Stuttgart. Es waren hektische Stunden am Wasen. Während andernorts das Transferfenster schon im Halbschlaf zugefallen schien, arbeitete man beim VfB Stuttgart bis zuletzt mit Hochdruck. Drei Spieler sollten es im Wechsel-Endspurt noch werden, zwei sind es geworden – und einer, der schon fast da war, musste wieder gehen. Ein Deadline Day, wie ihn der VfB in dieser Intensität schon lange nicht mehr erlebt hat.
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Hyeon-Gyu Oh, 24, war schon fast Stuttgarter. Der Südkoreaner vom KRC Genk hatte den Medizincheck absolviert, ein Vertrag bis 2030 lag bereit, und die Klubbosse waren sich mit Genk über eine Ablöse von mehr als 25 Millionen Euro einig. Viel Geld für einen Stürmer, der noch nicht die große internationale Vita vorweisen kann – aber der VfB wollte. Und musste, nach dem Abgang von Nick Woltemade.
Warum der Deal mit Hyeon-Gyu Oh noch geplatzt ist
Doch dann sagten die Ärzte Nein. Instabil, das rechte Knie. Ein alter Kreuzbandriss, nie operiert, zu riskant. Stuttgart zog die Reißleine. So schnell wie der Name „Oh“ in Stuttgart aufgetaucht war, verschwand er wieder. Zurück bleibt eine Lücke im Sturm, die an diesem Deadline Day nicht mehr geschlossen wurde.
Ganz leer gingen die Verantwortlichen allerdings nicht aus. In den letzten 48 Stunden kamen mit Bilal El Khannouss und Badredine Bouanani zwei Spieler, die in England und Frankreich längst als große Talente gehandelt werden. El Khannouss wechselt von Leicester City zunächst auf Leihbasis, allerdings mit Kaufpflicht: Rund 20 Millionen Euro muss der VfB am Ende zahlen. Bouanani, 19, kam aus Nizza für 15 Millionen. Zwei Offensivkräfte, technisch stark, entwicklungsfähig, nicht billig.
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Schon zuvor hatte der VfB eingekauft: Tiago Tomás (13 Millionen), Lorenz Assignon (12), Lazar Jovanovic (5), Chema Andrés (3), Noah Darvich (1). Und: Silas, der aus seiner Leihe nach Belgrad zurückkehrte. In Summe ergibt das Investitionen von knapp 70 Millionen Euro – Summen, die in Stuttgart vor wenigen Jahren noch als Science-Fiction durchgegangen wären.
Auf der Sollseite: große Namen, große Löcher
Die Einnahmen sind noch höher. Nick Woltemade wechselte für 90 Millionen nach Newcastle, Enzo Millot für 30 Millionen nach Saudi-Arabien. Zwei Spieler, die sportlich kaum zu ersetzen sind. Dazu Bruun Larsen nach Burnley (4), Jeong zu Union (4), Chase nach Salzburg (2), Raimund nach Düsseldorf (0,4). Perea, Pfeiffer und Kastanaras sind ebenfalls weg, Torwarttalent Dennis Seimen geht auf Leihbasis nach Paderborn. Touré und Rieder kehrten von ihren Leihen nicht zurück. Macht insgesamt mehr als 130 Millionen Euro Einnahmen. Eine Bilanz, die den Finanzvorstand jubeln lässt – und den Trainer grübeln.
Denn Sebastian Hoeneß hatte den Kader anders geplant. Er war von einem Verbleib Woltemades ausgegangen. Entsprechend scharf fielen seine Worte nach dessen Abgang aus: keine Offensiv-Power von der Bank, fehlende Optionen, offene Baustellen. Hoeneß’ Kritik war ungewöhnlich direkt – und zeigt, wie sehr er sich Sorgen um die Entwicklung der Mannschaft macht.
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Die Reaktion der Vereinsführung? Verständnis – und der Hinweis auf die wirtschaftliche Vernunft. „Wenn eine Größenordnung erreicht ist, haben wir eine Gesamtverantwortung für den Verein“, sagte Vorstandschef Alexander Wehrle. Sportvorstand Fabian Wohlgemuth beruhigte: „Ein Feuer löschen? Daran denkt überhaupt keiner.“ Hinter den Kulissen ist trotzdem klar: Die Stimmung ist angespannt, die Balance zwischen sportlichen Wünschen und finanzieller Realität fragil.
Wie es jetzt beim VfB Stuttgart weitergeht
Sieben Neuzugänge, zwei schmerzhafte Abgänge, ein gescheiterter Deal: der VfB und allen voran Trainer Sebastian Hoeneß muss aus diesem Kader nun eine funktionierende Mannschaft bauen – und das mitten im bereits laufenden Betrieb. Die Länderspielpause kommt gelegen, schon beim Test in Großaspach am Mittwochabend könnten die Neuen debütieren. Dann folgt das Auswärtsspiel in Freiburg – ein echter Prüfstein.
Der Deadline Day hat einmal mehr gezeigt, wie schmal der Grat ist, auf dem Stuttgart immer noch wandelt. Noch funktioniert das Modell: Talente holen, Stars teuer verkaufen, Löcher mit Mut und Ideen stopfen. Aber irgendwann wird man sehen, ob die Balance hält – und ob sie reicht, um Stuttgart nicht nur zu stabilisieren, sondern dauerhaft im oberen Tabellendrittel zu verankern.