Inhalt / Kritik
Seit 25 Jahren arbeitet Yoo Man-soon (Lee Byung-hun) in der Papierherstellung. Seine Tätigkeit schenkt ihm ein erfülltes Leben. Gemeinsam mit seiner Frau (Son Ye-jin), den gemeinsamen Kindern und zwei Hunden wohnt er in seinem abbezahlten Elternhaus. Als seine Firma jedoch von ausländischen Investoren übernommen wird, verliert Man-soon unerwartet seine Anstellung. Um seinen bürgerlichen Lebensstandard nicht zu gefährden, arbeitet er vorübergehend in einem Supermarkt, nimmt sich jedoch gleichzeitig vor, innerhalb von drei Monaten eine besser dotierte Stelle zu finden. Nachdem er jedoch über ein Jahr lang vergeblich nach einer Möglichkeit zur Rückkehr in seine Branche sucht, sieht er sich zu unkonventionellen Mitteln gezwungen, um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Sympathy for Mr. Park
„Ich habe alles, was ich brauche“, proklamiert Man-soon, während er im Garten seines restaurierten Elternhauses eine Grillparty feiert. Auf den ersten Blick scheint sein Leben fast perfekt: eine liebende Familie, ein guter Job. Eine Idylle, die so makellos wie trügerisch erscheint, kennt man Park Chan-wooks bisheriges Schaffen. Erneut inszeniert der Regisseur von Oldboy und Die Taschendiebin mit No Other Choice einen innovativen Genremix, der im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig seine Premiere feierte und als südkoreanischer Oscar-Kandidat ins Rennen geht.
Substanz unter Sarkasmus
No Other Choice beginnt heiter und etabliert seinen Protagonisten zunächst als ehrlich, bodenständig und mental gefestigt. Allmählich wird der Ton düsterer und reflektiert den schrittweisen Verfall des Selbstwerts und die wachsende Verzweiflung Man-soons. Dabei vereint Park Chan-wook Komödie, Thriller und Drama zu einer fesselnden, wenn auch stark überzeichneten Charakterstudie. Trotz, oder genau wegen des hyperbolischen Drehbuchs ist No Other Choice so effektiv darin, gesellschafts- und kapitalismuskritische Themen aufzuwerfen. Die Bedrohung von Arbeitsplätzen und damit gleichzeitig der Lebensgrundlage ganzer Familien durch Modernisierung ist durch den Siegeszug künstlicher Intelligenz so aktuell und brisant wie nie.
Trotz seiner Absurdität und einer auf dem Papier erratischen Hauptfigur wirkt No Other Choice nie so distanziert von der Realität, wie das Drehbuch es vermuten lässt. Vielmehr erscheint es trotz aller Übertreibung in einer rein konsumbestimmten Welt immer realistischer, dass Menschen sich zu extremen Maßnahmen gezwungen sehen, um nicht lediglich ihr Überleben zu garantieren, sondern gewohnte Standards zu halten und anerzogene Konventionen zu erfüllen. No Other Choice hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, ohne eine Lösung zu präsentieren. Park Chan-wook liefert Kinogängern einen zynischen Blick auf eine selbstgeschaffene, sowie unabwendbare Problematik, ohne missionarische Intention. Es gibt weder Alternative noch Rettung in Technophobie, aber Park Chan-wook vermittelt eindrucksvoll, dass Menschen drohen ihre Menschlichkeit zu verlieren, wenn sie das Gefühl haben, sie hätten No Other Choice.
Ästhetik der Abgründigkeit
Park Chan-wooks distinktive Handschrift durchdringt No Other Choice in jeder Einstellung. Als eines der extravagantesten Werke des Regisseurs überzeugt der Film mit mutiger Kameraführung und innovativem Schnitt, ohne jemals überladen zu sein. Vielmehr etablieren Jump Cuts und visuelle Inszenierung den inneren Zustand des Protagonisten und erzeugen zugleich ein intrinsisches Kinoerlebnis. Lee Byung-hun demonstriert jenseits des Actionkinos seine Vielschichtigkeit als Charakterdarsteller und beweist ein makelloses Gespür für Situationskomik. Während das gesamte Ensemble tadellos spielt, ist es Lee, welcher seiner Figur durch sein nuanciertes Spiel zwischen Verzweiflung, Hoffnung, Liebe, Rücksichtslosigkeit und Gewalt trotz irrationaler Ausbrüche Relativität verleiht und No Other Choice damit maßgeblich trägt.
Credits
OT: „Eojjoelsuga eobsda“
Jahr: 2025
Land: Südkorea
Regie: Chan-wook Park
Drehbuch: Chan-wook Park, Kyoung-mi Lee, Jahye Lee, Don McKellar
Vorlage: Donald E. Westlake
Musik: Young-wuk Cho
Kamera: Woo-hyung Kim
Besetzung: Byung-hun Lee, Ye-jin Son, Hee-soon Park, Sung-min Lee, Hye-ran Yeom, Seung-won Cha, Yeon-seok Yoo
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