Leipzig/Magdeburg – Im Namen des Volkes: Sachsen-Anhalts Lehrer dürfen ab sofort eine Stunde weniger arbeiten. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die zum 1. April 2023 eingeführte Vorgriffsstunde am Donnerstag kassiert.
Die Richter erklärten die Regelung für unwirksam. Begründung: Sie geht über die Vorgaben im Landesbeamtengesetz hinaus. Betroffen waren alle Lehrkräfte – unabhängig davon, ob Voll- oder Teilzeit, angestellt oder verbeamtet.
Seit April 2023 mussten Lehrer in Sachsen-Anhalt jede Woche eine zusätzliche Unterrichtsstunde geben. An Grundschulen bedeutete das 28 statt bisher 27 Stunden pro Woche, an Sekundarschulen und Gymnasien 26 statt 25 Stunden. Hochgerechnet aufs ganze Land entsprach die Mehrarbeit rund 500 Vollzeitstellen. Die Regel sollte bis 2028 gelten.
Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig kippte am Donnerstag die im April 2023 eingeführte Extrastunde
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Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hatte die Regelung zunächst durchgewinkt. Jetzt kassierte sie jedoch das höchste Verwaltungsgericht. Eine verbeamtete Lehrerin und ein angestellter Lehrer hatten die Klagen dort mit Unterstützung der Gewerkschaft GEW eingereicht.
„Wir nehmen die Entscheidung zur Kenntnis, auch wenn wir sie bedauern. Leidtragende sind die Schülerinnen und Schüler. Durch den Wegfall der Vorgriffsstunde wird sich die Unterrichtsversorgung voraussichtlich um 3 bis 4 Prozent verschlechtern“, sagt Staatssekretär Jürgen Böhm (60).
Grundschullehrerin Birgit Pitschmann (61) hatte die Mehrarbeit verweigert und war daraufhin entlassen worden. Sie klagte vor dem Arbeitsgericht Stendal ohne Erfolg gegen ihre Kündigung
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Sachsen-Anhalts GEW-Chefin Eva Gerth (64) jubelt: „Wir waren auf ganzer Linie erfolgreich. Auch das Gericht ist überzeugt, dass die Verordnung nicht zum Beamtenrecht passt.“ Gerth weiter: „Wir wünschen uns, dass wir mit dem Land schnell ins Gespräch kommen, um sicherzustellen, dass die Ansprüche aus der bisher geleisteten Arbeit unserer Kollegen nicht verfallen.“
Nach Auffassung der Gewerkschaft habe das Land Sachsen-Anhalt versucht, die überwiegend selbst verschuldete Schulkrise auf Kosten der Lehrkräfte zu bewältigen.
Das Urteil gilt zwar nur für Sachsen-Anhalt. Doch hätte das Gericht die Mehrarbeit bestätigt, wäre das Signal klar gewesen: Auch andere Bundesländer hätten die Stunde wohl eingeführt, um ihre Lehrerstunden-Bilanzen zu verbessern.