Die Bundesregierung senkt die Steuern und Abgaben auf Energie. Doch das reicht nicht, um den Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen. Die Wirtschaft hat daher einen Plan entwickelt, um die Energiekosten nachhaltig zu senken.

Die Energiewende hat die Strompreise in Deutschland in luftige Höhen getrieben. Die Energiewende hat die Strompreise in Deutschland in luftige Höhen getrieben.

Daniel Kubirski / imago

In kaum einem anderen Industrieland der Welt ist Energie so teuer wie in Deutschland. Die Energiewende hat die Preise für Strom und Gas in den vergangenen Jahren massiv in die Höhe getrieben. Viele Unternehmen haben ihre Produktion deshalb zurückgefahren oder investieren verstärkt im Ausland, wie der Chemiegigant BASF.

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Um den Exodus zu stoppen, hat die Bundesregierung an diesem Mittwoch beschlossen, die Stromsteuer für das produzierende Gewerbe und die Landwirtschaft dauerhaft auf das EU-Mindestniveau zu senken. Das soll die Unternehmen mittelfristig um 3 Milliarden Euro pro Jahr entlasten. Zudem beschloss die Regierung, die Stromkosten durch staatliche Zuschüsse zu den Netzentgelten zu senken. Diese sind Bestandteil des Strompreises. Das Entlastungsvolumen hieraus taxiert die Regierung auf 6,5 Milliarden Euro jährlich. Allerdings werden die Zuschüsse aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert, der sich durch die Steuer auf Kohlendioxidemissionen finanziert und auf diese Weise fossile Energieträger verteuert.

Ausserdem soll die Gasspeicherumlage (3,4 Milliarden Euro pro Jahr) künftig entfallen. Die Vorgängerregierung hatte diese Abgabe nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs 2022 eingeführt, um die Gasspeicher rasch zu füllen.

Energiewende kostet mehr als 5 Billionen Euro

Ob die von der Bundesregierung beschlossenen Massnahmen reichen, um Deutschland bei den Energiekosten international wieder wettbewerbsfähig zu machen, ist allerdings fraglich. Das zeigt eine Studie des Wirtschaftsberatungsunternehmens Frontier Economics im Auftrag der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK) zur Energiewende, die an diesem Mittwoch veröffentlicht wurde.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Energiewende Bürger und Unternehmen in den nächsten 25 Jahren weitere 4,8 bis 5,5 Billionen Euro kosten werde, falls es zu keiner durchgreifenden Wende in der Energiepolitik kommt. Diese müsste über die von der Bundesregierung beschlossenen Massnahmen hinausgehen.

Mit der gegenwärtigen Energiepolitik, die auf enge zeitliche Zielvorgaben für die Dekarbonisierung, Steuern auf fossile Energieträger sowie kleinteilige Förderung erneuerbarer Energieträger setzt, sei die angestrebte Energiewende «nicht zu stemmen», sagte der DIHK-Präsident Peter Adrian.

Unternehmen fliehen ins Ausland

Die gesamten privaten Investitionen, die sich im vergangenen Jahr auf 770 Milliarden Euro beliefen, müssten zur Umsetzung der Energiewende um bis zu 41 Prozent zulegen. Weil den Investitionen meist kein direkter Ertrag gegenübersteht, müssten sie durch Mittel an anderer Stelle finanziert werden. Die Belastung von Unternehmen und Bürgern habe dadurch ein Niveau erreicht, das den Wirtschaftsstandort, den Wohlstand und die Akzeptanz der Energiewende gefährde, sagte Adrian.

Laut der DIHK-Studie entfallen von den künftig zu erwartenden Kosten der Energiewende in Höhe von 5,5 Billionen Euro 2,0 bis 2,3 Billionen Euro auf den Import von Energie aus dem Ausland. 1,2 Billionen Euro fallen für den Bau und den Betrieb von Netzen an. Investitionen in die Energieerzeugung verursachen weitere Kosten von zwischen 1,1 und 1,5 Billionen Euro. Dazu kommen noch Bürokratiekosten durch staatliche Reglementierungen von jährlich rund 10 Milliarden Euro allein auf der Bundesebene.

Der mit der bisherigen Energiepolitik verbundene Transformationsdruck in Form unrealistischer Vorgaben führe zu «extrem hohen und weiter steigenden Kosten, Fehlallokationen und Ineffizienzen», meinte Adrian warnend. Immer mehr Unternehmen zögen die Konsequenzen und verlagerten ihre Produktion und damit Arbeitsplätze ins Ausland. Setze die Bundesregierung den bisherigen Weg in der Energiepolitik fort, gefährde sie nicht nur den Wirtschaftsstandort Deutschland, sondern erweise darüber hinaus dem Ziel der Klimaneutralität «einen Bärendienst».

Keine klimapolitischen Alleingänge mehr

In der DIHK-Studie wird deshalb vorgeschlagen, in der Energiepolitik einen anderen Weg einzuschlagen. Dieser sieht im Kern vor, das bestehende EU-Emissionshandelssystem (ETS) zu einem umfassenden System auszubauen, das alle Sektoren umfasst. Statt jedoch ein starres Budget für die Menge handelbarer Zertifikate vorzugeben, sollte das Budget regelmässig an die Entwicklungen in anderen Ländern angepasst werden.

So könnte eine Orientierung lauten, dass Deutschland maximal so viel Emissionen reduziert wie die G-20-Länder plus X Prozent. Auf diese Weise liesse sich das Klima schützen, «ohne durch strukturelle Alleingänge Nachteile für den Standort Deutschland zu erzeugen», heisst es in der Studie.

Statt den technologischen Entwicklungspfad vorzuzeichnen und einzelne Technologien zu subventionieren, sollte die Bundesregierung künftig auf den Technologiewettbewerb setzen und die bestehende Förderkulisse für erneuerbare Energien schrittweise zurückfahren.

Neue Heizungen erst, wenn es sich rechnet

Durch eine systemische Neuausrichtung der Energiepolitik liessen sich die Kosten der Energiewende in den nächsten 25 Jahren um mindestens 530 bis 910 Milliarden Euro senken, schreiben die Autoren. Das entspricht einer Ersparnis von 11 bis 17 Prozent.

Um die Kosten kurzfristig zu senken, schlägt die DIHK zudem vor, die Stromsteuer auch für die Unternehmen jenseits des produzierenden Gewerbes auf das EU-Minimum zu senken. Zudem fordert der Verband, das Energieeffizienzgesetz abzuschaffen, das die Unternehmen zu bürokratischem Energiemanagement und umfangreichen Dokumentationen zwingt. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung das Gebäudeenergiegesetz (Heizungsgesetz) radikal vereinfachen. Alte Heizungen sollten erst durch neue ersetzt werden, «wenn es sich rechnet», so die Industrie- und Handelskammer.