Als er vor zweieinhalb Monaten frei kam, sah er aus wie sein eigener Großvater. Olexandr Schestowski kam schon kurz nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine in Gefangenschaft. Er war einer der Verteidiger von Mariupol. Als die Stadt am Asowschen Meer abgeriegelt und zerbombt wurde, geriet auch er in die Hände der Russen – und damit in den Folter-Horror ihrer Kriegsgefangenenlager.

Drei Jahre später, am 14. Juni 2025, wird er endlich ausgetauscht. Vor seiner Gefangennahme wog Olexandr 103 Kilogramm und war 187 Zentimeter groß. In der Gefangenschaft verlor er 50 Kilogramm und 7 Zentimeter. Er ging gebeugt, seine Haare waren grau, er sah aus wie 20 Jahre gealtert.

Olexandr und seine Olena kann nichts mehr trennen

Olexandr und seine Olena kann nichts mehr trennen

Foto: privat

Seine Lebensgefährtin Olena erkannte ihn nicht mehr. „Hätten wir nicht telefoniert und hätte er nicht gesagt, dass er nach dem Verlassen des Krankenhauses in meinen Garten kommen würde, hätte ich ihn nie erkannt“, erzählte sie dem ukrainischen Medium „hromadske“. „Aber er kam näher, wir umarmten uns – ich sehe, dass es seine Lippen, seine Nase und seine grauen Augen sind.“

Die beiden vor dem Krieg

Die beiden vor dem Krieg

Foto: X/olddog100ua

Antrag mit Gitarre

Doch seine grauenhafte Geschichte hat jetzt ein Happy End: Olexandr hat seine Olena geheiratet, wie sie glücklich berichtet. Er machte ihr einen Antrag mit einem selbstgeschriebenen Gedicht, das er vertonte und mit einer Gitarre vortrug. Ein paar Tage später gingen sie zusammen Eheringe kaufen und heirateten am 30. August. Ohne Zeugen, ohne Freunde und Familie – nur die Beiden, die drei Jahre umeinander bangen mussten.

Sie haben sich das Ja-Wort gegeben und wollen sich nicht mehr trennen

Sie haben sich das Ja-Wort gegeben und wollen sich nicht mehr trennen

Foto: privat

Olena beschreibt es als eine angenehme Zeremonie. Wie es weitergehen soll, wissen sie noch nicht. Erst einmal muss Olexandr wieder fit werden. Er sieht zwar schon wesentlich besser aus, das Grau aus seinem Gesicht und die Hungerfurchen sind verschwunden und er hat auch schon wieder zugenommen. Aber: „Er muss noch stärker werden, denn er läuft sehr, sehr schwer: Seine Beine sind geschwollen. Er ist schwach“, so Olena.

Was ihm in der Gefangenschaft alles passiert ist – darüber möchte Olexandr nicht reden. Er will alles wie einen schlechten Traum ganz schnell vergessen. „Er sagte einmal, dass die Gefangenschaft junge Menschen bricht, weil sie verletzlicher sind, was bei über 45-Jährigen fast nicht der Fall ist“, erzählt Olena. „Er wiederholt gerne, dass er einen Rucksack mit Ziegelsteinen auf dem Rücken hat – Lebenserfahrung.“

Jetzt wohnen sie in einer kleinen Wohnung in Kiew, Olexandr hat um seine Entlassung aus der Armee gebeten und wie es weitergeht, werden sie sehen.