Ein rhythmisches Klopfen, immer weiter im schnellen Takt – dann plötzlich eine Pause. Es klingt wie ein Specht, der seine Höhle in einen Baumstamm hämmert. Doch kein Specht ist hier am Werk, sondern Holzbildhauer Georg Huber, der in seinem Atelier am Schloss Wellenburg an einem neuen Stück arbeitet. Dem gebürtigen Rosenheimer geht es darum, die Tradition zu erhalten. „Schnitz- und Steinmetzarbeiten gab es schon in der Steinzeit“, weiß Georg Huber – der erst auf dem Umweg über Bolivien zu seinem Beruf gekommen ist.
Holzbildhauer Huber entdeckte das Schnitzen in Bolivien
„Mein Vater war Zimmermann in Rosenheim“, erzählt Huber. „Als Bub bin ich manchmal sogar zwischen den Sägespänen eingeschlafen“, fast wie ein kleiner Michel aus Lönneberga. Und trotzdem brauchte es erst einen Umweg über Bolivien und Berchtesgaden, bis Huber Holzbildhauer wurde. Gerade als er mit der Schule fertig war, hätten die Handwerksbetriebe kaum Auszubildenden gesucht. Und so landete Georg Huber in einem auf Küchenplatten spezialisierten Steinmetzbetrieb und verrichtete sechs Jahre lang eher eintönige Arbeiten an der CNC-Fräse. Die einzige Handarbeit daran: höchstens mal die Kanten abschleifen.
Für einen Mann mit künstlerischer Ader war diese monotone Plackerei auf die Dauer schwer zu ertragen und so nahm Georg Huber eine Auszeit in Bolivien. Weit weg von der Heimat hat er sich nach kurzer Zeit ausgerechnet mit einer bolivianischen Holzschnitzerfamilie in der Nachbarschaft angefreundet. Und wie der Zufall so spielt, hatten die wiederum ihr Handwerk von einem deutschen Geistlichen erlernt. „Ich habe dessen Spuren zurückverfolgt und bin so in Berchtesgaden gelandet“, sagt er. Dort hat er dann drei Jahre lang den Beruf des Holzbildhauers gelernt, von der Zeichnung bis zum fertigen Werk. „Gezeichnet hab ich schon immer gern, aber da haben wir es richtig gelernt, nach der Methode von Leonardo da Vinci“, sagt Huber.
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Ein Werk von Georg Huber, das gerade am Entstehen ist.
Foto: Kristina Orth
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Ein Werk von Georg Huber, das gerade am Entstehen ist.
Foto: Kristina Orth
Georg Huber ist viel gereist und schwärmt von der Kunst in Florenz
Für seinen „wandernden Mann“ hat Georg Huber Lindenholz benutzt. Momentan fehlt der geschnitzten Figur noch der Arm. „Das kann man nicht aus einem Stück machen, weil das Holz später Risse bekommen kann und im schlimmsten Fall fällt dann der Arm ab“, erklärt er. Das hänge mit der Maserung des Holzes zusammen. Die Idee zum Wandersmann sei von seiner eigenen Reise nach seiner Ausbildung geprägt, sagt er. Wie ein Handwerksgeselle ist er durch verschiedene Länder getrampt, nach Kroatien, nach Italien, bis nach Florenz. Die Stadt habe ihn so begeistert, dass er dort wie im Traum umhergewandelt sei. Die Eindrücke der Reise lässt er nun mit in sein Werk einfließen. Der Wandersmann streckt wie ein typischer Tramper den Daumen heraus.
