Beginnen wir mit dem Positiven: Bei den diesjährigen Filmfestspielen von Venedig konnte kein Film mit einer schillernderen Besetzung aufwarten als „In The Hand Of Dante“. Im jüngsten Film von Julian Schnabel („Schmetterling und Taucherglocke“) tummeln sich Oscar Isaac („Star Wars“), Gerard Butler („300“), John Malkovich („In The Line Of Fire“), Jason Momoa („Aquaman“), Gal Gadot („Wonder Woman“), Regie-Legende Martin Scorsese („Taxi Driver“), Oscar-Preisträger Al Pacino („Der Duft der Frauen“), Original-„Django“ Franco Nero sowie der britische Chamber-Pop-Musiker Benjamin Clementine. Das Adressbuch von Schnabel, der seine Karriere als neo-expressionistischer Maler begann, bevor er 1996 mit dem Künstler-Biopic „Basquiat“ auch unter die Filmemacher ging, ist also gut gefüllt und enthält durchaus unerwartete Namen …

… und auch das filmische Ergebnis, bleiben wir positiv, ist mit „überraschend“ noch unzureichend beschrieben. Zwar befasst sich Schnabel hier mit nichts weniger als Dantes Göttlicher Komödie, einem monumentalen, allenfalls mit Homers „Odyssee“ oder Virgils „Aeneis“ vergleichbarem Werk, das als Grundstein der italienischen Literatursprache gilt und zugleich ein zentrales Welt- und Menschenbild des Mittelalters entwirft. Trotzdem verlässt der Regisseur, der zuletzt Willem Dafoe als Vincent Van Gogh besetzte und ihm damit seine dritte Oscar-Nominierung bescherte, mit Anlauf die sicheren Pfade des Seriösen. Die schlechte Nachricht: Spaß macht daran trotzdem so gut wie nichts.

Oscar Isaac spielt in „In The Hand Of Dante“ nicht nur den New Yorker Schriftsteller Nick, sondern auch den Mittelalter-Dichter Dante Alighieri.

Dreamcrew / Exemplary Films Corporation / Infinitum Nihil

Oscar Isaac spielt in „In The Hand Of Dante“ nicht nur den New Yorker Schriftsteller Nick, sondern auch den Mittelalter-Dichter Dante Alighieri.

Strukturell ist „In The Hand Of Dante“ durchaus ambitioniert, umfasst er doch mindestens zwei Filme: Im schwarz-weißen New York des Jahres 2001 – kurz vor dem verheerenden Terrorangriff auf das World Trade Center – folgt die Handlung dem Schriftsteller Nick Tosches (Oscar Isaac), der von der Mafia den Auftrag erhält, gemeinsam mit dem Auftragskiller Louie (Gerard Butler) ein geheimnisvolles Manuskript zu beschaffen und zu prüfen, bei dem es sich um die ursprüngliche Handschrift der Göttlichen Komödie handeln soll.

Als sich die Zeichen verdichten, dass er wirklich Dantes Originalmanuskript in den Händen hält – ein Dokument von unschätzbarem ideellen, historischen und finanziellen Wert –, nimmt Nick das Werk kurzerhand an sich und tritt, verfolgt von den Schergen des Unterweltbosses Joe Black (John Malkovich), die Flucht nach Sizilien an, wo er bei seiner Geliebten Giulietta (so schlecht wie nie: Gal Gadot) Unterschlupf findet.

Kein zweiter „Megalopolis“

Parallel dazu erzählt Schnabel – nun in Farbe und statt im Widescreen-Format im engeren 4:3-Seitenverhältnis – von Dichter Dante Alighieri (ebenfalls Isaac) selbst, der im 14. Jahrhundert mit einer Schaffenskrise ringt und Zwiegespräche mit seinem Mentor Isaiah (Martin Scorsese) führt. Auch Gal Gadot tritt hier in einer zweiten Rolle als Dantes Ehefrau Gemma Donati auf – und Butler, immerhin das ist ein guter Witz, spielt Papst Bonifatius, Dantes Gegenspieler, der ihn politisch bedroht und letztlich für sein Exil aus Florenz verantwortlich sein wird. Beide Ebenen – filmische Gegenwart und Mittelalter – werden wiederum von allerlei Rückblenden, Exkursen und Nebensträngen unterbrochen.

Man muss „In The Hand Of Dante“ gesehen haben, um ihn zu glauben – wohl auch deshalb wird er bereits mit Francis Ford Coppolas kommerziell (und für viele auch künstlerisch) gescheitertem Passionsprojekt „Megalopolis“ verglichen. Doch zwischen den beiden Filmen liegen Welten. Coppola war sichtlich getrieben von einer Vision, einer Idee, vom Glauben an etwas, so erratisch das Resultat auch ausgefallen sein mag (in den Augen des Autors dieser Zeilen ist das in diesem Fall eine Qualität). „In The Hand Of Dante“ dagegen wirkt wie der Versuch, absichtlich einen film maudit zu schaffen, also einen „verfluchten Film“, der bei seinem Erscheinen verrissen, aber später von Cinephilen als missverstanden wiederentdeckt wird. Ob es am Ende dazu kommt, kann nur die Zeit zeigen …

Pseudo-Tarantino trifft Historytainment

… bis dahin muss man davon ausgehen, dass es Schnabel auf genau diese Rezeptionsgeschichte angelegt hat. Er ist als Künstler schlicht zu etabliert – und als Filmemacher zu sehr im sogenannten Qualitäts-Arthouse beheimatet –, um aus heiterem Himmel einen Film zu drehen, der sich an der Grenze zur Unzurechnungsfähigkeit bewegt. Warum sonst sollte er sich dazu entschieden haben, die filmische Gegenwartsebene als infantilste Variante ausgestorben geglaubten Post-Tarantino-Gangsterkinos anzulegen – mit einem blondierten, optisch wohl nicht ganz zufällig hin und wieder an den unlängst verstorbenen Michael Madsen („Reservoir Dogs“) erinnernden Killer, der ohne mit der Wimper zu zucken ein Massaker in einer Bibliothek begeht, dabei sogar den Hund erschießt und anschließend über Kotbeutel doziert?

Und warum sonst sollte er diese wirklich in jeder Hinsicht hängen gebliebene Monstrosität – die spätestens beim Auftritt von Jason Momoa als folternder Mafia-Handlanger endgültig in kalkulierte Selbstvertrashung übergleitet – sonst parallelisieren mit einer Mischung aus literaturwissenschaftlichem Proseminar und blassem Historytainment? Keinen dieser beiden Filme, die Schnabel weniger miteinander verschraubt als sie unförmig nebeneinanderzustellen, möchte man eigentlich sehen müssen, erst recht nicht ausgewalzt auf sich eher noch länger anfühlende 160 Minuten. Auf dem Sitz hinter mir ist ein Mann nach zwei Minuten eingeschlafen und hat den gesamten Film durchgeschnarcht. Auch wenn dann dieser Text nicht entstanden wäre: Ich hätte gern mit ihm getauscht.

Fazit: Julian Schnabel verknüpft mit „In The Hand Of Dante“ didaktisch-sakrales Historienkino und Möchtegern-Tarantino – und beweist, dass es nicht unbedingt eine Qualität sein muss, nach dem Ende des Films noch nicht so recht einordnen zu können, was man da eigentlich gesehen hat.

Wir haben „In The Hand Of Dante“ beim Venedig Filmfestival 2025 gesehen, wo er außer Konkurrenz seine Weltpremiere gefeiert hat.