Weniger als drei Wochen sind es noch bis zum diesjährigen Berlin-Marathon – und so langsam dürfte die Anspannung bei vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern steigen. Den größten Teil der Vorbereitung haben sie inzwischen geschafft, höchstens ein langer Lauf muss am nächsten Wochenende noch absolviert werden, bevor der Trainingsumfang reduziert wird. Und die Veranstalter vom SCC Events leisten ihren Anteil, um Vorfreude und Aufregung gleichermaßen zu steigern: In einem Video – unterlegt mit einem etwas dramatisch klingenden Song mit dem Titel „Golden Hour“ (Goldene Stunde) – wurde mittlerweile präsentiert, wie die neue Medaille aussieht, die sich die weit mehr als 50.000 Starter im Ziel abholen wollen. Und Sponsor Adidas verkauft online bereits die offizielle Kleidung für den 51. Berlin-Marathon.

Auch, wenn ich beim Marathon nicht mitlaufe, sondern nur das 5-Kilometer-Rennen am Tag vorher absolviere, kann ich die Emotionen nur zu gut nachempfinden. Vor allem aber fällt es mir als Beobachterin wieder auf, wie viel Disziplin so ein Marathon im Training erfordert, gerade, wenn nebenbei noch eine Familie oder ein Vollzeitjob gemanaged werden muss. Eine Freundin ist selbst an ihrem Geburtstag um sechs Uhr zum 30-Kilometer-Lauf gestartet (wurde aber immerhin danach gebührend von ihrer Familie empfangen und gefeiert). Andere ziehen eisern und alleine ihr Tempo-Training durch – und aus eigener Erfahrung weiß ich, wie viel härter es ist, solche Einheiten ohne Mitläufer zu bewältigen, die einen von der Anstrengung ablenken können.

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Marathon laufen: „Es ist hart, diese Disziplin zu haben“

Nun ist es allerdings so, dass der durchaus angemessene Stolz auf die eigene Leistung manchmal etwas in den Hintergrund rückt. Weil man dank sozialer Medien immer den Vergleich zu anderen Sportlern hat, die noch mehr trainieren. Oder – und das ist kaum besser – die deutlich schneller laufen als man selbst, ganz ohne viel zu trainieren. Umso bemerkenswerter finde ich die Worte, die Sifan Hassan, Olympiasiegerin aus Paris, vor wenigen Tagen in einem Interview geäußert hat.

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Die Niederländerin hat gerade den Sydney-Marathon gewonnen, der am vergangenen Wochenende stattfand und seit diesem Jahr Teil der „World Marathon Majors“-Serie ist, zu der auch Berlin gehört. Einen Marathon zu laufen, sagte die 32-Jährige dort, sei immer großartig, weil man sich selbst herausfordert. Bei manchen dauere diese Herausforderung fünf oder sechs Stunden, bei anderen nur zwei Stunden, aber: „Es ist hart, diese Disziplin zu haben“, sagte Hassan. Das gilt aus ihrer Sicht unabhängig von der Geschwindigkeit.

Was nach Meinung der Europarekordlerin außerdem alle verbindet: das Glück und die Endorphine nach dem Rennen. Sie hoffe, sagte Sifan Hassan weiter, dass noch mehr Menschen grundsätzlich Sport machen, sich aber auch an einem Marathon versuchen, um sich selbst zu testen.

Olympiasiegerin Sifan Hassan kennt die Zweifel vorm ersten Marathon

Schon 2023, nachdem sie ihren ersten Marathon in London direkt gewonnen hatte, gab Hassan übrigens ein Interview, das ich bis heute im Kopf habe. Der Reporter fragte sie damals, wie es für sie war, die 42 Kilometer zu laufen. Und die 32-Jährige erzählte erfrischend ehrlich von ihren Emotionen am Morgen vor dem Rennen: „Was habe ich mir dabei gedacht, als ich entschieden habe, einen Marathon zu laufen? Was ist falsch mit mir?“ – so umschrieb sie das Chaos in ihrem Kopf. Sogar ein paar Tränen seien geflossen, obwohl sie eigentlich nie weine.

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Die Gedanken von Sifan Hassan kennen wahrscheinlich fast alle, die sich schon mal für einen Marathon oder ein anderes Rennen angemeldet haben, bei dem sie sich nicht sicher waren, ob sie es auch wirklich schaffen werden. Die Zweifel begegnen einem immer wieder: während der Trainingsläufe, in denen nichts zusammenpasst, in den Tagen kurz vor dem Event oder auch während des Rennens selbst, wenn es hart wird. Und deshalb hat die Niederländerin auch mit ihrer anderen Aussage recht: Die Glücksgefühle erlebt man unabhängig von der Zielzeit. Und es hat sie jeder verdient, der sich selbst herausgefordert und sämtliche Zweifel besiegt hat.