Liebe Leserin, lieber Leser,
zu
den wichtigeren Terminen im politischen Hamburg gehört die
Landespressekonferenz – eine Veranstaltung, die genauso heißt wie die
Institution, die sie ausrichtet: Landespressekonferenz. Nach den Sitzungen des
Senats stellen die Senatorinnen und Senatoren, Staatsrätinnen und -räte und
andere Menschen aus dem politischen Betrieb die relevanten Entscheidungen des
Tages vor und stellen sich den Fragen der Hamburger Presse. Seit der Pandemie
werden die Landespressekonferenzen auch online übertragen, was für das
politische Leben in Hamburg eine so wesentliche Errungenschaft ist, wie zuvor
wahrscheinlich der Bau des Rathauses (ja, Sie dürfen das gern übertrieben
finden, ich bleibe dabei).
In
der gestrigen Landespressekonferenz ging es um die beiden größten, visionärsten
und umstrittensten Projekte, die sich der Senat vorgenommen hat, in beiden
Fällen liegt die Verwirklichung weit nach dem Ende der laufenden Legislatur
(wenn überhaupt): die Olympia-Bewerbung und der Neubau der Hamburgischen
Staatsoper. Was es dabei konkret Neues gibt, lesen Sie weiter unten in den
Nachrichten; die Präsentation und Diskussion beider Themen durch – unter
anderem – insgesamt vier Senatoren dauerte knapp drei Stunden, und als nach
diesen drei Stunden ein geschätzter Kollege auch noch eine Frage zum Elbtower
stellte, hatten selbst die redefreudigsten Teilnehmer der Sitzung erkennbar
keine Lust mehr (beim Elbtower aber steht immerhin schon der Rohbau, verglichen
mit den beiden anderen Projekten ist er also quasi bezugsfertig).
Als
die Olympischen Spiele vorbei waren und der Neubau der Oper beginnen sollte, wurde im
Rathaus eine kurze Lüftungspause nötig. Ich, der ich die Sitzung neben meinem
geöffneten Bürofenster verfolgt hatte, stieß in dieser Pause auf einen Beitrag
über ein U-Boot der kaiserlichen Marine, das vor 106 Jahren vor der Insel
Scharhörn in der Nordsee gesunken war. Das 57 Meter lange Boot, 1911 in Kiel
gebaut, war 1919 auf der Auslieferungsfahrt nach Großbritannien gesunken, man
vermutet: versenkt von der eigenen Mannschaft. Nun sollte ein Schwimmbagger
namens Matador 3 das Wrack bergen, aber das gelang nur zur Hälfte: Das Boot
zerbrach, die Hälfte liegt noch auf dem Meeresgrund. Die andere Hälfte aber
wurde Anfang der Woche auf einem Ponton nach Cuxhaven geschleppt. Ein Riesenhaufen
Schrott, überhaupt nicht mehr erkennbar als das, was es einmal gewesen war.
© ZON
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Staunend
betrachtete ich die Bilder des Wracks. Dann wurde die Sitzung fortgesetzt, und
falls Sie sich nun fragen, was der Schrotthaufen mit der Olympia-Bewerbung oder
dem neuen Opernhaus zu tun hat:
Gar
nichts natürlich.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Ihr Florian Zinnecker
Wollen Sie uns Ihre Meinung sagen,
wissen Sie etwas, worüber wir berichten sollten? Schreiben Sie uns eine E-Mail
an hamburg@zeit.de.
WAS HEUTE WICHTIG IST
© Christian Charisius/dpa
Ob der geplante Neubau
der Staatsoper in der HafenCity tatsächlich realisiert wird, könnte sich
erst im ersten Quartal 2028 entscheiden. Nach den aktuellen Plänen des
Senats, die Kultursenator Carsten Brosda, Stadtentwicklungssenatorin Karin Pein
und Finanzsenator Andreas Dressel (alle SPD) am Dienstag vorstellten, soll bis
dahin eine finale Kostenschätzung vorliegen, auf deren Basis die Kühne-Stiftung
als Finanzier des Projekts dann die endgültige Entscheidung für oder gegen das
Projekt trifft. Wie die Oper aussehen wird, soll nach einem
Architektenwettbewerb noch in diesem Jahr feststehen. Läuft dann alles nach den
Plänen des Senats, wäre mit einer Eröffnung frühestens zur Saison 2034/35 zu
rechnen.
