Apfelbäume wachsen auf dem Marktplatz in Halle (Saale) zwar nicht. Aber die Käufer wohnen hier. Grund genug für Sachsen-Anhalts Obstbauverband, „direkt zu den Kunden in die Stadt zu kommen“, wie es Verbands-Präsident Jörg Geithel sagte.
Diese Woche beginnt in Sachsen-Anhalt die Apfelernte – und mit ihr präsentiert sich die heimische Obstwirtschaft mitten im Herzen von Halle, in der Saalestadt fiel der symbolische offizielle Startschuss für die Apfelernte. Am Mittwoch zeigten regionale Betriebe auf dem Marktplatz ihre Produkte. Neben beliebten Klassikern wie Elstar und Gala waren auch alte und besondere Sorten wie „Geheimrat Dr. Oldenburg“, „Dülmener Herbstrosenapfel“, Alkmene, Rote Gravensteiner oder McIntosh Rogers vertreten. Alle Sorten konnten verkostet oder auch käuflich erworben werden. Doch nicht nur frisches Obst wurde angeboten – auch Chutneys, Säfte, Apfelmark, Gin sowie andere regionale Früchte wie Pflaumen und Birnen standen im Sortiment.
Halles Bürgermeister Egbert Geier lobte die Aktion: „Eine hervorragende Idee“, fand er es, die Eröffnung auf dem halleschen Marktplatz stattfinden zu lassen. „Denn hier sind die Endabnehmer.“ Der Apfel sei ein wichtiges, gesundheitsförderndes Produkt. Geier appellierte an die Bürger, regionale Produkte zu kaufen: „Da wissen Sie, was Sie haben. Da haben Sie Qualität und da brauchts auch keine langen Transportwege.“
Herausfordernde Zeiten für Obstbauern – Frost, Bürokratie und Preisdruck
Trotz der aktuellen Freude über eine erfolgreiche Ernte blickt der Obstbauverband mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. „Man blicke verhalten, aber optimistisch in die Zukunft“, so Geithel. Denn das Jahr 2024 sei ein Katastrophenjahr für die Obstbauern in Sachsen-Anhalt gewesen. Durch Fröste im April sei die Ernte zu 90 Prozent vernichtet worden. „Dadurch habe man vor sehr schwierigen Situationen.“ Geithel bedankte sich bei der Landesregierung, die kurzfristig finanzielle Hilfen ermöglichte. Die Förderung der Mehrgefahrenversicherung sei der richtige Weg: „Wir brauchen Hilfe zur Selbsthilfe.“ Zwar lobte er die gute Zusammenarbeit mit dem Land, doch warnte: „Aber die Probleme werden nicht weniger.“
Landwirtschaftsminister Sven Schulze teilte diese Einschätzung. Er habe Sorge vor noch einem Frostjahr gehabt – eine erneute Hilfe in der Höhe des Vorjahres wäre nicht mehr möglich gewesen. 2024 stellte das Land 5 Millionen Euro bereit. Auch Schulze befürwortete die Unterstützung durch die Mehrgefahrenversicherung, mit der man bereits im Weinbau gute Erfahrungen gemacht habe. „Und wir wollen ja, dass es weiterhin Obst aus Sachsen-Anhalt gibt.“ Besonders problematisch seien Ernteausfälle, weil sie die einzige Einnahmequelle des ganzen Jahres betreffen. Schulze betonte, dass die Preise auf den Höfen nicht höher seien als im Supermarkt. „Aber schmeckt besser.“ Deshalb sei der direkte Einkauf bei den Erzeugern der beste Weg, um die heimische Landwirtschaft zu unterstützen.
