Im Jahr seines 200. Geburtstags hat das Museum Wiesbaden allen Grund, vor Freude hell zu strahlen. Und genau dies ist auch der Eindruck, den man gewinnt, wenn man die große Herbstausstellung „Feininger, Münter, Modersohn-Becker“ betritt, eine großangelegte Ausstellung zur „Klassischen Moderne“ des Museums zur Geschichte seiner Sammlung.
Denn zu seinem Jubiläum kann das Museum in Teilen erstmals eine Sammlung präsentieren, die ein Wiesbadener Privatsammler dem Haus schon seit einigen Jahren testamentarisch versprochen hat und dies nun auch öffentlich machen will. „Sehr glücklich und sehr dankbar“ sei er, sagt Museumsdirektor Andreas Henning, über die „großherzige Schenkung“ des Mäzens, der lieber anonym bleiben möchte: „Es ist eine Sammlung, die unsere Stärken stärkt und unsere Lücken schließt.“
Durch Schenkungen zu führendem Museum geworden
Denn mit etwa 100 Werken hat sie ihren Schwerpunkt auf Künstlerinnen und Künstlern aus dem Umfeld der „Neuen Künstlervereinigung München“, des „Blauen Reiters“ und der Künstlergruppe „Brücke“ sowie der Neuen Sachlichkeit. Sie weist große Namen wie Erich Heckel, Alexej von Jawlensky, Ida Kerkovius und Max Pechstein auf, macht mit selten ausgestellten Künstlerinnen wie Erma Bossi, Elisabeth Epstein oder Ilona Singer bekannt und verfügt über Skulpturen von Ernst Barlach, Marg Moll oder Louise Stomps. Und kann vielerlei Bezüge zu anderen Werken des Museums Wiesbaden herstellen, die ebenfalls mehrheitlich durch Schenkungen ans Haus gekommen sind.
„Seit 200 Jahren begleitet uns bürgerliches Engagement“, sagt Henning, der betont, dass das Museum Wiesbaden fast ausschließlich aufgrund dieser Unterstützungen heraus zu einem der führenden Museen für Expressionismus in Deutschland geworden sei. „Wir haben keinen ausgewiesenen Ankaufsetat.“ So seien unter den 105 jetzt ausgestellten Kunstwerken auch nur zehn, die das Museum Wiesbaden selbst angekauft habe.
Fügt sich gut in die Wiesbadener Sammlung: Gabriele Münter, „Blumenstillleben mit Sofa und Kissen“, 1910VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Grisebach GmbH
Der Rundgang durch die Ausstellung, die neben 50 Werken der jüngsten Zueignung noch einmal fast ebenso viele aus früheren Schenkungen präsentiert, beginnt mit dem expressiven Impressionismus zu Beginn des Jahrhunderts und führt über den deutschen Expressionismus mit seinen prägenden Künstlergruppierungen in München und Berlin bis hin zur Neuen Sachlichkeit in den Zwanziger- und Dreißigerjahren. Gleich zu Beginn soll den Besuchern deutlich gemacht werden, welche Bedeutung die jüngste Schenkung hat. „Hier passiert etwas Großes“, sagt Kurator Roman Zieglgänsberger.
Menschenbild einer Neuen Sachlichkeit: Ulrich Neujahr, „Tatjana Magid-Riester“, 1928Sammlung Brabant
So werden neben der neuen Sammlung andere große Konvolute ebenbürtig vorgestellt: Die Avantgarde-Sammlung des Privatiers Heinrich Kirchhoff (1874-1934), die für Wiesbaden vorgesehen war, von den Nationalsozialisten aus dem Museum entfernt wurde und sich heute in Museen der ganzen Welt befindet. Die Kunstsammlung von Hanna Bekker vom Rath, die in ihrem Testament bestimmte, dass 30 der wichtigsten Werke einem Museum im Rhein-Main-Gebiet zukommen sollen – und das Museum Wiesbaden erhielt den Zuschlag, weil sich in dem Konvolut neben Arbeiten von Max Beckmann und Ernst Ludwig Kirchner auch Exponate von Jawlensky befanden. Oder von Frank Brabant, der sich 2017 entschied, seine Kunstsammlung nach seinem Tod zur Hälfte an die Staatlichen Museen in Schwerin, wo er geboren wurde, und zur anderen Hälfte an das Museum Wiesbaden zu geben, in dessen Umfeld seine Kollektion entstanden ist.
Diese Malerin gilt es besser zu entdecken: Ilona Singer, „Bildnis Francesco von Mendelssohn“, 1928Ketterer Kunst GmbH & Co KG, München
Auch darum geht es in der überaus sehenswerten Ausstellung, wie sie in ihrem Untertitel bereits verrät: „Wie Kunst ins Museum kommt“ lässt sich ebenso erfahren. Mit dem Mäzen, dessen Sammlung in der Zukunft einmal an das Museum geht, habe Kurator Zieglgänsberger seit Jahren zusammen gearbeitet, so sei ein großes Vertrauensverhältnis entstanden, sagt Henning. Das Besondere an der Kollektion sei nun, dass sie vom Sammler auf den Bestand des Museums abgestimmt worden sei. Vor jeder Neuerwerbung habe er die schöne Frage gestellt: „Ist das auch für das Museum interessant?“
Feininger, Münter, Modersohn-Becker Museum Wiesbaden, bis 26. April 2026