Der neue Leiter der
Olympia-Projektgruppe, Steffen Rülke, sieht Hamburg als aussichtsreichsten
deutschen Bewerber für die Ausrichtung der Spiele. Das Hamburger Konzept
sei für ihn das klügste und professionellste, sagte Rülke bei seiner Vorstellung
durch Hamburgs Innen- und Sportsenator Andy Grote im Rathaus. Als früherer
Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium habe er einen bundesweiten
Überblick gewinnen können. Olympia sei für ihn ein „absolutes
Leidenschaftsthema“ und weit mehr als „nur eine Sportveranstaltung“.
Nachricht des Tages
© Patrick Pleul/dpa
Das Hamburger
Housing-First-Projekt wird dauerhaft weitergeführt. Seit dem 1. September ist das zuvor befristete Modell in ein reguläres
Hilfsangebot übergegangen, wie die Sozialbehörde bestätigte.
Die Bilanz der Pilotphase fällt positiv aus: Statt der vorgesehenen 30
konnten seit dem Start im Jahr 2022 bereits 39 obdachlose Menschen in eigenen
Wohnungen untergebracht werden. Bislang war das Projekt an eine gedeckelte
Fördersumme der Stadt gebunden, die Zahl der Vermittlungen daher begrenzt.
Künftig werden die inbegriffenen Leistungen aber nach dem Sozialgesetzbuch
abgerechnet – damit wäre theoretisch mehr Spielraum für zusätzliche Wohnungsvermittlungen
gegeben. Wie viele Wohnungen es am Ende sein werden, hängt jedoch davon ab, ob
die sozialen Träger auf dem angespannten Hamburger Markt überhaupt freie
Wohnungen finden. Die Stadt selbst will keine Wohnungen anmieten oder ankaufen,
betonte die Sozialbehörde gegenüber der ZEIT; die Akquise bleibe Aufgabe freier
Träger.
Housing First bedeutet, dass
obdachlose Menschen bedingungslos eine eigene Wohnung erhalten, die Miete
übernimmt anfangs in der Regel das Sozialamt oder das Jobcenter. Die
Obdachlosen werden nach dem Einzug von Sozialarbeitern betreut. Bisher kümmert
sich ein Trägerverbund aus der Benno und Inge Behrens-Stiftung, der Diakonie
Hamburg und dem evangelischen Kirchenkreis Hamburg-Ost um die Vermittlung. Nun
öffnet die Sozialbehörde das Programm: Auch andere Träger können künftig
Wohnungen nach dem Housing-First-Prinzip anbieten. Nach Aussage der Behörde
laufen dazu bislang noch keine Gespräche. Die Evaluation des Modellprojekts sei
abgeschlossen, der Abschlussbericht aber noch in Arbeit.
Annika Lasarzik
In aller Kürze
• Bei der 10.
Ausgabe der Hamburg Cruise Days werden in der kommenden Woche acht
Kreuzfahrtschiffe im Hamburger Hafen anlegen. Fünf von ihnen werden an einer
großen Parade am Samstagabend teilnehmen, wie der Veranstalter in Hamburg
mitteilte. Am Abend wird der Hafen wieder blau beleuchtet • Ein Mann,
der am Montag im dänischen Odense eine 54-jährige Frau erschossen haben
soll, ist wenige Stunden später am Hamburger Flughafen festgenommen worden •
Drei Männer haben im Stadtteil Eißendorf einen 80 Jahre alten Mann in seiner
Wohnung überfallen und ausgeraubt
AUS DER HAMBURG-AUSGABE
© Co Merz
„Viele sagten: Hamburg? Hier könnt ihr’s vergessen“
Nach 17 Jahren
beim Ensemble Resonanz geht dessen Geschäftsführer Tobias Rempe als Intendant
an das Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Was nimmt er aus Hamburg mit? Lesen
Sie hier einen Ausschnitt aus dem Interview von ZEIT:Hamburg-Ressortleiter Florian
Zinnecker.