Kritik an Mindestlohnregelung und Pflanzenschutz-Vorgaben
Unterstützt wurde die Veranstaltung auch politisch: Die Bundestagsabgeordneten Dieter Stier und Anna Aeikens, beide im Landwirtschaftsausschuss tätig, nahmen teil. „Für uns wichtige Ansprechpartner“, so Schulze. In diesem Zusammenhang sprach er auch das Thema Mindestlohn für Erntehelfer an. Eine Ausnahme habe er in die Koalitionsverhandlungen eingebracht – jedoch ohne Erfolg. Es gehe nicht darum, Menschen mit ohnehin geringem Einkommen etwas zu nehmen. Aber durch steigende Löhne würden heimische Produkte teurer, was den Absatz erschwere. „Wir wollten den Wettbewerb stärken.“ Es helfe nicht, den Mindestlohn zu erhöhen, wenn die Produkte dann nicht mehr wettbewerbsfähig seien. „Es helfe in keinster Weise, dass beispielsweise Äpfel aus Griechenland und der Türkei im Supermarkt billiger sind als die Äpfel aus Deutschland.“ Dabei würden in der Ernte meist ausländische Arbeitskräfte eingesetzt, die ohnehin Ausnahmen bei den Lohnnebenkosten haben.
Auch der europäische Blick zeigt Herausforderungen: Für 2025 wird in Europa eine Apfelernte von 10,4 Millionen Tonnen erwartet – etwas weniger als der Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Gründe dafür sind unter anderem Flächenreduzierungen und Frostschäden, besonders in Polen und anderen osteuropäischen Ländern. Die Birnenernte steigt hingegen leicht auf 1,8 Millionen Tonnen. Deutschland ist mit 1 Million Tonnen Äpfeln und 44.000 Tonnen Birnen vertreten. In Sachsen-Anhalt werden dieses Jahr 12.300 Tonnen Äpfel und 200 Tonnen Birnen erwartet – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2024 mit nur 2.000 Tonnen Äpfeln und 160 Tonnen Birnen.
Sorgen einer Obstbäuerin
Obstbäuerin Elisabeth Schwitzky sprach von einem guten Jahr für Sachsen-Anhalt. Zwar habe es einzelne Frost- und Hagelereignisse gegeben, ebenso wie Trockenheit und Hitze im Juli und Anfang August. Doch der kräftige Sonnenschein habe nur vereinzelt zu Sonnenbrand auf den Äpfeln geführt. Die aktuelle Witterung mit Regen und kühleren Nächten sei hingegen ideal: „Perfekt für die Ausfärbung der Äpfel, die werden dann schön rot und der Geschmack ist dadurch gut.“ Der Pro-Kopf-Verbrauch von Äpfeln liege bei 20 Kilogramm im Jahr.
Trotz guter Ernte bleibt der Kostendruck hoch, betonte Schwitzky. Steigende Preise für Energie, Betriebsmittel und Löhne seien eine Belastung. „Es sei nicht so, dass man diese nicht richtig bezahlen will. Aber man wolle fair im Wettbewerb stehen.“ Festangestellte erhielten Löhne über dem Mindestlohn. „Es geht ausschließlich um Saisonarbeitskräfte, die ihren Lebensmittelpunkt nicht in Deutschland haben.“ Kritik übte sie an den strengen deutschen Vorschriften zu Pflanzenschutzmitteln. Deutschland habe weniger Mittel zur Verfügung als andere europäische Länder. Doch man sei darauf angewiesen, um schädlingsfreies Obst zu produzieren. Auch die Bürokratie belaste die Betriebe. „Eine einfachere Gestaltung mit mehr Digitalisierung sei nötig.“
Blütenkönigin wirbt für Obst und Gesundheit
Ein besonderes Highlight der Veranstaltung war der Auftritt der aktuellen Blütenkönigin Alida I., Pharmazie-Studentin in Halle. Sie schnitt gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Sven Schulze den Apfelkuchen an. „Wer in Halle studiert, kommt an dem Namen Julius Kühn nicht vorbei“, sagte sie. Kühn habe den Obstbau auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt. Seine Forschung zu widerstandsfähigen Obstsorten sei angesichts des Klimawandels heute aktueller denn je. Alida I. erinnerte an die gesundheitlichen Vorteile des Apfels: „Hinter dem Spruch ‘An apple a day keeps the doctor away’ stecke mehr als nur eine Redewendung.“ Äpfel enthalten wertvolles Vitamin C, Mineralstoffe wie Kalium und Magnesium, wichtig für Herz und Kreislauf, und den Ballaststoff Pektin, der die Verdauung unterstützt. „Wer einen Apfel isst, tut seinem Darm und seinem Herz-Kreislauf etwas Gutes.“