Bei der Suche nach einem neuen Standort für den Zentralbau der Mainzer Universitätsmedizin fordert ein Großteil der Opposition im Mainzer Stadtrat: Die Stadt müsse dringend Standortalternativen prüfen. Die Linke klagt zudem, die Stadt Mainz habe offensichtlich „ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, die Freien Wähler fordern, wenn nötig eben „jedes Feld zu prüfen.“ Nur die FDP spricht sich klar für den Standort auf dem Lerchenberg im ehemaligen „Medienpark“-Gelände aus: Ein großes Zentralklinikum dürfe nicht „durch politische Verzögerungstaktik“ gefährdet werden. Die ÖDP lädt nun für den 04. September 2025 zur Infoveranstaltung zu dem Thema.
Das Gelände neben dem ZDF auf dem Mainzer Lerchenberg sollte einst mit einem Medienpark bebaut werden, das Vorhaben scheiterte – auch an Umweltbedenken. – Foto: gik
Mitte Juli war überraschend eine 180-Grad-Kehrtwende der Mainzer Universitätsmedizin und des Landes Rheinland-Pfalz bekannt geworden: Bislang hatten Land und Uniklinikum vehement einen Neubau eines großen Zentralklinikums auf dem Campus-Gelände in der Mainzer Oberstadt propagiert, Ende 2023 wurde sogar ein „Memorandum of Understanding“ mit der Stadt Mainz unterzeichnet. Ende 2024 aber verabschiedeten sich die Gremien der Mainzer Unimedizin plötzlich von dem alten Baumasterplan – und favorisierten plötzlich eine Zwei-Campus-Lösung.
Für einen Aufschrei sorgte indes, dass als geplanter Standort nun plötzlich das Gelände des einstmals geplanten Medienparks auf dem Mainzer Lerchenberg in den Fokus rückte, das Gelände ist unter de Begriff „Draiser Senke“ bekannt, umfasst aber ein ganzes Naturschutzgebiet rund um das Medienpark-Areal samt Tälern, Senken und Hanglagen. Vor vor rund 30 Jahren wollte das ZDF auf dem Gelände einen „Medienpark“ bauen, das Vorhaben scheiterte damals am Widerstand der Mainzer, an den hohen Kosten und an gravierenden Umweltbedenken.
Linke: Standortsuche neu aufsetzen, versiegelte Flächen bevorzugen
Dass nun ausgerechnet auf dem Gelände ein großes Zentralkrankenhaus entstehen sollte, sorgte für große Empörung in Mainz, die Unimedizin entwarf gleichwohl bereits genauere Pläne des Vorhabens. Bei der ersten öffentlichen Vorstellung im Bauausschuss der Stadt Mainz Ende August wurde indes deutlich: Land und Unimedizin hätten eigentlich einen ganz anderen Standort bevorzugt – neben dem Gutenberg Center in Mainz-Bretzenheim. Auch andere Standortvorschläge habe es gegeben, sagte Wissenschaftsminister Clemens Hoch, doch die hätten sich zerschlagen: Die Variante Gutenberg Center schien „uns sehr viel eher geeignet“ als die Fläche auf dem Lerchenberg.
Bisherige Flächenanalyse für einen Neubau eines Zentralklinikums mit Flächen a bis D. – Grafik: Mainzer Unimedizin
Das warf Fragen auf: Die Stadt Mainz habe ja offenbar im Vorfeld „ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, kritisierte Linken-Stadtrat Martin Malcherek, und forderte: „Die Standortsuche muss neu aufgesetzt werden!“ Die Verwaltung müsse „einen transparenten Planungsprozess beschreiten und kommunizieren“, und die Frage prüfen, ob überhaupt zwei Standorte benötigt würden. „Die bisherigen Argumente überzeugen nicht“, kritisierte Malcherek: „Während noch vor kurzer Zeit der ‚Masterplan‘ zum Umbau der UM am bisherigen Standort als Non-plus-Ultra verkauft wurde, wurden nun K.O.-Argumente dagegen angeführt: die Baulogistik gebe einen Umbau nicht her und die Versorgungssicherheit der Patienten sei nicht gewährleistet.“
Beide Argumente seien aber nicht neu, das werfe „die Frage auf, wie kompetent, verlässlich und vorausschauend die Planung bisher erfolgt ist“, sagte der Linken-Politiker weiter: „Und – ist die jetzige Planung verlässlicher?“ Auch die genannten 30 Jahre Bauzeit am alten Standort schienen doch „deutlich übertrieben“, dazu seien sämtliche genannte Standorte klima-kritisch, weil sie der Kaltluftentstehung dienten und/oder in Kaltluftschneisen lägen und wertvolles Ackerland unwiederbringlich vernichteten.
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ÖDP: Freiflächen erhalten, Draiser Senke nicht bebauen
Bei einer Standortsuche müssten deshalb Flächen im Fokus stehen, die bereits bebaut seien, forderte Malcherek – und die Stadt müsse „endlich den Mut aufbringen, in die Höhe zu bauen.“ So müsse auch geprüft werden, ob am bisherigen Standort der Universitätsmedizin nicht durch Aufstockung der bisherigen Planungen ausreichende Kapazitäten geschaffen werden könnten. „Die Sicherheit der medizinischen Versorgung darf nicht gegen die Gesundheit durch Klimaschutz ausgespielt werden“, forderte er.
