Mit dem Festivalprojekt „Where It All Began“ wollen unabhängige Veranstalter in Großbritannien den drohenden Kollaps der alternativen Live-Szene aufhalten. Das genossenschaftlich organisierte Event soll erstmals im Frühjahr 2026 stattfinden.

Laut der Association of Independent Festivals (AIF) mussten allein 2024 mindestens 78 Festivals abgesagt oder endgültig eingestellt werden – doppelt so viele wie im Vorjahr. 

Kollektiv-Projekt

„Where It All Began“ möchte als genossenschaftlich organisiertes Festival neue Wege einschlagen. Hinter dem Konzept steht eine Gruppe unabhängiger Organisatoren und Clubbetreibern, die das Veranstaltungssterben im alternativen Live-Sektor im Vereinigten Königreich aufhalten wollen. 

Angeführt wird die Initiative von Si Chai, Gründer des alternativen Festivalprojekts Chai Wallahs. Unterstützt wird er dabei vom Music Venue Trust sowie von Freddie Fellowes, Veranstalter der bekannten Secret Garden Party, der sein Familienanwesen in Cambridgeshire als Festivalgelände zur Verfügung stellt.

Ein Plan zum Erhalt der Unabhängigkeit

Das Festival soll als Community Benefit Society organisiert werden – einem Modell, das Teilhabe und Mitbestimmung ermöglicht: Künftige Teilnehmer können Anteile erwerben, um das Festival nicht nur finanziell zu stützen, sondern auch inhaltlich mitzugestalten. Eine öffentliche Crowdfunding-Kampagne ist für Ende dieses Jahres angekündigt.

„Das derzeitige Modell unabhängiger Festivals ist seit der Pandemie für die meisten Veranstalter unhaltbar und finanziell zu belastend geworden, was bedeutet, dass einer Vielzahl unglaublicher Grassroots-Artists verwehrt wird, aufzutreten und sich eine eigene Karriere aufzubauen“, sagt Chai gegenüber dem Guardian. „Ich habe einen Plan, um das zu retten, aber damit dieser funktionieren müssen sich alle beteiligen.“

Kosten senken, Strukturen teilen

Die Organisator*innen setzen auf Kooperation statt Konkurrenz. Durch die Bündelung von Ressourcen sollen Produktions- und Transportkosten um bis zu 40 Prozent gesenkt werden. Zudem wollen die beteiligten Festivals und Spielstätten gemeinsame Marketing-Datenbanken nutzen, um teure Werbekampagnen zu umgehen. 

Das langfristige Ziel: Ein Modell zu etablieren, das auch andere kleine Festivals übernehmen können, um unabhängige Strukturen widerstandsfähiger gegen Marktschwankungen zu machen. 

Ein Markt unter Druck

Die Zahlen zeigen, wie dringend neue Ideen gebraucht werden. Bereits 2022 und 2023 hatten viele Festivals trotz hoher Besucherzahlen Verluste gemacht, da Kostensteigerungen die Einnahmen auffraßen. Ticketpreiserhöhungen halfen nur bedingt, da parallel Inflation, Energiekrise und geopolitische Unsicherheiten die Kaufkraft schmälerten. 

Besonders problematisch ist die Marktkonzentration: Der US-Konzern Live Nation Entertainment, der nach seiner Fusion mit Ticketmaster 2010 zeitweise unter Beobachtung der britischen Wettbewerbsbehörde stand, dominiert inzwischen fast den gesamten Festivalmarkt im Vereinigten Königreich. 

Bis auf eine Ausnahme organisiert er sämtliche großen Festivals im UK und verkauft jährlich rund 880.000 Tickets. Kritiker wie die AIF warnen, dass diese Entwicklung die kulturelle Vielfalt bedroht, weil kleine Festivals traditionell als Sprungbrett für neue Talente darstellen. 

Rettung oder Tropfen auf den heißen Stein?

Ob „Where It All Began“ die Wende einleiten kann, bleibt abzuwarten. Fest steht: Der Druck auf unabhängige Festivals ist enorm. „Das ist ein Rettungsplan“, betont Chai. „Wir wollen nicht in Konkurrenz zur Szene treten. Wir sind hier um zu helfen.“

Während die AIF die Regierung auffordert, die Mehrwertsteuer auf Ticketverkäufe von 20 auf 5 Prozent zu senken, setzen die Macher*innen von „Where It All Began“ auf Selbsthilfe. Ihr Festival versteht sich als Modellversuch und als praktischer Gegenentwurf zu einem Markt, der zunehmend von Konzernen geprägt wird.