Urteil gegen Ex-Soldaten
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„Für mich gehören bei der Bundeswehr solche Rituale hinzu“
Di 02.09.25 | 19:05 Uhr | Von Ulf Morling
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Audio: rbb24 Inforadio | 02.09.2025 | Ulf Morling | Bild: dpa/Gateau
Das Landgericht Berlin verurteilt zwei Ex-Bundeswehrsoldaten wegen schwerer sexueller Nötigung zu Bewährungsstrafen. Ein dritter soll nicht eingeschritten sein und muss eine Geldstrafe zahlen. Geschehen in der Julius-Leber-Kaserne. Von Ulf Morling
Das Landgericht Berlin hat zwei ehemalige Berufssoldaten wegen schwerer sexueller Nötigung eines damals 20-jährigen Kameraden zu Bewährungsstrafen von 20 beziehungsweise 22 Monaten verurteilt. Ein dritter Angeklagter soll dem Opfer nicht zu Hilfe gekommen sein und muss wegen gefährlicher Körperverletzung eine Geldstrafe von 6.400 Euro zahlen.
Bei einem anderen Vorfall 2021 sollen sechs Kameraden nacheinander auf das Opfer gesprungen sein, das Ritual soll „Schweinehaufen“ oder „Bombe“ genannt worden sein. Das Opfer erlitt unter anderem Atemnot. Das umfassende Geständnis der drei Angeklagten und Schmerzensgeldzahlungen an das Opfer in Höhe von 9.500 Euro hätten die Strafe gemildert, so der Vorsitzende Richter der 39. Strafkammer des Landgerichts 1, Frank Nötzel.
Sowohl Täter wie Opfer sind heute keine Soldaten mehr. „Man nimmt mir mein Soldatsein weg“, soll der heute 24-jährige Phillip Z. bei seinem Psychotherapeuten der Bundeswehr geklagt haben.
Soziale Bereiche hätten oft eigene Regeln und Rituale, „die sich nicht immer an Recht und Gesetz halten“, sagt Richter Nötzel in der Urteilsbegründung. So sei es hier in der Stube eines der Angeklagten gewesen. In ihrem umfassenden Geständnis hatten die langjährigen drei Soldaten des Wachbataillons unter anderem von den Ritualen „Zäpfchen“ und „Bombe“ berichtet, wie es auch Soldat Phillip Z. widerfuhr, der zu dieser Zeit erst ein paar Monate beim Wachbataillon diente.
In der Julius-Leber-Kaserne in Reinickendorf war der damals 20-jährige Z. beim Gaming mit der Konsole festgehalten worden und das „Ritual“ Zäpfchen sei erfolgt. Es sei ein schwerer sexueller Missbrauch, hieß es im Urteil, auch wenn nicht erwiesen sei, dass in das Opfer eingedrungen worden sei, denn: Der 20-jährige Kamerad der Angeklagten sei festgehalten worden und hätte weitere Gewalt erdulden müssen. Tradition oder Rituale seien aber kein Wert an sich, hieß es im Urteil dazu, denn sie „können teilweise strafbaren Charakter haben“, so sei das auch in diesem Fall gewesen.
Beim zweiten und ebenfalls in der ersten Jahreshälfte 2021 geschehenen Vorfall hatten sich nach dem Ruf „Bombe“ sechs Kameraden nacheinander auf Phillip Z. geworfen, der Atemnot und Schmerzen erlitt. Das Opfer soll von dem Vorfall niemandem berichtet haben, auch weil ihm gedroht worden sein soll von seinen Kameraden, dass sie wüssten, wo seine Familie wohne. Ein anderer Kamerad soll erst nach geraumer Zeit einem Vorgesetzten im Wachbataillon darüber Meldung erstattet haben.
Angeklagte entschuldigten sich
Nachdem die drei Angeklagten schon während der Ermittlungen nicht mehr bei der Bundeswehr ihren Dienst taten, hatte sich der Angeklagte Robby B. (35) bei dem Opfer entschuldigt. Am 30. Juli 2025 schrieb er: „Hätte ich gewusst, dass dich das so belastet, hätte ich dir das nicht angetan… Für mich gehören bei der Bundeswehr solche Rituale dazu. Bitte verzeih mir.“
Auch die anderen Angeklagten hatten sich im Prozess entschuldigt. Heute arbeiten sie beim Rettungsdienst und auf dem Bau, ihr Disziplinarverfahren bei der Bundeswehr soll noch laufen.
Opfer geht es „nach wie vor sehr, sehr schlecht“
Bis heute leidet Missbrauchsopfer Z. unter einer posttraumatischen Belastungsstörung durch die Erlebnisse bei der Bundeswehr, so sein Psychotherapeut der Bundeswehr Walter D. (53). 117 Therapiesitzungen habe Z. bis zum Februar dieses Jahres gehabt.
Nachdem die Bundeswehr ihm mitgeteilt habe, keine Verwendung mehr für ihn zu haben, habe er neue Wege suchen müssen, hatte Missbrauchsopfer Phillip Z. als Zeuge im Prozess berichtet. Da er nach seiner Entlassung bei der Bundeswehr kein Privatpatient mehr sei, könne er die Sitzungen bei seinem Therapeuten nicht mehr bezahlen und habe damit aufhören müssen.
„Meinem Mandanten geht es nach wie vor sehr, sehr schlecht“, sagt Julia Hilterscheid, die Z. als Nebenklageanwältin im Prozess vertritt. Ihr Mandant wolle jetzt eine Ausbildung zum Erzieher beginnen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 02.09.2025, 16:40 Uhr