zwischen Klimakrise und Biodiversitätsverlust. Zu Unrecht hat er das Image des zahnlosen kleinen Bruders des Klimawandels, kritisiert der Landesvorsitzende des BUND Sachsen, Felix Ekardt. Dabei gefährdet die Bedrohung von rund einer der weltweit acht Millionen Tier- und Pflanzenarten und der Wegfall intakter Ökosysteme unsere Existenzgrundlagen sogar direkter. Was nun dieser wohlbekannten eskalativen Spirale entgegensetzen?
Andere Geschichten erzählen
Sich nicht in »Angstlust« verlieren, appelliert Meteorologe Haustein. »Wir vergessen manchmal, wie viele wir sind«, sagt auch Umweltwissenschaftlerin Hannah Monnin. Tatsächlich halten laut einer Bevölkerungsumfrage des Umweltbundesamts von 2024, 88 Prozent der Deutschen Umweltschutz für wichtig. Nur ein knappes Drittel findet, dass die Regierung bereits genug dafür tut. Aber es verunsichere Leute, dass an Klimaschutz Interessierte medial oft als radikale Minderheit erscheinen. Helfen können positive Berichte aus anderen Ländern. Im hitzebedrohten spanischen Sevilla wurde ein uraltes persisches Wassertunnelsystem modernisiert, das durch Verdunstungsprozesse zur Temperatursenkung beitragen. Dänemark bezieht laut eigenen Angaben die Hälfte der national benötigten Elektrizität von Solar- und Windenergie.
Aber auch in Leipzig laufe einiges richtig, findet Wahlleipziger Ekardt und erntet fröhlichen Beifall vom Publikum. Ein paar Beispiele: Der Auwald zählt zu den größten erhaltenen Auwaldbeständen Mitteleuropas. Seit letztem Jahr muss in Kleingärtenanlagen mehr Pflanzenschutz integrieret werden. Nächstes Jahr soll laut Angaben der Leipziger Stadtwerke die größte Solarthermieanlage Deutschlands im Leipziger Westen an den Start gehen, die im Sommer rund 20 Prozent des Leipziger Tagesbedarfs an Wärme abdecken und über 7000 Tonnen CO2 sparen soll.
Alle sind gefragt
Aber es müssten nicht zwangsläufig positive Geschichten erzählt werden, sondern vor allem solche, die eine mögliche Rolle für das Individuum in der Krise aufzeigen, meint Monnin. Stichwort Selbstwirksamkeit – ein entscheidender Hebel liegt eben doch bei jeder Bürgerin und jedem Bürger.
Das ist oft einfacher gesagt als getan, vor allem für Menschen, die im derzeitigen System unter finanziellem Druck stehen und überfordert sind. Aber »agieren« muss weder mit Weltpolitik noch mit einem Umwälzen des eigenen Lebensstils anfangen. Monnin findet: Sie kann an der eigenen Lebensrealität und im Kommunalen ansetzen. Die Klimafair gibt ein paar Impulse. Eine Petition für Feuerwerksbeschränkungen in Leipzig geht herum. Eine Ärztin von Health for Future erzählt, dass sie nun öfter in ihren Sprechstunden die Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit thematisiert.
Auf ein Schlagwort können sich alle Podiumsgäste einigen: Gespräch. Dieses mit Menschen außerhalb der eigenen Kreise zu wagen, erfordere viel Mut und sei doch der einzige Weg aus den Krisen. »Ich bin noch nie aus einer Diskussion dümmer rausgekommen«, schließt der sächsische Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) das letzte Panel. Fast nur konstruktive Gespräche vermelden die Stände auf der Klimafair. Über Wärmeplanung bis zu Fahrradfragen seien die Leute ehrlich interessiert, resümiert eine Referentin für Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz der Stadt Leipzig. Eine Berlinerin mit Tochter lobt die Einfühlsamkeit, mit der die Themen präsentiert wurden. Im musikalischen Ausklang unter goldener Sonne wird vielleicht die Klimafair selbst eine kleine gute Geschichte.