Sie wirft ihren Hut zum zweiten Mal in den Ring: Die 75-jährige Barbara Laakmann, ein Urgestein der Duisburger Politik, tritt in Duisburg für die Linken als Oberbürgermeisterkandidatin an. Im Interview erklärt die ehemalige Hauptschulleiterin und langjährige Schulpolitikerin, welche Themen bei ihr Priorität haben.

2012, nach der Loveparade und der Abwahl von OB Adolf Sauerland haben Sie schon einmal kandidiert. Was hat Sie motiviert, noch mal anzutreten?

Das Wahlplakat von damals hängt noch im Parteibüro. Damals hatte ich mit knapp 2,5 Prozent ein ganz maues Ergebnis und dachte mir, das muss ich nicht noch mal haben. Aber nach den Zerreiß-Prozessen in der Partei, der Aufspaltung in Linke und Bündnis Sahra Wagenknecht, haben wir gesagt, jetzt müssen wir alle Kräfte in den Kommunalwahlkampf schmeißen. Mit dem Riesenzulauf und dem grandiosen Ergebnis bei den Bundestagswahlen hat ja keiner gerechnet.

Mit welchem Ziel treten Sie an?

Ich möchte ein besseres Ergebnis als damals bekommen, davon gehe ich auch aus. Damals habe ich mit mehr Bekanntheit gerechnet, weil ich noch Schulleiterin war. Aber das hat sich offenbar nicht so ausgewirkt. Dafür habe ich jetzt viele positive Rückmeldungen bekommen.

Barbara Laakmann (Die Linke): „Ich habe einen klaren Blick auf die Menschen in dieser Stadt“

Was hebt Sie von Ihren Kontrahenten ab?

Den anderen Kandidierenden kann ich meine Expertise für Kinder, Jugendliche und Bildung entgegenhalten. Da bin ich die Einzige, das haben die anderen nicht so drauf.

Hilft es, als Akademikerin ein politisches Amt anzustreben?

Eine Oberbürgermeisterin muss keine Volljuristin oder Betriebswirtin sein. Aber es schadet auch nicht. Ich habe einen klaren Blick auf die Menschen in dieser Stadt, insbesondere auf die, die sonst keiner im Blick hat. An der Hauptschule hatte ich Kinder, die sonst keiner haben wollte. Ich hatte Eltern, denen es schlecht ging und die mit ihrem alltäglichen Leben nahezu überfordert waren. Sie haben es verdient, dass jemand sich ihrer annimmt und sagt: Für euch ist hier auch ein Platz. Damit fülle ich eine Lücke, die ansonsten offenbliebe.

Barbara Laakmann von Die Linke bewirbt sich als Oberbürgermeisterin

OB-Kandidatin Barbara Laakmann will alle Menschen in Duisburg in den Blick nehmen.
© FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Wenn Sie auf Ihre Zeit im Rat schauen, worüber ärgern Sie sich anhaltend, wo konnten Sie als Linke nicht genug Einfluss nehmen?

Mich ärgert die Gleichgültigkeit gegenüber jenen, denen es schlecht geht. In einer Ratssitzung habe ich mal gesagt: ‚Ihr habt alle keine Ahnung, was es bedeutet, arm zu sein.‘ Es gibt Familien, die noch nie im Urlaub waren, Kinder, die noch nie das Meer gesehen haben. Manche Politiker haben einen begrenzten Blickwinkel. Aber dass sie unsere Initiativen abgewimmelt haben, ohne sie ernsthaft zu diskutieren, ärgert mich. Wir haben mal einen wunderbaren Antrag vorgelegt zum Thema Gewalt gegen Frauen. Das ist überhaupt nicht diskutiert worden, SPD und CDU haben einfach Nein gesagt und damit war das erledigt. Kürzlich im Schulausschuss wollte die FDP überprüfen lassen, ob das Angebot kostenloser Frühstücke auch auf weiterführende Schulen erweitert werden könnte. Aber der Amtsleiter sagte, er sehe keine Förderkulisse – was für ein Wort. Und CDU und SPD haben dann sofort abgewunken. Wie kaltschnäuzig kann man sein, dass man das noch nicht mal prüfen möchte?

