Stand: 04.09.2025 05:53 Uhr

Der Fall birgt politischen Zündstoff: Eine 16-Jährige stirbt am Bahnhof Friedland. Tatverdächtig ist ein abgelehnter Asylbewerber. Warum war er nicht in Abschiebehaft? Heute will die Landesregierung über den Fall informieren.

von Torben Hildebrandt

Im Fall der verstorbenen 16-Jährigen in Friedland erhöht die Opposition in Niedersachsen den Druck. „Es ist absolut unwürdig, wie die rot-grüne Landesregierung bei diesem tragischen Fall die Verantwortung von Behörde zu Behörde schiebt“, sagte Carina Hermann, parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion dem NDR Niedersachsen. Hermann vermutet „strukturelle Probleme im Bereich der Landesaufnahmebehörde.“ Hintergrund: Der mutmaßliche Täter ist ein 31-jähriger Mann aus dem Irak, dessen Asylantrag abgelehnt wurde. Fünf Monate später ereignete sich der Vorfall am Bahnhof Friedland.

CDU: Ministerin sollte erklären, was „schiefgelaufen ist“

Nicht nur die CDU hat Fragen, auch die AfD fordert Aufklärung – zum Beispiel, warum sich das Asylverfahren des Irakers so lange hinzog. Vertreter des Innen- und des Justizministeriums werden heute die Landtagsabgeordneten über den Fall informieren. Allerdings werden Innenministerin Daniela Behrens und Justizministerin Kathrin Wahlmann (beide SPD) nicht persönlich kommen, sie schicken Fachleute. CDU-Politikerin Hermann kritisiert das. „Bei einem so tragischen Fall muss sich die Innenministerin verantwortlich zeigen und selbst erklären, was hier schiefgelaufen ist“, sagte Hermann. Ein Sprecher des Innenministeriums entgegnete, der Ablauf werde „ausführlich“ dargelegt.

Ein Foto der toten 16-Jährigen steht mit einer Kerze und einer roten Rose am Bahnhof Friedland.

Der Mann wird verdächtigt, die Jugendliche gegen einen Güterzug gestoßen zu haben. Er befindet sich in der Psychiatrie in Moringen.

Verdächtiger kam nicht in Abschiebehaft – woran lag es?

Die 16-jährige Ukrainerin war Mitte August am Bahnhof in Friedland gestorben. Der als tatverdächtig geltende Mann hält sich seit 2022 in Deutschland auf. Er soll die Jugendliche gegen einen durchfahrenden Güterzug gestoßen haben und sitzt seit dem vergangenen Freitag im Maßregelvollzug. Politische Brisanz hat der Fall aus mehreren Gründen: Der abgelehnte Asylbewerber war ausreisepflichtig – und hätte seit März abgeschoben werden können. Warum ist das nicht geschehen? Die Landesaufnahmebehörde wollte den 31-Jährigen kurz vor der Tat in Friedland in Abschiebehaft nehmen. Das Amtsgericht Hannover lehnte das ab. Es sei nicht ausreichend begründet worden, warum Fluchtgefahr bestehe. Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte dagegen, die Behörde habe den Antrag auf Abschiebehaft „umfassend“ begründet und nach einem Hinweis des Gerichts auch noch einmal nachgebessert – ohne Erfolg.

Warum legte die Behörde keine Beschwerde ein?

Das Amtsgericht Hannover verweist auf die hohen rechtlichen Hürden bei der Frage, ob jemand in Abschiebehaft kommt. Laut Amtsgericht habe die Begründung der Behörde an „entscheidenden Stellen“ nicht gereicht – auch nicht, nachdem nachgebessert wurde. War der Antrag auf Abschiebehaft mangelhaft? Was genau steht im Schriftwechsel zwischen der Landesaufnahmebehörde und dem Gericht? Die CDU verlangt, dass der komplette Vorgang heute öffentlich gemacht wird. Außerdem will die Opposition wissen, wieso die Landesaufnahmebehörde das Nein des Amtsgerichts hingenommen hat. „Wenn man mit der Entscheidung nicht zufrieden ist, dann hätte ja von der Landesaufnahmebehörde auch Beschwerde eingelegt werden können“, sagt die CDU-Abgeordnete Hermann.

Tatverdächtiger war schon vorher aufgefallen

Nicht nur die fehlende Beschwerde dürfte heute Thema im Landtagsausschuss sein. Es stellen sich weitere Fragen. So war der Iraker zwischenzeitig vom Radar der Behörden verschwunden. Warum konnte er untertauchen? Und welche Schritte haben die Behörden unternommen, um den Mann im März abzuschieben? Welche Behörden waren überhaupt wann für den Iraker zuständig? Der tödliche Vorfall am Bahnhof Friedland hat eine lange Vorgeschichte. So war der Mann bereits vorher wegen einer Straftat aufgefallen: Wegen Exhibitionismus wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt. Weil er die nicht zahlte, kam er im Juli ersatzweise ins Gefängnis. Nach der mehrwöchigen Haftstrafe folgte eben keine Abschiebehaft – stattdessen kam der 31-Jährige auf freien Fuß. Danach geschah die mutmaßliche Tat in Friedland.

Andreas Friedrichs (SPD), Gemeindebürgermeister Friedland, im Interview mit dem NDR.

Kommunalpolitiker Friedrichs hat mehr als 100 Drohschreiben erhalten. Derweil äußerte sich Innenminister Dobrindt zum Tod der Jugendlichen.

Ein Foto der toten 16-Jährigen steht mit einer Kerze und einer roten Rose am Bahnhof Friedland.

Das Geld soll der Familie für die Beerdigung Mitte September zugute kommen. Die junge Ukrainerin wohnte seit 2022 in Geisleden.

Blumen und Kerzen stehen an einem Bahngebäude.

Gab es ein Versagen von Behörden? Die CDU fordert Aufklärung im Landtag. Der Innenausschuss tagt am Donnerstag.