Wenige Wochen vor der Heizsaison sind die Gasspeicher gut gefüllt, die Preise halbwegs stabil. Der nächste Winter ist gesichert, aber alle Sorgen ist die EU deshalb noch nicht los, warnt E-Control-Chef Alfons Haber.

Über vier Prozent Inflation. Immer noch. Kein Wunder, dass in der Debatte über die steigenden Preise auch die hohen Energiekosten neuerlich ins Visier der Politik rücken. „Wir sehen, dass die Energiekosten das Wirtschaftswachstum beeinflussen“, gab Kanzler Christian Stocker zu Protokoll. Doch während es an Ideen für sinkende Strompreise nicht mangelt, ist es um die einst so hohen Gaspreise zuletzt eher still geworden.

Das liegt einerseits daran, dass die Megawattstunde Erdgas heute viel billiger zu haben ist als zum Höhepunkt der Energiepreiskrise 2022. Trotzdem bezahlen Unternehmen aus Europa für Gas weiter deutlich mehr als die Mitbewerber in den USA. Und spätestens im Winter wird der Gaspreis auch diktieren, in welche Richtung sich die Stromrechnungen bewegen. Droht erneut ein Winter mit Gasengpässen und hohen Preisen? Wie sieht die Versorgungslage wenige Wochen vor Beginn der Heizsaison aus?

Starre Regeln treiben Preise

In Österreich sind die Erdgasspeicher Anfang September mit 81,3 Prozent recht gut gefüllt. Das ist zwar deutlich weniger als vor einem Jahr, als nach dem Sommer bereits über 90 Prozent der Speicher voll waren. Dennoch sollte die Menge bereits ausreichen, um einen Großteil des Jahresverbrauchs zu decken. Auch andere große Gasverbraucher in Europa haben ihre Speicher inzwischen gut gefüllt, Deutschland zu 71 Prozent, Italien zu 88 Prozent. Sie können damit allerdings bestenfalls ein Viertel ihres Bedarfs decken.

Noch vor wenigen Monaten hatte es bei Weitem nicht so ausgesehen, als ob Europa halbwegs entspannt in die Wintersaison gehen könnte. Anfang des Jahres sorgten schleppende Einlagerungen noch für Unruhe auf dem europäischen Gasmarkt, Händler sahen wenig Anreiz, die Lagerbestände aufzustocken. Grund dafür war eine EU-Vorgabe, wonach die Mitgliedsländer ihre Speicher bis Anfang November zu 90 Prozent gefüllt haben müssen. Diese starre Regel treibe die Preise, warnten Händler. „Wir haben im Vorjahr gemerkt, dass sich die europäischen Speichervorgaben preiserhöhend ausgewirkt haben“, sagt E-Control-Vorstand Alfons Haber zur „Presse“.

Inzwischen sind die strikten Vorgaben aber Geschichte. Die Länder haben nun mehr Zeit, um die Füllquoten zu erreichen. Einen klaren Stichtag gibt es nicht mehr. Österreich war aufgrund seiner enorm großen Speicherkapazität (rund 100 Terawattstunden) ohnedies in einer Sondersituation. Statt die Lagerstätten zu 90 Prozent zu füllen, muss das Land nur 35 Prozent des durchschnittlichen Verbrauchs der vergangenen fünf Jahre vorrätig halten. Seit die Gaspreise im Sommer zu sinken begannen, füllten sich die Speicher in Österreich und im Rest der EU.

Hoffnungsträger Rumänien

Der größte Unterschied zu den vorangegangenen Jahren ist aber der Wechsel der Lieferanten: „Wir haben heute eine ganz andere Versorgungssituation. Deshalb brauchen wir auch nicht so hohe Speicherfüllstände wie früher“, so Haber. Vor vier Jahren lieferte Russland noch 40 Prozent des europäischen Erdgases via Pipeline an den Kontinent. Diese Verbindung ist heute weitgehend gekappt. Im Vorjahr deckte amerikanisches Flüssiggas (LNG) bereits ein Fünftel des europäischen Bedarfs ab. Tendenz stark steigend. Auch im Handelsdeal zwischen der EU und den USA ist eine deutliche Ausweitung der LNG-Lieferungen vorgesehen.

Was die Versorgungslage auf den ersten Blick entspannt, berge aber auch Gefahren in sich, warnt der Regulator: „Europa hat seine Abhängigkeit nach Amerika verlagert.“ Komme die für 2026 und 2027 versprochene Ausweitung der LNG-Exportmengen in den USA nicht, würde das auch die Preise in Europa entsprechend nach oben ziehen.

In Europa und Österreich mehren sich deshalb auch Stimmen, die nach einer verstärkten Produktion auf dem Kontinent rufen. 1970 deckte die österreichische Produktion von Erdgas noch zwei Drittel des Inlandsverbrauchs. Heute werde nur noch ein Fünftel der Mengen von damals gefördert, schreibt das Energiewissenschaftliche Institut. In Europa ist der Trend ähnlich. Größter Hoffnungsträger für europäische Gasmengen ist das Projekt „Neptun Deep“ im Schwarzen Meer. Dort sollen rund 100 Milliarden Kubikmeter Erdgas lagern. Schafft es die heimische OMV, den geplanten Produktionsstart im Jahr 2027 einzuhalten, steigt Rumänien dadurch schlagartig zum größten Gasproduzenten der EU auf.

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