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Ein interstellarer Komet rast durch das Sonnensystem. Doch wenn er am interessantesten wird, können Erdteleskope ihn nicht mehr sehen. Forschende haben eine Idee.

Luxemburg – Seit seiner Entdeckung im Juli wird der Komet 3I/ATLAS von Forschungsteams in aller Welt aufmerksam beobachtet. Das hat einen Grund: Seine Herkunft ist spektakulär – er stammt von außerhalb des Sonnensystems und gilt daher als interstellarer Komet. Forschende wollen seine Herkunft in die sogenannte „dicke Scheibe“ der Milchstraße zurückverfolgt haben. Weil interstellare Objekte im Sonnensystem vor 3I/ATLAS erst zweimal beobachtet wurden, nimmt die Forschung das Objekt zum Anlass, um mehr über die Himmelskörper herauszufinden.

Der interstellare Komet 3I/ATLAS (links, vom „Hubble“-Teleskop aufgenommen) könnte unter anderem vom Nasa-Mars-Orbiter MRO (rechts) beobachtet werden. (Montage)Der interstellare Komet 3I/ATLAS (links, vom „Hubble“-Teleskop aufgenommen) könnte unter anderem vom Nasa-Mars-Orbiter MRO (rechts) beobachtet werden. (Montage) © Montage/IMAGO/ZUMA Press Wire/Nasa/Esa/NASA/JPL

Doch bei 3I/ATLAS gibt es ein Problem: Seine Flugbahn führt ihn zwar noch etwas näher an die Erde heran, als er es jetzt ist – doch wirklich nahe kommt er ihr nicht. Wenn er seinen sonnennächsten Punkt erreicht, wird er sich aus irdischer Perspektive „hinter“ der Sonne befinden – unsichtbar für alle Teleskope auf der Erde und in ihrer Umlaufbahn. Das heißt: Weder das „Hubble“-Teleskop kann 3I/ATLAS bei seiner größten Annäherung an die Sonne beobachten noch das „James Webb“-Weltraumteleskop, das grundsätzlich nicht in Richtung Sonne schauen kann.

Interstellarer Komet 3I/ATLAS gibt in der Nähe der Sonne Material frei

Für die Forschung ist das äußerst ärgerlich, denn Kometen bestehen zu einem großen Teil aus Gesteinsbrocken und Staub, der von Eis zusammengehalten wird. Nähert sich der Komet der Sonne, sublimiert ein Teil des Eises und gibt Material frei, das sich im Schweif des Kometen und um den Kern herum sammelt. Für Forschende ist das die ideale Gelegenheit, um die Zusammensetzung des Kometen genauer zu erforschen. Doch im Fall von 3I/ATLAS ist das nicht möglich – zumindest nicht von der Erde aus.

Ein Forschungsteam um Andreas M. Hein (Universität Luxemburg) hat sich deshalb angeschaut, welche anderen Raumsonden infrage kommen, um den Kometen zu untersuchen, wenn er von der Erde aus nicht sichtbar ist. Die Forschungsergebnisse wurden auf ArXiv veröffentlicht.

So sieht das „Hubble“-Weltraumteleskop das SonnensystemDas Weltraumteleskop „Hubble“ von Nasa und Esa befindet sich seit 1990 in der Erdumlaufbahn. In einer Höhe von etwa 500 Kilometern blickt es tief hinein ins Weltall – fotografiert gelegentlich aber auch die Planeten des Sonnensystems.Fotostrecke ansehenMehrere Raumfahrzeuge könnten Komet 3I/ATLAS untersuchen

Demnach könnten folgende Raumfahrzeuge einen Blick auf den interstellaren Eindringling 3I/ATLAS werfen und wertvolle Daten sammeln:

„Dank des Venus-Gravitationsmanövers am 31. August wird JUICE sich in der besten Position für den wichtigen Zeitraum um das Perihel von 3I/ATLAS befinden, in dem Beobachtungen von der Erde aus am schwierigsten sein werden“, erklärt Co-Autor T. Marshall Eubanks gegenüber space.com. „Verschiedene Raumfahrzeuge, die den Mars umkreisen, darunter der Mars Reconnaissance Orbiter (MRO), Tianwen-1 und Hope, verfügen alle über den richtigen Blickwinkel und die richtige Ausrüstung, um gute Daten über 3I/ATLAS zu liefern“, fährt Eubanks fort und ergänzt: „Von all diesen Daten werden meiner Meinung nach die JUICE-Daten in der Nähe des Perihels wahrscheinlich am wichtigsten sein.“

Nasa- und Esa-Raumsonden haben gute Beobachtungspositionen

„Psyche“ wird sich dem Kometen bis auf 45 Millionen Kilometer nähern, „JUICE“ kommt ihm bis auf 68 Millionen Kilometer nahe. Die Raumfahrzeuge auf dem Mars werden 29 Millionen Kilometer entfernt sein – der Erde nähert sich 3I/ATLAS dagegen nur bis auf 269 Millionen Kilometer am 19. Dezember 2025.

Während seines Flugs durchs Sonnensystem wird 3I/ATLAS durch die Sichtfelder des Esa-Sonnenobservatoriums „SOHO“ und der Nasa-Sonnensonde „PUNCH“ fliegen, auch die „Parker Solar Probe“ der Nasa wird den Kometen in der Nähe der Sonne sehen können. Andere Raumsonden – die Studienautoren nennen „Europa Clipper“, „Hera“ und „Lucy“ – werden den Kometen nicht sehen können, doch sie bekommen womöglich eine andere einzigartige Gelegenheit: Wenn sich der Schweif des Kometen passend entwickelt, kann es passieren, dass die Raumsonden durch ihn hindurchfliegen.

Zwei Raumsonden können möglicherweise durch den Kometenschweif fliegen

„Das hängt von der Richtung des Schweifs ab“, betont Hein. Die Raumschiffe ‚Europa Clipper‘ und ‚Hera‘ bewegen sich in größerer Entfernung als 3I/ATLAS und könnten seinen Schweif durchqueren oder ihn aus nächster Nähe beobachten. Im Idealfall könnten wir eine Massenspektroskopie durchführen, um mehr über die Zusammensetzung von 3I/ATLAS zu erfahren. Die Ergebnisse würden uns zeigen, ob 3I/ATLAS tatsächlich aus der dicken Scheibe stammt.“ Der Forscher erklärt auch, warum die Forschung so wichtig wäre: „Es ist wie ein uralter Kühlschrank, der in den nächsten Monaten geöffnet wird, um einen Teil seines Inhalts freizugeben.“ (tab)