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Kostenloses Frühstück an Duisburgs Schulen bleibt wohl ein Traum.

Dass im Bildungssystem das Geld knapp ist, dürfte Ihnen nicht neu sein.

Ich habe 40 Jahre an Hauptschulen in Duisburg gearbeitet, immer an der Schulform, die eigentlich unerwünscht war. Alle sagten: Gut, dass es euch gibt, dass ihr die Kinder nehmt, die keiner haben will. Aber nie war Geld da, ich habe immer in Gebäuden aus der Gründerzeit gearbeitet.

„Die Green-Gesamtschule führt jetzt Schüler zu Spitzenleistungen“

Was bedeuten ihre Erfahrungen mit den politischen Kontrahenten für die nächste Legislaturperiode? Sehen Sie eine Bereitschaft zu einem konstruktiven Miteinander zum Wohle Duisburgs?

Ich bin zu konstruktiver Zusammenarbeit immer bereit, ich bin auch bereit, Kompromisse einzugehen. Politik ist kein Entweder-oder, man muss aufeinander zugehen. Die Frage ist: Wo verrät man seine Prinzipien?

Gab es in der Vergangenheit Erfolgsmomente, die Ihnen das Gefühl gaben, genau dafür engagiere ich mich als kommunale Politikerin?

Ich bin seit 16 Jahren ununterbrochen im Schulausschuss. In der rot-rot-grünen Kooperation haben wir ein bisschen bewirkt. Ich habe mit daran gedreht, dass die Globus-Gesamtschule eine eigene Oberstufe bekommen hat. Ähnlich war es bei der Umwandlung der Sekundarschule in die Green-Gesamtschule. Da gab es aus Rheinhausen teils heftige Widerstände von den anderen Gesamtschulen. Meine Botschaft an alle war, dass die Schulen die Kinder so annehmen sollen, wie sie sind. Das Konzept der Green führt jetzt zu Spitzenleistungen. Unter den ersten Abiturienten war ein Junge, der sechs Jahre zuvor aus dem Irak kam und kein Wort Deutsch konnte. Er hat hier ein Einser-Abitur gemacht!

Die Linke wollen den Duisburger Zoo schließen

Im Kommunalwahlprogramm der Linken steht, dass sie den Zoo schließen wollen. Damit macht man sich in Duisburg nicht so viele Freunde.

Das ist bei uns auch nicht unumstritten. Aber da haben sich die Tierschützer durchgesetzt. Für mich ist das finanzielle Argument entscheidend, wir haben da schon so viel Geld reingesteckt, das wäre anderswo besser investiert. Ich weiß, dass ganz viele Familien das als ein lohnendes Ausflugsziel begreifen. Aber nicht jede Stadt braucht einen eigenen Tierpark.

Nach der Argumentation sind Ihre Ziele im Kulturbereich nicht so konsequent. Laut Wahlprogramm wollen die Linken die Philharmonie stärken, dem Theater ein eigenes sprechendes Ensemble gönnen. Ketzerisch könnte man sagen: Im Ballungsraum Ruhrgebiet gäbe es dafür Alternativen.

Im Kulturbereich ist das etwas anders.

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Wenn es nach den Linken in Duisburg geht, hätte der Duisburger Zoo keine Zukunft mehr. Ihr Kommunalwahlprogramm widmet sich auch Themen wie Verkehr, Bildung oder Gleichberechtigung.

Warum?

