Zum Start ins neue Ausbildungsjahr Anfang September gibt es im Handwerk in der Region Stuttgart noch viele freie Lehrstellen. „Etwa jeder vierte oder fünfte Ausbildungsplatz bleibt unbesetzt“, sagte Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart, unserer Zeitung.

Eine konkrete Zahl hat die Kammer zu den offenen Ausbildungsstellen nicht, da diese nicht meldepflichtig sind. Zu den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen dagegen schon. Zum Ausbildungsstart 2025 beginnen demnach 3446 junge Menschen eine Lehre im Handwerk. Im Vergleich zum Vorjahr ist das in der Region Stuttgart ein Rückgang um 4,1 Prozent. Ein negativer Trend, über den sich Friedrich ärgert, denn die Betriebe hätten viel getan, um junge Leute fürs Handwerk zu begeistern.

Fast jeder fünfte Azubi hat eine Hochschulreife

Einen Lichtblick gibt es allerdings: Etwa jeder fünfte Azubi hat Abitur oder Fachhochulreife, deren Zahl ist um 16,3 Prozent gestiegen. „Unsere Aktivitäten, an Gymnasien über das Handwerk zu informieren, zeigen Wirkung“, sagte Friedrich.

Mit den rückläufigen Ausbildungszahlen steht das Handwerk nicht allein da, auch die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart verzeichnet mit 8151 Ausbildungsverträgen in diesem Jahr einen Rückgang um rund vier Prozent. „Die konjunkturelle Schwäche kommt im Ausbildungsmarkt an“, sagte Friedrich. Auch die schlechte Stimmung in der Baubranche oder in der Autoindustrie verunsichere Bewerber und Bewerberinnen. Die Krise in der Autoindustrie etwa schlage auf das Kfz-Gewerbe durch, weil die Industrie mit dem Handwerk in einen Topf geworfen werde. „Viele junge Menschen entscheiden sich gegen die Branche, dabei läuft das Geschäft in den Kfz-Werkstätten gut“, weiß der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer.

Die Stimmung beeinflusse das Berufswahlverhalten. Während sich im vergangenen Jahr noch 523 junge Leute für eine Ausbildung als Kraftfahrzeugmeachtroniker/in entschieden haben, waren es in diesem Jahr nur 465, auch wenn dies immer noch der beliebteste Ausbildungsberuf im Handwerk ist. Für Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sind es in diesem Jahr mit 390 Azubis ebenfalls deutlich weniger als 2024 mit 419 Auszubildenden.

Auch das „schnelle Geld“ hält viele junge Leute von einer Ausbildung ab. Sie machen lieber einen Mindestlohnjob und wollen direkt nach der Schule Geld verdienen – ohne Lehre, wie auch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt. „Ohne beruflichen Abschluss steigt aber das Risiko langfristiger Arbeitslosigkeit“, warnte Friedrich.

Was Lehrlinge im Handwerk verdienen

Er empfiehlt jungen Leuten, Berührungsängste zu überwinden und auszuprobieren, welcher Beruf zu einem passe – etwa durch Praktika oder den Tag des Handwerks. Er verwies auch auf das Pilotprojekt „Freiwilliges Berufsorientierungsjahr“, das im Landkreis Böblingen gestartet ist. Junge Leute können dabei durch Langzeitpraktika Einblicke in verschiedene Handwerksberufe gewinnen.

Viel verspricht sich Friedrich auch von der großen Nachvermittlungsaktion am 17. September 2025, die von der Handwerkskammer, der Arbeitsagentur Stuttgart und der IHK Region Stuttgart gemeinsam veranstaltet wird, um noch weitere Auszubildende zu gewinnen. „Ich gehe davon aus, dass es im September und Oktober noch eine Reihe von Ausbildungsverträgen geben wird“, sagte er, so dass man am Ende des Jahres doch noch „null auf null“ rauskommen könne.

„Ukrainer kommen im Ausbildungsmarkt an“

Der Rückgang bei den Ausbildungsplätzen im Kammerbezirk verteilt sich auf die einzelnen Kreise sehr unterschiedlich. Mit einem Zuwachs ist der Landkreis Böblingen eine Ausnahme. Im Stadtkreis Stuttgart gibt es im Handwerk 622 Ausbildungsverhältnisse (minus 10,4 Prozent), im Landkreis Böblingen 484 (plus 2,3 Prozent), Esslingen 646 (minus 5,7 Prozent), Göppingen 383 (minus 7,9 Prozent), Ludwigsburg 661 (minus 0,3) und Rems-Murr 650 (minus 2,1 Prozent).

Bei der Berufswahl haben sich in diesem Jahr wieder deutlich mehr junge Leute für Friseur/in (239 nach 216 im Vorjahr), Maler/in und Lackierer/in (191 nach 159 im Vorjahr) und Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk (131 nach 119 im Vorjahr) entschieden. Auch Ukrainer waren 2025 erstmals eine relevante Größe am Ausbildungsmarkt und kämen nach ihrem Schulabschluss jetzt im Handwerk an. Die Zahl ukrainischer Azubis im Handwerk hat sich auf 84 mehr als verdoppelt.