Wie umgehen mit Firmen des Silicon Valley, wenn ein US-Präsident diese durch ständige Drohungen vor Regulierung, Besteuerung und auch Sanktionen in der EU schützt? Für mehr als 40 zivilgesellschaftliche Organisationen aus Europa steht fest: Trump nutzt jede Schwäche aus. Und jede Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten der US-Regierung habe die USA dazu ermuntert, noch weiterzugehen. „Die Zeit ist reif für Europa, seine regulatorische Souveränität entschlossen zu verteidigen und umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Einmischungen in seine inneren Angelegenheiten zu verhindern“, heißt es in dem Brief, der an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen adressiert ist.
EU-Kommission zwischen den Stühlen
Die EU-Kommission als Hüterin der EU-Gesetze ist derzeit in einer schwierigen Situation: auf der einen Seite muss sie für die Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission die Bedingungen für den Güter- und Dienstleistungsverkehr mit den USA unter Donald Trump verhandeln. Auf der anderen Seite ist sie bei vielen EU-Gesetzen als Aufsichtsbehörde auch für die Durchsetzung von EU-Recht zuständig, gerade im Digital- und Wettbewerbsrecht. Zuletzt gab es immer wieder Medienberichte, laut denen eigentlich abgeschlossene Verfahren wegen Bedenken im Kommissars-Kollegium, dem Regierungskabinett der EU, nicht zu einem offiziellen Ende kämen – oder angedachte Strafen abgemildert würden.
Erst gestern berichtete der Branchendienst Mlex, dass sich Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera bei einer Wettbewerbsstrafe gegen den Google-Konzern Alphabet wegen dessen Anzeigentechnologie-Geschäft nicht gegen Handelskommissar Maroš Šefčovič habe durchsetzen können. Als Losung werde daher nun „Compliance vor Strafe“ ausgegeben, die auf dem Papier möglichen Milliardenstrafen würden so nur noch in Extremfällen ausgesprochen.
Neben den Verfahren unter dem Digital Services Act (DSA), der Plattformverantwortungen regelt, dem wettbewerbsrechtlichen Digital Markets Act (DMA) und den allgemeinen Wettbewerbsregeln ist die EU-Kommission auch bei der KI-Verordnung und dem Data Governance Act eine wichtige Aufsichtsbehörde. Und auch bei der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) spielt die EU-Kommission an einer Stelle eine wichtige Rolle: beim sogenannten Angemessenheitsbeschluss, der Frage, ob US-Unternehmen unter gewissen Voraussetzungen personenbezogene Daten auf vergleichbarem Niveau schützen würden wie es EU-Unternehmen tun.
Zivilgesellschaft fordert Standhaftigkeit von Kommission
Einige US-Unternehmen wie Meta (Facebook, Whatsapp, Instagram), X und Apple haben von der Regierung offensiv Schützenhilfe gegen die ihrer Meinung nach US-Unternehmen benachteiligende EU-Gesetzgebung eingefordert. Donald Trumps Regierung betrachtet EU-Gesetze und damit verbundene Strafzahlungen als Handelshemmnisse, hatte zuletzt nach dem Zoll-Deal der EU mit Maßnahmen gedroht.
Genau gegen solche Einmischungen aus Washington in EU-Angelegenheiten einzustehen, fordern jetzt die Organisationen, die vor allem aus dem Bereich der digitalen Bürgerrechte kommen: „Die europäische Demokratie und die Rechte und Freiheiten der europäischen Bürger sind nicht zu verkaufen, für keinen Preis der Welt“. Der Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird unter anderem von Organisationen wie Lobbycontrol, Digitalcourage, AlgorithmWatch, dem Wikimedia Germany-Verein, dem Zentrum für Digitalrechte und D64 unterstützt.
(kbe)
Dieser Link ist leider nicht mehr gültig.
Links zu verschenkten Artikeln werden ungültig,
wenn diese älter als 7 Tage sind oder zu oft aufgerufen wurden.
Sie benötigen ein heise+ Paket, um diesen Artikel zu lesen. Jetzt eine Woche unverbindlich testen – ohne Verpflichtung!