Er ist für die Menschen existenziell. Das zeigt die Geschichte der Ruhrfestspiele. Die Menschen hatten nach dem Krieg vor allem Hunger. Trotzdem haben Theaterleute die Bergarbeiter in den Zug gesteckt, damit sie in Hamburg erste Aufführungen erleben konnten. Das hat mir imponiert. Ich habe es oft genug erlebt: Wenn eine Schulklasse in die Oper geht, dann blühen die Kinder richtig auf, sie sind wochenlang damit beschäftigt, was sie anziehen. Das ist sensationell. Natürlich ist vieles von dem, was im Theater läuft, fern von den Massen. Das Wesen von Kunst ist, dass es auch befremdet. Die Nana auf der Königstraße war auch ewig sehr umstritten, jetzt haben sie alle lieb gewonnen. Oper und Philharmoniker leisten viel zu einem umfassenden Bildungsprozess für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene. Deswegen setze ich andere Akzente.

Laakmann ist der Linken-Frontfrau Heidi Reichinnek „ungeheuer dankbar“

Setzen Sie unter das Wahlprogramm mit vollem Stolz Ihren Namen?

Ja klar, ich habe zwar nicht an allen Teilen mitgewirkt, sondern meinen eigenen Teil geschrieben. Aber unser Programm ist das Ergebnis der Schwarmintelligenz und der Versuch, alle Positionen zusammenzufassen.

Die Linken setzen im Moment nicht nur auf Schwarmintelligenz, sondern auch auf Lichtgestalten. Die Vorsitzende der Linken im Bundestag hat mit ihrem Social-Media-Auftritt für einen regelrechten Hype gesorgt. Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie dankbar sind Sie Heidi Reichinnek?

Ungeheuer dankbar. Vom Typ her agiert sie ähnlich wie ich, sie ist noch ein bisschen temperamentvoller. Diesen Erfolg haben wir verdient, nachdem wir so viel Stress mit anderen Lichtgestalten hatten.

Dem entnehme ich, dass Sie Sahra Wagenknecht keine Träne nachweinen.

Ich bin sehr froh, dass das vorbei ist. Das hätte auch schon früher passieren können.

Barbara Laakmann von Die Linke bewirbt sich als Oberbürgermeisterin

Die Abspaltung vieler Linken-Politiker in das BSW war ein harter Prozess, sagt Barbara Laakmann.
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Weil Wagenknecht so prägend für die Partei war, zugleich aber so polarisierte?

Ja. Ich habe mir das natürlich ohne Spaltung vorgestellt, auch wenn das in der Geschichte der linken Bewegung typisch ist, dass sich Gruppen abspalten. Auf Bundesparteitagen habe ich mich bei Auseinandersetzungen oft gefragt, wo der entscheidende Knackpunkt ist. In Duisburg haben wir mit den Auswirkungen richtig zu kämpfen gehabt. Dass vier von sechs Ratsleuten die Partei verlassen haben, war keine Kleinigkeit. Das hat tiefe Risse gegeben.

Wie dominant sind diese innerparteilichen Konflikte und Kämpfe?

Es kostet viel zu viel Kraft und Zeit. Aber unser Kreisvorstand sagt ganz deutlich, dass er alles tun will, um ein harmonisches Miteinander zu organisieren. Den Unterschied merkt man, auch im Wahlkampf. Auch wenn es noch nicht gelungen ist, alle Plakate aufzuhängen. Aber die Frage ist ja auch, wie viel Geld geben wir dafür aus? Bewirken Plakate irgendwas? Zum Schulanfang haben wir an der Pauluskirche Kindern Butterbrotdosen geschenkt. Das war eine richtig schöne Aktion.

Das waren keine Dosen mit Parteilogo? Die Grünen haben kürzlich eine Kampagne der SPD an einer Schule kritisiert.

Nein, da waren Paw Patrol und solche Sachen drauf.

Laakmann: In einer so bunten Stadt wie Duisburg braucht es mehr Infos in verschiedenen Sprachen

Welchen Effekt soll die Aktion auf die Kommunalwahl haben?

Ob die Eltern überhaupt wahlberechtigt sind, sich auskennen, ist die Frage. Ich hörte, dass Hochfelder Eltern die Wahlbriefe weggeschmissen haben, weil sie nicht wussten, was sie damit tun sollen. Wir haben Wahlmaterial in verschiedenen Sprachen, auf denen unsere Positionen sehr einfach formuliert sind. Das müsste es viel mehr geben. In so einer bunten Stadt wie Duisburg kann man sich nicht zurückziehen und sagen ‚Amtssprache ist Deutsch und wer das nicht kann, der soll gucken, wo er bleibt.‘ Das ist eine falsche Position.

