© Adobe Stock© Adobe StockBrüssel (Belgien) – Europa kommt beim Ausbau der Windenergie nicht schnell genug voran. Laut Wind Europe wurden im ersten Halbjahr 2025 deutlich weniger neue Kapazitäten installiert als erwartet. Damit rückt das Erreichen der europäischen Klima- und Energieziele für 2030 zunehmend in Gefahr. Auch für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit rechnet der Verband mit Auswirkungen.

Während Deutschland beim Ausbau der Windenergie derzeit Tempo macht, stagniert der Fortschritt in den meisten anderen EU-Staaten. Genehmigungsprozesse dauern vielerorts zu lange, der Netzausbau hinkt hinterher. Wind Europe warnt: Wenn die Regierungen nicht rasch handeln, drohen Wettbewerbsnachteile für zentrale Industriebranchen.

Deutschland zieht an – Europa bleibt zurück

Mit 6,8 Gigawatt (GW) neu installierter Windkraftleistung im ersten Halbjahr 2025 bleibt Europa deutlich hinter den Erwartungen zurück. Innerhalb der EU wurden 5,3 GW zugebaut, der Großteil (89 Prozent) davon an Land. Das Ziel der Europäischen Union, bis 2030 insgesamt 425 GW Windenergiekapazität zu erreichen, gerät damit außer Reichweite. Wind Europe rechnet aktuell nur noch mit 344 GW, was einer Differenz von über 80 GW entspricht.

Einen Kontrast zum EU-weiten Trend bildet aktuell Deutschland. Mit einer neu in Betrieb genommenen Windenergieleistung von 2.200 MW im ersten Halbjahr 2025 führt Deutschland deutlich vor Spanien, UK (760 MW) und der Türkei (593 MW). Zudem wurden in Deutschland allein im ersten Halbjahr neue Onshore-Projekte mit einer Leistung von 8.000 MW (8 GW) genehmigt. Der Grund: Deutschland hat als erstes EU-Land die REDIII-Vorgaben konsequent umgesetzt. Die Genehmigungsdauer beträgt im Schnitt 18 Monate – im EU-Vergleich ein Spitzenwert.

Die meisten anderen EU-Länder schneiden bei der Genehmigung deutlich schlechter ab. Keines der übrigen 26 Länder erreicht die REDIII-Vorgabe von maximal 24 Monaten für Genehmigungen. In mehreren Fällen verschlechtert sich die Lage sogar. Die Einführung sogenannter Beschleunigungsgebiete trägt mancherorts eher zu mehr Unsicherheit bei als zur Vereinfachung.

„Die Regierungen müssen beim Thema Windenergie endlich ihren Job machen“, mahnt Giles Dickson, CEO von Wind Europe. Wind sei wettbewerbsfähig, senke Stromkosten und stärke die Versorgungssicherheit. Doch ohne schnellere Genehmigungen bleibe der Ausbau unzureichend.

Rückläufige Ausbauprognosen trotz Investitionsdynamik

Die Jahresprognose für 2025 musste Wind Europe deutlich nach unten korrigieren: Statt der ursprünglich erwarteten 22,5 GW an neuen Windkraftkapazitäten rechnet der Verband nur noch mit 19 GW – für die EU reduziert sich die Erwartung von 17 GW auf 14,5 GW.

Hauptgründe bleiben laut Wind Europe neben der Genehmigungslage auch ein zu langsamer Netzausbau, schleppende Elektrifizierungsprozesse sowie unvorteilhaft gestaltete Ausschreibungsdesigns. Diese strukturellen Hemmnisse gefährden zunehmend die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Industrien. „Weniger neue Windenergie ist eine schlechte Nachricht für Europas Wettbewerbsfähigkeit insgesamt“, so Dickson. Branchen wie Stahl, Chemie und IT seien auf günstigen Strom angewiesen – andernfalls verliere Europa den Anschluss an Märkte wie China oder die USA.

Positiv: Windenergie-Investitionen und Turbinenbestellungen ziehen an

Trotz der unter den Erwartungen liegenden Neuinstallationen sieht Wind Europe allerdings auch positive Signale: Investitionen und Turbinenbestellungen ziehen an. Im ersten Halbjahr 2025 wurden Final Investment Decisions (FIDs) im Umfang von 34 Milliarden Euro getroffen – mehr als im gesamten Jahr 2024. Diese sollen 14 GW neue Kapazität ermöglichen. Von den 34 Milliarden Euro gehen 22?Milliarden Euro in die Offshore-Windenergie – in sechs neue Projekte, davon drei in Polen, darunter die größte private Investition in der Geschichte Polens.

Zudem verzeichnete Europa 11,3 GW an fest bestellten Windturbinen – ein Plus von 19 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Davon entfielen 8,8 GW auf Windkraft an Land und 2,5 GW auf Offshore-Windanlagen.

Fazit: Europa braucht strukturelle Reformen – und politische Entschlossenheit

Der schleppende Ausbau der Windenergie droht zum Standortnachteil für Europa zu werden. Während Deutschland zeigt, dass Reformen funktionieren, bleibt der Fortschritt in weiten Teilen der EU aus. Ohne strukturelle Verbesserungen bei Genehmigungen, Netzen und Ausschreibungen gerät die industrielle Wettbewerbsfähigkeit unter Druck.

© IWR, 2025

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