Huber weiß: Damit eine Figur echt aussieht, muss ein Holzbildhauer auf die Größenverhältnisse achten. „Der Kopf muss in der Breite dreimal auf die Schultern passen und der Fuß so lang sein wie der Unterarm“, sagt Huber, der mit seinem Bleistift und Augenmaß alles abmisst. Von der Skizze auf Papier bis zum fertigen Werk dauert es manchmal mehrere Wochen. Erst formt Bauer eine Figur aus Ton, um die herum formt er zwei Gipsschalen für vorne und hinten. Und zum Schluss gießt er in die zwei Gipsschalen hinein eine mit Stahldraht verstärkte Betonfigur. Warum so viel Umstand? Nun, Ton bröckele schneller oder trockne im Winter, wenn es kalt sei, auch mal nicht so gut durch. Erst die Betonvorlage ist so haltbar, dass Bauer in Ruhe ans Schnitzwerk gehen kann.
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Georg Hubers in Aktion, in seinem Atelier am Schloss Wellenburg.
Foto: Kristina Orth
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Georg Hubers in Aktion, in seinem Atelier am Schloss Wellenburg.
Foto: Kristina Orth
Bei der Wellenburg schnitzt und sägt Huber an seinen Figuren
Wenn Georg Huber ein Holz in einem Nebengebäude der Wellenburg, das er zur Werkstatt ausgebaut hat, in Form bringt, dann arbeitet er mit der Maserung. 30 Schnitzeisen hat er auf seiner Bank liegen und mindestens nochmal so viele alte die er für individuell zuschleift. Was er aus einem Holz fertigt, sieht er schon vorher darin. „Ich bin auf einem Holz gesessen und er hat gesagt: Du sitzt auf Eva“, erzählt seine Frau Heidi Huber. Die Vorarbeit führt er mit einer filigranen Kettensäge aus. Hauptsächlich fertigt Georg Huber Auftragsarbeiten an für Kirchen, Kanzleien, Privatkunden. „Wenn der Kunde am Schluss Tränen in den Augen hat und sich kaum traut, das Werk anzufassen, dann weiß ich, das war richtig“, sagt er.
Doch er schafft nicht nur Neues, er repariert auch Kostbarkeiten aus Holz. Zuletzt hat er für einen Mann den Pokal restauriert, den seine verstorbene Frau als Pianistin gewonnen hatte. Der habe von vielen Umzügen schon Schnitzer gehabt, ganze Stücke seien herausgebrochen und das habe den Mann nur noch mehr an den Verlust seiner Frau erinnert. Indem Huber den Pokal wieder hergerichtet hat, konnte der Mann wieder mit Freude und Stolz den Pokal halten und an seine Frau denken, ohne Schrammen.
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Was Huber aus einem Holz fertigt, das sieht er schon vorher darin.
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Was Huber aus einem Holz fertigt, das sieht er schon vorher darin.
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Georg Huber restauriert auch alte Kostbarkeiten aus Holz
Wenn Huber solche Schätze repariert und dabei fehlende Teile ersetzt, dann werden die neuen Stücke mit Dübeln fixiert, geleimt, mit Champagnerkreide grundiert. Auch einen Schrank aus dem 16. Jahrhundert hat er schon restauriert. „Eine Wissenschaftlerin hat die Herkunftsurkunde untersucht, er hat wohl einem preußischen Adligen gehört“. Was Hubers eigene Werke betrifft, interessiert sich das Gros seiner Augsburger Kunden für Tierfiguren, wie Eulen oder Fische. Da gebe es durchaus regionale Unterschiede, sagt der Holzbildhauer. In seiner Rosenheimer Heimat stellen sich die Menschen vor allem Bergtiere wie den Steinbock in den Garten.
Für die Zukunft träumt Huber von einer größeren Werkstatt, damit er dort auch Kurse geben kann. „Viele Jugendliche werden auf mich aufmerksam, wenn sie vom Minigolf an der Wellenburg kommen und fragen nach einem Praktikum“, sagt er. Bis dahin möchte er die Räume weiter ausbauen und an der Heizung feilen. Denn im Winter sei es nur drei, vier Grad kalt in den Räumen. Doch auch das hält Huber nicht von seiner Arbeit ab. „Mal sehen, was die Zukunft noch so bringt.“
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