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Eine Position, die durchaus zum letzten Wahlerfolg der AfD beigetragen hat. Besorgt Sie das Erstarken?

Natürlich. Die AfD sitzt im Augenblick mit neun Leuten im Rat der Stadt hinter uns. Mich besorgt, dass das mehr werden könnten. Da bin ich bei Innenminister Reul, der gesagt hat, dass die AfD auf kommunalpolitischer Ebene eigentlich nichts befördert. Die lehnen nur ab.

Können Sie der extremen Rechten was entgegensetzen? Haben Sie das Gefühl, die Linken werden wahrgenommen mit Ihrem Werben für mehr Mitmenschlichkeit?

Zum Teil schon. Es gibt selten Gelegenheit, mit Leuten zu sprechen, die von sich sagen, dass sie rechts wählen wollen. Wir wollen in der Stadt präsent sein, freundlich, aber nicht anbiedernd, das gelang zuletzt beim Demokratiefest in Marxloh.

Fühlen Sie sich als Kommunalpolitikerin auch mal bedroht?

Daran denke ich gar nicht. Ich hatte einmal in den 80er Jahren eine unerfreuliche Begegnung mit der damaligen FAP, das hat mir lange nachgehangen und man riet mir, abends in Hochfeld nicht alleine nach Hause zu gehen. Aber das hat sich schnell gelegt. Seither habe ich dieses Mir-kann-keiner-was-Gefühl. Außerdem bin ich jetzt eine alte Frau. Für mich stehen die Leute in der Straßenbahn auf, da wird keiner übergriffig. Ich hoffe, dass das auch so bleibt.

Sehr stolz auf den Duisburger Bundestagsabgeordneten der Linken

Welche Auswirkungen hat es auf Duisburg, dass die Linken mit Mirze Edis einen eigenen Bundestagsabgeordneten in Berlin haben?

Wir sind sehr stolz auf unseren Abgeordneten. Er zeigt: Es ist alles möglich. Er ist in jungen Jahren mit seinen Eltern hierhergekommen, hat auf dem Hochfelder Markt Äpfel verkauft und ist dann in die Stahlindustrie gegangen. Dass er jetzt Bundestagsabgeordneter ist, erfüllt mich mit großer Zufriedenheit. Er ist oft hier, gut vernetzt in der türkischsprachigen Community, von allen anerkannt. Das tut uns gut.

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Was würden Sie als Oberbürgermeisterin als Erstes machen? Was hat oberste Priorität für Duisburg?

Der Ausbau des Ganztags an den Schulen und die entsprechende Verpflegung. Das hat aus meiner Sicht Priorität. In den letzten zehn Jahren an meiner Schule haben wir eine Ganztagsschule light gemacht. Da haben die Großen mit den Kleinen die Hausaufgaben gemacht und im Hauswirtschaftsunterricht haben wir für alle gekocht. Das waren die tollsten Erfahrungen, die ich je in meinem Lehrerinnenleben gemacht habe.

Was wünschen Sie sich für den Wahlsonntag neben einem besseren Ausgang als 2012?

Ich finde es wichtig, dass ganz viele wählen gehen. Es sieht auch danach aus, es gibt ja schon sehr viele Briefwahleingänge. Insbesondere in den Stadtteilen, in denen nur wenige wählen und die AfD dann einen vergleichsweise hohen Anteil einfahren kann. Es wäre schön, wenn man das verhindern könnte.

Was machen Sie, wenn Sie mal nicht politisch aktiv sind? Eigentlich sind Sie Rentnerin, aber Langeweile haben Sie nicht.

Ich bin viel unterwegs. Aber ich koche auch gern und lese viel, pflege die Kontakte zu meiner Familie. Und nach der Wahl fahre ich ans Meer.