Noch nie war guter Musikgeschmack so wichtig wie heute. Und noch nie war es so wichtig, sich für die richtige Band zu begeistern, ihre Musik zu streamen, ihre Dance-moves zu üben, in ihren Konzerten kollektiv durchzudrehen. Für leidenschaftliche Popfans hat das schon immer außer Frage gestanden. Aber jetzt ist die Sache wirklich absolut ernst. Man könnte sogar sagen: Es entscheidet sich das Schicksal der Menschheit daran. Denn nur wenn so viele Menschen wie möglich zu Fans der Girlgroup Huntr/x werden, kann die gesamte Menschheit davor bewahrt werden, einem finsteren Dämonengott zum Opfer zu fallen.
Die drei Stars von Huntr/x sind nämlich weit mehr als K-Pop-Superstars. Mit ihren glockenhellen Stimmen und strahlenden Chorgesängen zu körperschüttelnden Beats errichten sie eine magische Mauer um die Menschenwelt und bewahren deren Bewohner davor, ihre Seelen an den bösen Dämonenherrscher Gwi-Ma zu verlieren.
Darum geht es, kurz gesagt, im Animationsfilm KPop Demon Hunters, der größten Sensation der laufenden Kultursaison. Am 20. Juni hatte der Film seine Premiere auf Netflix, bis Ende August wurde er 236 Millionen Mal angeschaut, er ist der erfolgreichste Film in der Geschichte des Streamingdiensts. Der dazugehörige Soundtrack beherrscht weltweit die Charts, auch in Deutschland rangiert die Single Golden seit Wochen auf Platz eins, gerade wurde sie offiziell zum Sommerhit des Jahres 2025 gekürt. Es ist das erste Mal, dass diese Auszeichnung an einen Song aus der Sparte des K-Pop geht.
Seit einer Weile schon hat sich der südkoreanische Pop zu einem globalen Phänomen entwickelt, KPop Demon Hunters markiert nun den größten Triumph des Genres, was gerade auch deswegen interessant ist, weil der Film gar nicht aus Südkorea kommt, sondern aus den USA. Die Regie führten Maggie Kang, eine in Seoul geborene Kanadierin, und Chris Appelhans, ein Animationszeichner aus Idaho. Beide sind nach eigener Auskunft schon immer große Fans von südkoreanischen Fernsehserien und Animationsfilmen gewesen, aber auch von klassischen US-amerikanischen Cartoons; tatsächlich erinnern das Tempo, die Rhythmik, die sich ausdrucksvoll verformenden Physiognomien und Körper ebenso an neuere Anime wie an die alten Looney-Tunes-Filme, die dadaistischen Zeichentrickrasereien aus den 1930er-Jahren von Tex Avery und Chuck Jones.
Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. 38/2025. Hier können Sie die gesamte Ausgabe lesen.
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Die Heldinnen von Huntr/x sehen wie typische K-Pop-Charaktere aus, sie wurden den populärsten Girlgroups der Gegenwart nachempfunden, unter anderem den auch in Deutschland beliebten Blackpink; deren Produzent Terry Park zählt zu den Komponisten der Huntr/x-Songs. Eine Boygroup gibt es in diesem Film natürlich auch, deren Vorbild sind die K-Pop-Superstars BTS, mit denen die ganz große weltweite hallyu, die „koreanische Welle“, vor ein paar Jahren begann. Im Film firmieren die jungen Männer unter dem Namen Saja Boys, und mit ihnen hat es leider keine gute Bewandtnis: Sie sind verkleidete Dämonen, die im Auftrag von Gwi-Ma an der Unterwerfung der Menschheit arbeiten, und das kann nur gelingen, wenn sie die Konkurrentinnen von Huntr/x vom Pop-Thron stoßen und generell dafür sorgen, dass künftig kein Mensch mehr die Musik dieser tapferen Frauen hört.
So bekommt die Geschichte nicht nur eine existenzielle, sondern auch noch eine feministische Dimension; natürlich sind einige der tragenden Charaktere zerrissen zwischen der hellen und der dunklen Seite der Macht, es entstehen romantische Gefühle zwischen Angehörigen der verfeindeten Teams. Es ist mithin alles drin, was eine zunächst durchweg oberflächlich erscheinende Handlung mit allerlei psychologischen Tiefen und Twists versieht.
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Interessant an dem Film ist aber vor allem, wie er durchweg das Verhältnis der Stars zu ihren Fans thematisiert: Er feiert nicht nur eine bestimmte Band und ihre Musik, er feiert zugleich ihre Fans, die ebenso liebevoll charakterisiert und typisiert werden wie ihre Idole. So können diese sich beim Betrachten zugleich selbst feiern, was sicher auch zum unerhörten Erfolg des Films beigetragen hat.
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Welcher eben auch dazu führt, dass die erfolgreichste K-Pop-Gruppe der Gegenwart eine ist, die es gar nicht gibt – jedenfalls nicht in einem älteren Verständnis von popkultureller Realität als Gruppe lebender Menschen. Wichtiger ist hier die Realität, die man sich beim Betrachten, Hören und Bewundern selbst erschafft. In dieser Woche hat Netflix übrigens den Film in einer zweiten Version herausgebracht. In KPop Demon Hunters Sing-Along sind sämtliche Songs zum geselligen Mitsingen untertitelt, man kann das als große Gruppe anschauen und sich in Pro- und Contra-Dämonen-Teams aufteilen, aber am Ende liegen sich alle – wie im Film – in den Armen und essen Ramen.