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Sie ist die erste Frau an der Spitze Kölns: Henriette Reker ist seit 2015 Oberbürgermeisterin. Im Rückblick bedauert sie vor allem eine politische Entscheidung.
Bei der kommenden Oberbürgermeisterwahl im September wird Henriette Reker (parteilos) nicht mehr antreten. Im Interview blickt sie auf zwei Amtszeiten zurück – und offenbart, was ihr nicht gelungen ist.
t-online: Frau Reker, können Sie sich noch an Ihren allerersten Tag als Oberbürgermeisterin erinnern?
Henriette Reker: Ich kann mich noch sehr gut an meinen allerersten Tag im Amt erinnern. Den habe ich mir ganz bewusst ausgesucht – entgegen dem Rat meiner Ärzte. Denn an diesem Tag wurde im Kölner Rathaus die Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller mit dem Heinrich-Böll-Preis für Literatur ausgezeichnet. Herta Müller wollte ich unbedingt kennenlernen und ich sagte zu meinen Ärzten: ‚An diesem Tag muss ich wieder so weit hergestellt sein, dass ich diesen Tag durchhalte‘. Beim gemeinsamen Abendessen konnte ich zwar noch nicht schlucken, aber sonst hat alles geklappt. Herta Müller hat damals etwas gesagt, was sehr gut in unsere heutige Zeit passt: Sie sagte in ihrer Rede: „Erst gehen die Parolen spazieren und dann die Messer.“ Daran habe ich in meiner Amtszeit oft gedacht.
Am 14. September steht die Oberbürgermeisterwahl an. Sie treten nicht noch mal an. Warum?
Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich zwei Amtszeiten machen möchte. Das sind zehn Jahre, und die sind jetzt im September herum. Ich möchte eben gehen, wenn ich noch richtig leistungsfähig bin – und nicht, wenn ich schon schwächle und die anderen mich nicht mehr sehen können.
Welche Entscheidung aus Ihrer Amtszeit war Ihrer Meinung nach die beste?
Eine gute Entscheidung war die systematische Öffentlichkeitsbeteiligung. Früher hat man als Verwaltung irgendwas gemacht und die Menschen vor vollendete Tatsachen gestellt. Das geht nicht mehr. Es hat auch keinen Sinn. Demgegenüber wollen wir die Menschen beteiligen und transparent handeln.
Außerdem kümmern wir uns um unsere zentralen Plätze – wenn auch noch nicht ausreichend. Wir sind lange nicht fertig mit dem Ebertplatz und wir sind lange nicht fertig mit dem Neumarkt, aber wir unternehmen viel, um die Situation zu verbessern. Dann der Schulbau: Bildung ist immer mein wichtigstes Thema gewesen, denn ohne Bildung geht gar nichts. Und Bildung ist ja auch eine Errungenschaft, die Chancengerechtigkeit generiert.
Henriette Reker. (Quelle: Christoph Hardt via www.imago-images.de/imago)
Henriette Reker (geboren 1956) ist seit 2015 Oberbürgermeisterin von Köln – als erste Frau in diesem Amt. Die parteilose Juristin wurde bei ihrer ersten Wahl von CDU, Grünen und FDP unterstützt und 2020 im Amt bestätigt. Bundesweit bekannt wurde sie durch das Messerattentat am Tag vor der Wahl 2015, das sie schwer verletzt überlebte. Zuvor war Reker Beigeordnete in Gelsenkirchen und Köln, unter anderem zuständig für Soziales und Integration. Während ihrer Amtszeit setzte sie sich besonders für Vielfalt, Bildung und eine transparentere Stadtverwaltung ein. Im September 2025 endet ihre zweite und letzte Amtszeit.
Und was hat nicht so geklappt?
Was nicht gelungen ist, ist die Sanierung der Bühnen am Offenbachplatz. Das bedrückt mich deswegen sehr, weil ich da einfach den falschen Leuten zu lange vertraut habe. Ich gehe davon aus, dass die bauliche Fertigstellung vielleicht noch in meiner Amtszeit gelingt, aber jedenfalls in diesem Jahr. Das ist mir wichtig.
Wird dieses Thema Sie noch nach Ihrer Amtszeit beschäftigen?
Dass es in zehn Jahren nicht gelingt, eine solche Baustelle fertig zu bekommen – das teuerste Projekt für die Kölnerinnen und Kölner –, das war für mich unvorstellbar und bedrückt mich natürlich. Jeden Tag frage ich mich: Warum ist es nicht gelungen? Und es geht mir nicht darum, dass ich jetzt die Oper eröffnen soll, sondern dass ich es nicht geschafft habe, die Bühnen in zehn Jahren fertigzustellen.
Sie sind jetzt schon seit 2015 Kölns Oberbürgermeisterin. Welche Herausforderungen waren, neben der Oper, die unerwartetsten und welche die schwierigsten?
Die Silvesternacht 2015/16 kam für mich unerwartet – ich war ja auch erst wenige Wochen im Amt und noch nicht so vertraut damit, wie beispielsweise die Polizeisituation am Bahnhof in der Silvesternacht ist, wo die Einsätze stattfinden und wie die Zusammenarbeit zwischen Ordnungsamt und Polizei im Einzelnen funktioniert. Das verantwortete der Stadtdirektor. Für mich war diese Situation aber auch persönlich schwierig. Wenn man selber gerade einer Gewalttat entgangen ist und sich dann so etwas auch nur vorstellt, dann ist das sehr bedrückend.
Dann kam Corona. Ich habe realisiert, dass wir in einer globalen Welt leben. Ich bin mit einem Australier verheiratet, also hätte ich es wissen müssen. Aber Wissen ist noch etwas anderes als Erleben. Und wenn so eine Pandemie anbricht, dann kommt sie eben auch nach Köln. Außerdem natürlich der Beginn des Ukraine-Kriegs – das war an Weiberfastnacht. Daraufhin ist dann auch der Rosenmontagszug ausgefallen. Moment, ich hole eben etwas.