Die Draiser Senke ist heute ein Ökoparadies mit einer abwechslungsreichen Naturlandschaft. – Foto: gik
Ganz ähnlich argumentiert auch die Mainzer ÖDP: „Wer bestimmt über die Geschwindigkeit im Prüfverfahren?“, fragte ÖDP-Stadträtin Dagmar Wolf-Rammensee: „Gestern hieß es noch, der Standort Oberstadt muss dringend ausgebaut werden, und heute ist es angeblich überlebenswichtig und notwendig, dass ein zweiter Standort realisiert wird?“ Die Milliarden-Investitionen dürften nicht „zu dem Preis einer ökologischen Katastrophe“ gehen, Mainz stehe vor einer deutlichen Zunahme von Tropennächten.
Deshalb müssten die Freiflächen rund um den Lerchenberg für die Frischluftzufuhr und als Kaltluftentstehungsgebiete, aber auch für Artenschutz und Landwirtschaft erhalten bleiben. „Wir fordern deshalb, dringend Abstand von den Bauplänen in der Draiser Senke zu nehmen“, sagten Wolf-Rammensee und Fraktionschef Claudius Moseler. Stattdessen müssten „Flächen-Alternativen im Mainzer Stadtgebiet mit ausreichend Zeit“ analysiert und geprüft werden. Es brauche „einen Standort, der auf hohen Konsens in der Stadtgesellschaft stößt, diesen sehe ich bisher noch nicht“, fügte Moseler hinzu.
FDP: Baurecht Medienpark nutzen, Neubau nicht verzögern
Die Mainzer FDP sprach sich hingegen klar für den Standort „Medienpark“ aus, und warnte, die Gesundheitsversorgung dürfe „nicht durch politische Verzögerungstaktik gefährdet werden.“ Die Universitätsmedizin sei „Herzstück der Gesundheitsversorgung in unserer Stadt und weit darüber hinaus“, sagte FDP-Fraktionschefin Susanne Glahn. Sie sei zudem Spitzenversorger, Forschungszentrum und einer der größten Arbeitgeber in der Region. „Mainz darf hier keine Zeit verlieren – wir brauchen ein klares Ja zum Standort“, forderte Glahn.
Diese Visualisierung eines neuen Zentralklinikums auf dem Gelände des Medienparks präsentierte die Mainzer Unimedizin am Donnerstag im Bauausschuss. – Foto: gik
Ein modernes Klinikum mit kurzen Wegen sei entscheidend für die beste Patientenversorgung, Forschung und Ausbildung von Fachkräften, betont die FDP, ein Festhalten am bisherigen Klinikstandort sei weder wirtschaftlich noch organisatorisch vertretbar. „Ein modernes Zentralklinikum lässt sich am alten Standort nicht realisieren, ohne Patienten und Beschäftigte über Jahrzehnte hinweg unzumutbar zu belasten“, sagte Hermann Wiest, FDP-Landtagskandidat in Mainz. Eine Fertigstellung vor 2050 „wäre illusorisch, die Kosten doppelt so hoch – und das Land müsste gleichzeitig die Betriebsverluste mittragen“, warnte Wiest, der sich dabei auf die vom Land vorgelegten Zahlen verließ.
Der gültige Bebauungsplan „Medienpark“ (B 146) ermögliche eine schnelle Realisierung., meinte zudem FDP-Bauexperte Thomas A. Klann: „Hier liegt Baurecht vor – und zwar seit 2021. Wer jetzt so tut, als müsse man noch einmal ganz von vorne beginnen, betreibt Verzögerungspolitik auf dem Rücken von Patienten, Beschäftigten und Studierenden.“ Unverständlich sei, dass sich der Stadtvorstand bislang nicht eindeutig positioniert habe: „Seit Winter 2024 war klar, dass ein neuer Standort kommt. Dass der Stadtvorstand angeblich nicht darüber gesprochen hat, ist schwer nachvollziehbar. Mainz braucht jetzt Führung, keine Ausreden“, kritisiert Glahn.
Termin& auf Mainz&: Die Mainzer ÖDP lädt für Donnerstag, den 04. September 2025, zu einer Veranstaltung im Bürgerhaus Lerchenberg ein unter dem Titel: „Neuer Standort für die Universitätsmedizin zwischen Lerchenberg und Drais? – Probleme für Klima, Naturschutz und Landwirtschaft in der Draiser Senke“. Beginn ist 19.30 Uhr, vor Ort sind unter anderem die BUND-Vertreterin Maren Goschke sowie der Lerchenberger Experte Hartmut Rencker dabei.
Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht über die Pläne von Land und Unimedizin Mainz zum Neubau eines Zentralkrankenhauses lest ihr hier bei Mainz&. Unsere Reportage „Mit einem Jäger durch das Paradies Draiser Senke“ könnt Ihr hier lesen: