Russischen Angaben zufolge soll ein Durchbruch bei den jahrelangen Verhandlungen mit China über eine zweite Gaspipeline, genannt Sila Sibiri 2 (Kraft Sibiriens 2), gelungen sein. Wie Alexej Miller, der Chef des staatlichen russischen Gaskonzerns Gazprom , am Dienstag mitteilte, hätten die Präsidenten Russlands, Chinas und der Mongolei bei einem Treffen in Peking ein „juristisch verpflichtendes Memorandum“ über den Bau der Leitung sowie einer dazugehörenden Transitpipeline durch die Mongolei unterzeichnet. Miller zufolge könnten über die neue Route im Jahr 50 Milliarden Kubikmeter russisches Gas nach China strömen.
2019 hatte die Schwester-Pipeline Sila Sibiri 1 mit einer Kapazität von 38 Milliarden Kubikmetern im Jahr den Betrieb aufgenommen. Über sie wird Gas aus Ostsibirien nach China geliefert. Erst seit Dezember läuft sie unter voller Auslastung. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr indes nur 31 Milliarden Kubikmeter über Sila Sibiri 1 geliefert. Miller zufolge wurde nun vereinbart, die Liefermengen über die bestehende Pipeline auf 44 Milliarden Kubikmeter im Jahr zu erhöhen. Auch über die im Bau befindliche „fernöstliche Route“, die auch Sila Sibiri 3 genannt wird und von 2027 an Gas von der Insel Sachalin nach China liefern soll, sollen zwölf statt wie bisher vereinbart zehn Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr strömen.
2600 Kilometer bis in die chinesische Innere Mongolei
Die geplante neue Leitung würde von der Jamal-Halbinsel in Westsibirien, von wo aus bis 2022 vor allem Europa beliefert wurde, auf 2600 Kilometern durch den Osten der Mongolei bis in die chinesische Innere Mongolei führen.
Doch bleibt vieles an dem nun laut Miller unterzeichneten „Memorandum“ unklar. So ist offen, welche Fristen für den Bau des Projekts vereinbart wurden und ob es überhaupt ein konkretes Datum gibt. Merkwürdig erscheint zudem, dass die chinesische Seite die Einigung zunächst nicht bestätigte. Offiziell berichtete Peking lediglich über „grenzüberschreitende Infrastruktur- und Energieprojekte“ zwischen den drei Staaten, die „aktiv gefördert“ werden sollten. Die Staatsnachrichtenagentur Xinhua erwähnte mehr als 20 Kooperationsabkommen auch im Energiebereich, jedoch nicht die Pipeline.
Während Russland seine Energielieferungen an China ausbauen möchte, weil es mit Europa seinen bis zum Überfall auf die Ukraine mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt für Erdgas verloren hat, versucht die Volksrepublik eigentlich, ihre Energieimporte zu diversifizieren und Abhängigkeiten zu vermeiden. Seit mehreren Jahren blockte Peking Ersuchen des russischen Präsidenten Wladimir Putin ab, die neue Leitung durch die Mongolei nach China zu bauen. Dabei ging es um das Risiko amerikanischer Sanktionen, aber auch um die Höhe der Gaspreise, die China drücken will. Berichten zufolge forderte Peking Preise auf dem Niveau des russischen Binnenmarkts, die deutlich niedriger wären als die, die europäische Kunden früher zahlten.
Zudem dürfte Russland die Baukosten der Pipeline weitgehend allein tragen müssen, was angesichts einer immer schlechteren Haushaltslage wegen anhaltend hoher Ausgaben für den Angriffskrieg schwierig werden dürfte. Die mögliche Erklärung zu Sila Sibiri 2 dürfte vor allem eine Geste guten Willens der Chinesen an die Adresse Russlands sein. Chinas Präsident Xi Jinping erwartet neben Putin mehr als 20 Staats- und Regierungschefs überwiegend autoritär geführter Länder zur großen Militärparade in Peking an diesem Mittwoch.