Das Europaviertel in Frankfurt ist fast vollständig bebaut, die mit Gras bewachsene Trasse für den neuen Streckenabschnitt der Stadtbahn ist frei gehalten worden, und unter dem Europagarten genannten Park liegt schon der Tunnel. Trotzdem wird sich die Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 in den Westen der Stadt um weitere zwei Jahre verzögern. Frühestens 2029 fahren die Züge über den Hauptbahnhof hinaus in den noch jungen Frankfurter Stadtteil. Das haben Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Die Grünen) und die Geschäftsführer der Stadtbahn Entwicklung und Verkehrsinfrastrukturprojekte Frankfurt GmbH (SBEV) am Dienstag mitgeteilt.
Ursprünglich war eine Fertigstellung für 2022 vorgesehen, dann für Ende 2025. Vor zwei Jahren schließlich gingen die Beteiligten davon aus, die neue U-Bahn-Strecke könne 2027 eröffnet werden. Sogar die Verlängerung über die bisher geplante Endstation Europaviertel West hinaus bis zum Römerhof sollte in diesem Zeitraum gelingen, hieß es damals. Schon in den vergangenen Monaten zeichnete sich ab, dass der Zeitplan wegen der Marktlage kaum zu halten sein wird.
Die Projektbaugesellschaft findet nach Worten ihres kaufmännischen Geschäftsführers Florian Habersack nach wie vor nur sehr schwer Unternehmen für die ausgeschriebenen Gewerke. „Es besteht eine enorme Nachfrage. Das Angebot passt nicht, auch preislich nicht.“ Einige Angebote lägen um das Zweieinhalbfache über den kalkulierten Kosten. Deshalb sei auch abzusehen, dass der U-Bahn-Bau am Ende abermals teurer werde. Voriges Jahr hatten die Stadtverordneten einer Kostenerhöhung um 141,5 Millionen auf 515 Millionen Euro zugestimmt. „Uns ist das Geld noch nicht ausgegangen“, sagte Habersack. Aber 2027 werde es wegen der gestiegenen Preise weiteren Finanzbedarf geben. Dieser lasse sich jetzt noch nicht beziffern.
Zeitverzug durch abgebrochene Ausschreibungen
Für vier Schlüsselgewerke hatte die SBEV seit 2023 keine, nicht verwertbare oder unwirtschaftliche Angebote bekommen und die Ausschreibungen abgebrochen. Dies waren die Baulogistik, der oberirdische Fahrweg, die elektrischen Anlagen ohne die Oberleitungen und der unterirdische Fahrweg. Ein abgebrochenes Verfahren bedeute eine Verzögerung von sechs bis zwölf Monaten, sagte Habersack. Unterlagen von 2000 Seiten und zusätzliche Pläne müssten vorbereitet und von den Unternehmen ausgefüllt werden. Der zusätzliche Zeitbedarf wirke sich auf das ganze Projekt aus, denn für die Inbetriebnahme müssten alle Fachgewerke ineinandergreifen. Nach heutigem Stand könne die Stadtbahn daher erstmals 2029 ins Europaviertel fahren. „Wenn alles läuft wie eingetaktet“, ergänzte er. Das war bisher nicht der Fall: Der Ausbau und die Installation der Technik sollten eigentlich seit 2024 laufen. Der Beginn verzögert sich jetzt auf 2026.
Mobilitätsdezernent Siefert nannte die Nachricht „ernüchternd für uns und alle Frankfurter“. Die Stadtbahn Europaviertel sei eines der größten Infrastrukturprojekte der Stadt. Er habe den Eindruck, die Verantwortlichen der Projektbaugesellschaft „tun, was möglich ist“. Die Ausbaupläne der Deutschen Bahn seien ein großer Treiber der Nachfrage gewesen. Kritisch seien aber die Unsicherheiten beim Bund, was die weitere Finanzierung des Bahnausbaus angehe. „Welches Unternehmen soll da Kapazitäten aufbauen?“ Die Situation verlange von der öffentlichen Hand Flexibilität und Kreativität, sagte Siefert. Die SBEV hat zum Beispiel Lose aufgeteilt, um auch kleinere Unternehmen zu gewinnen. Der oberirdische und der unterirdische Streckenabschnitt wurden getrennt vergeben. „Das ist für kleinere Firmen besser zu kalkulieren, weil die zu erbringende Leistung überschaubarer wird“, sagte der technische Geschäftsführer Ingo Kühn. Von insgesamt 30 Vergaben stünden noch 20 aus, die man bis Ende des Jahres 2026 an den Markt bringen wolle.
Derzeit entsteht in mehr als 20 Meter Tiefe die unterirdische Station Güterplatz. Die Neubaustrecke vom Platz der Republik bis zur ursprünglich geplanten Endstation ist 2,7 Kilometer lang. Die Stadtverordneten haben der Vorplanung für eine Verlängerung um weitere 1,5 Kilometer bis zum Römerhof voriges Jahr zugestimmt. Allerdings ist ein Planfeststellungsverfahren für die Strecke nötig, und für das dort geplante Wohngebiet muss ein Bebauungsplan aufgestellt werden.
Darüber stimme man sich mit dem Planungsdezernat ab, sagt Mobilitätsdezernent Siefert. Außerdem beschäftige man sich mit Grunderwerb. „Wir halten am Ziel einer Inbetriebnahme bis zum Römerhof fest“, sagte SBEV-Geschäftsführer Kühn, das gelte auch für das neue Datum 2029. So seien für den Abschnitt Bodenuntersuchungen in Auftrag gegeben worden, und die Entwurfsplanung werde erarbeitet. Sollte sich die Verlängerung bis zum Römerhof verzögern, werde man auf jeden Fall schon einmal bis zum Europaviertel West fertig bauen.
Wer sich über den Stand der Bauarbeiten informieren will, hat dazu am 20. September Gelegenheit. Die SBEV bietet dann wieder bei einem Tag der offenen Baustelle an, in den Untergrund zu gehen.
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