DIE ZEIT: In ein paar Tagen beginnt Ihre erste Saison als
Intendant des Berliner Konzerthauses am Gendarmenmarkt – ein Riesentanker im
Vergleich zum Ensemble Resonanz in Hamburg, das Sie vorher geleitet haben. Wie
oft haben Sie schon über die komplizierteren Strukturen geflucht?
Tobias Rempe: Ach, so schlimm ist es nicht. Aber es stimmt
schon, im neuen Job ist alles zehnmal so groß.
ZEIT: Ihre Berufung an eines der wichtigsten Häuser der
Klassikwelt zeigt, dass Sie in Hamburg einiges richtig gemacht haben – oder?
Rempe: (lacht) In Hamburg ist in den letzten
Jahren wahrscheinlich insgesamt einiges richtig gemacht worden. Und ich glaube
schon, dass man von einem Start-up der freien Szene viel an ein großes Haus
mitnehmen kann. Etwa, wie man eine Stadtgesellschaft erreichen kann, die längst
nicht mehr nur aus Menschen besteht, die seit Generationen in der klassischen
Musik verwurzelt sind.
ZEIT: Sie gehörten zu den Gründungsmitgliedern des
Ensembles Resonanz, später waren Sie dessen Manager. Wofür steht das Ensemble?
Rempe: Das Ensemble Resonanz will klassische Musik als
zeitgenössische Kunstform präsentieren, aber – und das war zum Zeitpunkt der
Gründung ein tatsächlich neuer Gedanke – ohne sich auf eine Epoche zu
spezialisieren. Gespielt wird alles, egal ob Barock, Klassik, Romantik oder 20.
Jahrhundert, aber immer mit Bezug zur Gegenwart. Altes steht also neben Neuem,
jedes Werk bekommt so noch einmal eine ganz eigene Aussage.
ZEIT: Wie kam es zur
Gründung?
Rempe: Den Eigene-Band-Moment hatte das Ensemble in
einem Kammerorchesterkurs der Jungen Deutschen Philharmonie, in der die Musiker
im Studium zusammen gespielt haben. Danach ging es einfach weiter. Und als um
die Jahrtausendwende die Entscheidung anstand, ob der eigene Weg in ein
Orchester führt, in eine Lehrtätigkeit oder wohin sonst, haben sich die Musiker
entschieden, das Ensemble zu ihrem Beruf zu machen.
ZEIT: Also: volles Risiko?
Rempe: Exakt. Die ersten Jahre waren dann wirklich hart.
Mindestens zehn Jahre lang haben die Musiker so getan, als sei das Ensemble ihr
Hauptberuf, mussten ihr Geld aber woanders verdienen. Dadurch wurden sie
künstlerisch präzise und kompromisslos.
Wie eng das Schicksal des Ensembles mit der
Elbphilharmonie zusammenhängt und warum Rempe die letzten Jahre dennoch nicht
uneingeschränkt als Erfolgsgeschichte versteht, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf zeit.de.
DER SATZ
© Marcus Brandt/dpa
„Normalerweise spreche ich zweimal 45 Minuten. Heute soll es schneller
gehen.“
Mit diesem Scherz begann der ehemalige
Sportmoderator Gerhard Delling am Dienstag seine Aussage im Prozess gegen seine
Lebensgefährtin Christina Block – die ZEIT-Reporterin Anne Kunze berichtet hier über den Fall.
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN
Das Independent Publishing Festival „Indiecon“
bietet im Oberhafen kostenlose Einblicke in die Welt der Medien, Kultur und
Kreativwirtschaft. Das Motto in diesem Jahr lautet „Where do we go from
here?“
„Indiecon“, 5.–7. September, Gleishalle Oberhafen,
Stockmeyerstraße 43; das Programm
finden Sie hier
MEINE STADT
Feierabend © Hilke Suhr
HAMBURGER SCHNACK
Neulich im Supermarkt: Der Sommer ist noch nicht
vorbei, und doch türmt sich bereits ein riesiges Sortiment weihnachtlicher
Lebkuchen in überquellenden Körben. Kommentiert ein älterer Herr vergnügt: „Die
machen das für Leute wie mich, die schon über 90 sind und Weihnachten
vielleicht nicht mehr erleben.“
Gehört von Matias Boem
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