– Kleine Unternehmen schaffen oftmals Großartiges – so wie die Bauunternehmung Hubert an der Ostseite des Annaparks in Nürnberg. Hier errichtete sie zusammen mit einem Mitbewerber eine ganze Reihe wunderbarer Mietshäuser mit Fassaden im Reformstil.
Hermann, Joseph und Wilhelm Hubert waren Baumeister im besten Sinne des Wortes, Männer, die sowohl das Technische, als auch das Künstlerische ihres Metiers aus dem „FF“ verstanden. Nachdem sie die Nürnberger Baugewerkeschule absolviert hatten, gründeten zuerst Joseph (1905) und hernach Hermann und Wilhelm (1909) eigene Firmen, Letztere mit Sitz in der Gibitzenhofstraße 58. Eines ihrer ersten Großprojekte führte sie an den heutigen Annapark in Lichtenhof, damals noch der private Garten der Villa des verstorbenen Brauereibesitzers Zacharias Reif.
Hier brummte weiland der Baubetrieb, schossen Monat für Monat neue Mietshäuser in die Höhe und formten bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein beeindruckendes Vorstadt-Ensemble. Die Huberts kamen direkt am östlichen Parkrand zum Zuge, wo sie die Grundstücke Bulmannstraße 63-69 ergattern konnten. Erst 1974 wurde dieser Straßenabschnitt nach dem Ersten Bürgermeister Georg Ritter von Schuh (1846-1918) in Ritter-von-Schuh-Platz unbenannt, und die betreffenden Häuser erhielten die neuen Nummern 25, 27, 29 und 31. Die flankierenden Parzellen sicherten sich ihre Mitbewerber Karl Illauer, Johann Burger und Martin Rank. Zwischen 1911 und 1913 wurden alle Grundstücke bebaut. Helmut Hubert, der die Bauunternehmung heute führt, weiß zu berichten, dass sein Vater Hermann die Pläne für die Häuser selbst zeichnete.
Hubert orientierte sich bei seinen Entwürfen am damals modischen Reformstil. Über den Erdgeschosszonen aus Sand- oder Kalkstein sind die Straßenfassaden der schnelleren Bauausführung wegen überwiegend aus Ziegeln gefügt und mit Strukturputz versehen. Allein die Gliederungs- und sparsam verteilten Schmuckteile sind aus Haustein. Einzelne Bauteile wie die gequaderten Lisenen, die bauchigen Säulen und Zwerchhäuser im Dach verraten barocke Vorbilder, die im Sinne des Jugendstils fantasievoll-märchenhaft verfremdet sind.
Material-Recycling: Die gelblichen Quader für das Haus stammen vom Abbruch eines Tunnels
Einzig die Häuser Ritter-von-Schuh-Platz 25 und 29 erhielten gegen die Straße Vollsandsteinfassaden mit strenger Gliederung und bewusst abstrahiert-kantigem, aber wirkungsvollen Reliefdekor. Der Clou: Bei den gelblichen Quadern handelte es sich um Recycling-Material, das Hubert vom Abbruch des alten Tafelfeldtunnels 1905 übernommen hatte. Während der Bauarbeiten lagerten die Steine auf einem eingehegten Teil des Reif‘schen Gartens, um dort von den Steinmetzen der Firma zum Versetzen vorbereitet zu werden.
Bei seiner Vollendung 1913 (die Inschrift „1912“ am Erker bezieht sich auf das Jahr des Baubeginns) enthielt das Haus Nr. 25 pro Etage zwei Wohnungen mittleren Standards mit privaten Toiletten, aber noch ohne Bäder. Im Erdgeschoss betrieb Johann Gugel – er hatte das Haus von Hubert erworben – eine Brot- und Feinbäckerei mit Backstube und Lager im Rückgebäude; die Familienwohnung lag gegenüber dem Verkaufsraum auf der anderen Seite des Hausflurs im Vorderhaus.
Das Ensemble am Parkrand hat die Zeiten recht gut überdauert, wenngleich einzelne Häuser deutliche Kriegsschäden davontrugen. Am Haus Nr. 25 kamen das Zwerchhaus und der originale Balkon im vierten Obergeschoss abhanden. Eine neue, aber geschmackvolle Eingangstür ersetzte wohl in den frühen Nachkriegsjahren das Original von 1913, und auch der Ladeneinbau der einstigen Bäckerei wurde in den 1950er oder 1960er Jahren erneuert.
Für Helmut Hubert sind die väterlichen Häuser am Ritter-von-Schuh-Platz auch heute noch ein Grund zum Stolz, Stolz auf eine heuer 116 Jahre währende, erfolgreiche Nürnberger Firmengeschichte. Trotzdem: Hochbau ist für die Bauunternehmung nicht mehr interessant. Zu viele Scherereien. Dann lieber anspruchsvoller Tiefbau wie die Restaurierung des historischen Quarzitpflasters im inneren Hof der Kaiserburg, für die die Firma Hermann Hubert gar eine Belobigung der Staatsregierung erhielt.
Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung, Lokalredaktion, Kressengartenstraße 4, 90402 Nürnberg; per E-Mail: redaktion-nuernberg@vnp.de. Noch viel mehr Artikel des Projekts „Nürnberg – Stadtbild im Wandel“ mit spannenden Ansichten der Stadt und Hintergründen finden Sie unter www.nuernberg-und-so.de/thema/stadtbild-im-Wandel oder www.facebook.com/nuernberg.stadtbildimwandel
Aufwändig recherchierte Artikel wie dieser sind in der Regel nur für Abonnenten lesbar – als besonderes Geschenk stellen wir diesen Text aber allen Nutzern zur Verfügung. Alle exklusiven Inhalte lesen Sie hier auf NN.de