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Gießen hat er stets im Blick: Das neue Buch mit gesammelten Anzeiger-Kolumnen sowie Zeichnungen von Andreas Eikenroth. Fotos: Gießen Marketing GmbH, Müller © Gießen Marketing GmbH, Müller
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »lokal.regional« stellte Andreas Eikenroth in der Stadtbibliothek sein Buch »Stadt, Land, Stuss – Geschichten über Gießen, Hessen und den Rest der Welt« vor.
Gießen. Ein voller Saal, gespannte Zuhörer und ein Autor, der sein Publikum nicht nur zum Schmunzeln, sondern auch immer wieder zum Lachen brachte: Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »lokal.regional« stellte Andreas Eikenroth in der Stadtbibliothek Gießen sein neues Buch »Stadt, Land, Stuss – Geschichten über Gießen, Hessen und den Rest der Welt« vor. Die Lesung war zugleich Premiere des frisch erschienenen Bandes – und sie zeigte, wie viel Witz, Fantasie und Beobachtungsgabe in den Kolumnen des gebürtigen Gießeners steckt.
Seit über zwanzig Jahren schreibt Eikenroth regelmäßig für den Gießener Anzeiger. Rund 2000 Kolumnen sind in dieser Zeit entstanden, etwa hundert davon widmen sich seiner Heimatstadt und der mittelhessischen Region. Für »Stadt, Land, Stuss« hat er die schrägsten, lustigsten und interessantesten seiner Texte ausgewählt, überarbeitet und eigenhändig illustriert. Ergänzt wird das Ganze durch seine unverwechselbaren Comic-Zeichnungen, die bei der Lesung per Beamer eingeblendet wurden – ein visuelles i-Tüpfelchen zu den pointierten Geschichten.
Natürlich blieb der Autor inhaltlich seiner Heimatstadt treu. Gleich mehrere Geschichten drehten sich um Gießen, dessen Besonderheiten und Eigenheiten er mit spitzer Feder und liebevoll-ironischem Unterton aufs Korn nahm. So erinnerte er etwa an den längst vergessenen Slogan »In Gießen gibt’s alles« und fragte sich augenzwinkernd, womit Mittelhessen heute eigentlich wirbt. Mit einem Seitenblick auf Wetzlar (»Heute Wetzlar, morgen Rio«) oder Herborn (»So bunt wie das Leben«) machte er klar: Manchmal ist der Werbeeinfall kreativer als die Realität – und die Mittelhessen täten vielleicht gut daran, den Spruch »Wir können alles außer Hochdeutsch« zu übernehmen, wenn er nicht schon anderweitig vergeben wäre.
Ein anderes Mal ging es um den Nachnamen »Goethe«. Zum Glück, so der Autor, habe der Dichterfürst nicht Müller oder Meyer geheißen – sonst müssten sich unzählige Nachfahren bis heute mit lästigen Verwandtschaftsfragen herumschlagen. Auch über das Gießener Stadtwappen machte sich der Autor seine Gedanken: Statt des Löwen, der weder heimisch noch sonderlich aktiv sei, schlug er eine lokale Version vor – mit Elefant (als Anspielung auf das »Elefantenklo«), Dackel und Ameise. »Ein Elefant macht was her, gilt als geduldig, stark und intelligent«, resümierte Eikenroth und erntete zustimmendes Gelächter.
Wie breit das Spektrum seiner Geschichten ist, zeigte sich im weiteren Verlauf. Mal ließ er die Zuhörer über die Eigenarten der mittelhessischen Sprache schmunzeln – »geröntgt« wird hierzulande schließlich eher zu »geröntscht«. In »Schirmherrschaft« kombinierte Eikenroth Zahlenwitz mit absurdem Szenario: 75 000 in den Londoner U-Bahn-Stationen verlorene Regenschirme entsprechen etwa der Einwohnerzahl Gießens im Jahr 2008. »Stellt euch vor, alle Gießener würden eine Klassenfahrt nach London machen – dann könnte jeder einen Schirm aus dem dortigen Fundbüro umsonst mitnehmen«, witzelte er.
Besonders gelungen war sein Beitrag, mit dem er sich auf das alljährlich stattfindende Krimi-Festival bezog. Dafür erschuf der Künstler eine eigene Gattung: Den regional-lyrisch-hessischen Kurz-Krimi. Das klang dann so: »Die Schwätzer lieje bös gemeuchelt, blutig uff de Pflastersteen. Un der Schlammbeiser is flüchtig. Kerl, der steht doch ganz gewiss schon inner dunkle, stille Ecke. Un will Unschuldige meucheln – so eener, der hat Dreck am Stecke!«
Für ein weiteres Highlight des Abends sorgte Eikenroths Büttenrede, bei der er das Publikum kurzerhand einband. Immer wenn er den Arm hob, erschallte im Saal das typische »Da-Da« im rheinischen Tonfall. In Reimform erklärte er, warum der Fasching an der Lahn doch ein wenig anders tickt als am Rhein: »Wir sind ja nicht im Rheinland hier, statt Kölsch gibt es bei uns richtiges Bier. Das ist hier Fasching an der Lahn, Motivwagen tun kaum mitfahren. Auch tun wir uns hier nicht verkleiden, das können wir nämlich nicht leiden.«
Eikenroths Lesung bot genau das, was auch sein Buch verspricht: eine kurzweilige, humorvolle Reise durch den mittelhessischen Alltag, gespickt mit Sprachwitz, überraschenden Gedankensprüngen und liebevoll gezeichneten Comicbildern. Dabei blieb es nie bei reinen Scherzen – immer wieder blitzte durch, dass der Autor ein scharfes Auge für seine Heimat hat und gleichzeitig den Blick weit über Mittelhessen hinaus richtet.
Das neue Buch mt Kolumnen von Andreas Eikenroth ist für 14,90 Euro in der Tourist-Information Gießen erhältlich. Erschienen ist »Stadt, Land, Stuss« im Wartbergverlag. Die Tourist-Information ist montags bis freitags von 10 bis 18 sowie samstags von 10 bis 14 Uhr geöffnet. (red)
Andreas Eikenroth © Felix Müller