Nach dem Veto des Präsidenten, droht Chaos. Zwar bekommen Ukrainer aufgrund eines EU-Beschlusses in allen Ländern der Union Schutz als Kriegsflüchtlinge, doch Polen hatte eigene, großzügigere Regelungen erlassen. Damit sind Ukrainer, die nach Kriegsbeginn eingereist sind, polnischen Bürgern weitgehend gleichgestellt: Sie können legal in Polen wohnen, arbeiten, zum Arzt gehen, polnische Schulen besuchen und Kindergeld beziehen. All diese Rechte bekommen sie unbürokratisch, quasi automatisch, allein aufgrund ihrer ukrainischen Staatsangehörigkeit, ohne ein langwieriges Antragsverfahren.
Firmen ohne Arbeitskräfte und Ämter am Limit?
Diese nationalen Sonderregelungen laufen Ende September aus, wenn sich Regierung und Präsident bis dahin nicht doch noch auf eine Verlängerung einigen. Die Folge: Hunderttausende Ukrainer stürmen bald die Ausländerbehörden, um sich als Flüchtling zu registrieren und Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse zu beantragen, die sie bislang nicht brauchten. Die Behörden sind auf eine solche Antragsflut nicht vorbereitet und könnten zusammenbrechen. Im schlimmsten Fall müsste der Staat sogar erhebliche Entschädigungszahlungen wegen zu langer Verwaltungsverfahren leisten.
Auch für die polnische Wirtschaft wäre das ein harter Schlag, denn etwa jeder zwanzigste Arbeitnehmer in Polen stammt inzwischen aus der Ukraine. Branchen wie Industrie, Bauwesen, Hotellerie und Gastronomie, Transport und Logistik sind besonders stark auf ukrainische Arbeitskräfte angewiesen. Die Unternehmen müssten nach Auslaufen der nationalen Regelungen für jeden Beschäftigten aus der Ukraine eine Arbeitserlaubnis beantragen oder einen Polen als Ersatz finden – angesichts des Fachkräftemangels oft illusorisch, zumindest aber teurer.
Alles in allem wäre das ein Schuss ins eigene Knie. Dass Präsident Nawrocki es dennoch riskiert, hat zwei Gründe. Zum einen führt er vom ersten Amtstag an einen Krieg gegen die Regierung Tusk, die er zu Fall bringen will, um der PiS-Partei den Weg zurück an die Macht zu ebnen. Zum anderen bedient er die erstarkenden Ressentiments gegen Ukrainer.