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Mitarbeiter:innen schildern anonym Missstände an den Helios Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken. Die Klinik bestätigt zweitweise räumliche Engpässe und verweist auf ihre Pflicht, Patientinnen und Patienten zu versorgen.

Überfüllte Stationen, Sicherheitsprobleme und überlastetes Personal: Ein anonymes Schreiben eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin der psychiatrischen Klinik der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK) in Wiesbaden schildert Missstände. Recherchen bestätigen die Vorwürfe in weiten Teilen.  Die Klinik räumt Engpässe ein.

Sicherheitsmängel und sexuelle Übergriffe

Die Situation in der psychiatrischen Klinik habe sich in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert, heißt es. Demnach seien zeitweise bis zu 25 Patientinnen und Patienten auf der Akutstation untergebracht, die für 20 Personen vorgesehen sei. Viele davon seien psychotisch, dement oder aggressiv. Die Folge: „Chaos, ständige Unruhe und massive Sicherheitsprobleme.“ Mitarbeiter:innen berichten von demolierten Türen und Nachtschränken. In dem anonymen Schreiben ist auch die Rede von Übergriffen zwischen Patientinnen und Patienten, Angriffen auf Mitarbeitende sowie von Fällen sexueller Belästigung.

Das Pflegepersonal sei dauerhaft überfordert, eine angemessene Behandlung kaum möglich. Die Situation sei „menschenunwürdig“ und verletze auch die Grundrechte der Betroffenen. Der Ausfall einer weiteren Station wegen eines Wasserschadens seit März dieses Jahres sei mitursächlich für die Situation, ist aus dem Klinikumfeld zu vernehmen.

Auf Anfrage bestätigt die Klinik, dass zwei psychiatrische Stationen geschlossen sind. Die Station P1 sei bereits 2019 nach einem Wasserschaden entkernt worden, die Sanierung dauere voraussichtlich bis Februar 2026. Im März 2025 musste eine weitere Station wegen eines Wasserschadens geschlossen werden. Aktuell stünden daher nur drei Stationen mit jeweils 20 Betten zur Verfügung.

Räume reichen nicht immer aus

Die Klinik betont ihren gesetzlichen Versorgungsauftrag: Weil sie Teil der psychiatrischen Pflichtversorgung in Hessen sei, sei sie gesetzlich verpflichtet, alle Patientinnen und Patienten mit psychiatrischem Behandlungsbedarf aufzunehmen – auch im Falle einer „Rotmeldung“, also selbst dann, wenn die Klinik angezeigt hat, dass alle Betten belegt sind. „Eine Ablehnung kommt für uns aus medizinischen und ethischen Gründen nicht infrage.“ Die Folge sei, dass die räumlichen Kapazitäten nicht mehr zu jedem Zeitpunkt ausreichten. Nach Angaben der Klinik ist die personelle Ausstattung allerdings auf 80 Betten ausgelegt. „Aktuell sind die beiden offenen psychiatrischen Stationen mit jeweils einem Patienten überbelegt. Die geschlossene Station ist mit drei Personen überbelegt.“

Zu den Vorwürfen von körperlichen oder sexuellen Übergriffen äußert sich die Klinik nicht im Detail: „Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte können wir uns zu einzelnen Fällen oder etwaigen laufenden Prüfverfahren nicht äußern.“ Grundsätzlich gelte aber eine „Null-Toleranz-Politik“. Verdachtsfälle würden konsequent geprüft und bei Bestätigung sofortige Maßnahmen ergriffen. Die HSK verweist zudem auf ein erweitertes Sicherheitskonzept und zusätzliches Sicherheitspersonal im 24-Stunden-Dienst.

Klinik sieht die Versorgung sichergestellt

Die Situation in Wiesbaden ist kein Einzelfall. Seit Jahren weisen Fachgesellschaften und Gewerkschaften auf den Druck in der stationären Psychiatrie hin. Es fehlen Fachkräfte. Gleichzeitig steigt die Zahl der Behandlungsfälle. Auch bauliche Defizite sind vielerorts ein Thema. Hinzu kommen knappe Budgets und der Zwang zur Pflichtversorgung.

Welche kurz- und mittelfristigen Strategien verfolgt die Klinikleitung, um die Überbelegung in der Psychiatrie zu reduzieren? Mit der jetzt startenden Sanierung würden mittelfristig in den kommenden Monaten weitere Kapazitäten zur Verfügung gestellt. Um die Patientenversorgung in der Region bestmöglich sicherzustellen, gebe es laufenden Gespräche „über Potenziale der Zusammenarbeit aller Beteiligten“. Konkreter wird die Klinik nicht. Obwohl die aktuelle bauliche Situation für das gesamte Team eine Herausforderung bedeute, sei die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten zu jeder Zeit sichergestellt und entspreche allen medizinischen sowie ethischen Standards und Vorschriften.        

Das Foto steht symbolisch für eine psychiatrische Station. Eine Frau, ihre Erscheinung etwas verschwommen, sitzt in einem leeren Klinikflur. Im  Hintergrund stehen zwei leere rote Stühle. Aggression und Sucht sind Themen in der Psychiatrie. © Werner Krueper/epd