Die SPD im Stuttgarter Landtag hatte den freien Eintritt in öffentliche Museen immer gerne auf ihrer Agenda, jüngst hat sich die SPD-Fraktion im Stuttgarter Rathaus daran erinnert. „Wir beantragen“, hieß es am 3. Juni, „dass alle Stuttgarter Museen über die gesamten Sommerferien das Modell des Freien Eintritts in einer Testphase anbieten, um den sowieso sehr besucherschwachen Sommer so zu beleben und zu evaluieren, welche neuen Besucher:innengruppen in die jeweiligen Häuser kommen“. Ernsthaft verfolgt hat die Initiative von Sara Dahme niemand. Dabei ist der freie Eintritt längst nicht nur parteipolitisches Ziel. Seit mehr als 30 Jahren etwa ist der Eintritt in alle Museen der Würth-Gruppe kostenlos und engagiert sich Reinhold Würth immer wieder auch über Partnerschaften für freien Eintritt vor allem in öffentliche Sammlungen.

Interessant am Antrag der Stuttgarter SPD war der Verweis auf das Kunstmuseum Stuttgart. Tatsächlich ist dort seit März 2025 der Eintritt kostenlos. Der Hintergrund: Am Schlossplatz wird ein Doppeljubiläum gefeiert; 100 Jahre Städtische Kunstsammlung, 20 Jahre Kunstmuseum. Längst ist der Bau der von Berlin aus agierenden Stuttgarter Architekten Rainer Hascher und Sebastian Jehle zu einem Fixpunkt in der City geworden – vor allem der markante vierstöckige Kubus mit seinen spektakulären Aussichten auf und über Stuttgart dient als Markenzeichen. Für das Doppeljubiläum hat sich Erfolgsdirektorin Ulrike Groos ein besonderes Konzept ausgedacht: keine spektakuläre Großausstellung mit internationaler Besetzung, sondern eine immer wieder überraschende Überprüfung des eigenen Sammlungsbestandes. „Doppelkäseplatte“ heißt die zentrale Schau – zu sehen auf den drei Kubus-Ausstellungsstockwerken, eine Ausstellung mit verblüffenden Begegnungen und großartigen Comebacks wie etwa von Ida Kerkovius und Anton Stankowski.

Markstein in Stuttgart: Kunstmuseum am Schlossplatz Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Möglichst viele Menschen sollten und sollen 2025 möglichst vieles aus der Sammlung gesehen haben und sehen – aus dieser Idee heraus ist der von Ulrike Groos mit Sponsorenhilfe, aber auch mit Eigenmitteln initiierte freie Eintritt bis zum „Doppelkäseplatte“-Finale am 12. Oktober nur folgerichtig. Wirkt er aber auch? Das legte der Antrag der Stuttgarter SPD vom 3. Juni nahe. „Allein im ersten Quartal 2025 sind mehr als doppelt so viele Menschen ins Museum gekommen (knapp 140 000)“, heißt es da. Und: „Interessant hieran ist laut der Museumsleitung, dass das Museum zu anderen Zeiten besucht wird, die bisher nicht relevant waren und das ganz neue Besucher:innengruppen das Haus betreten, teils nur kurz aber dafür mehrmals. Gerade Familien, die regulär bis durchschnittlich 30 Euro oder mehr zahlen müssten und Jugendliche sind plötzlich präsent im Museum.“ Das Fazit von Sara Dahme seinerzeit; „Die Stimmung ist gut, die Barriere ist durchbrochen.“ Und sie gibt zu bedenken: „ Zusätzlich ergänzt das Kunstmuseum den freien Eintritt mit einem breiten Vermittlungsangebot, das auch gratis ist.“

„Der freie Eintritt versetzt in Feierlaune“

Und wie sieht man im Kunstmuseum Stuttgart selbst die Situation nach nun acht Monaten freiem Eintritt? Sprecher Constantin Neumeister reagiert vorsichtig: „Das Kunstmuseum Stuttgart“, bestätigt er eher, „gewährt erstmals im Rahmen seines Doppeljubiläums für einen längeren Zeitraum freien Eintritt. Ermöglicht wird dies durch die Unterstützung von Sponsoren, die die fehlenden Eintrittsgelder kompensieren“. Dann aber sagt er: „Die Resonanz bestätigt, dass die Maßnahme richtig war. Der freie Eintritt wirkt und versetzt in Feierlaune!“ Die Begrünung ist schnell gegeben: „Seit wir freien Eintritt anbieten, hat sich unser Haus spürbar geöffnet“, so Neumeister. „Die Besucher:innenzahlen sind deutlich gestiegen, viele nutzen die Chance zu einem spontanen Besuch und entdecken dabei ein Angebot, das ihnen vorher vielleicht gar nicht vertraut war.“ Mit am wichtigsten vielleicht: „Wir können“, bestätigt Neumeister, „momentan beobachten, dass der freie Eintritt tatsächlich auch neue Besucher:innengruppen anspricht, die sonst nicht den Weg ins Museum gefunden hätten“. „Präzisere Aussagen über die Erstbesucher:innen“ seien indes nicht möglich, da „keine Befragungen“ durchgeführt würden.

Werke von Anton Stankowski im Oberlichtsaal des Kunstmuseums Foto: Forstbauer

Klar ist aber für den Sprecher des Kunstmuseums Stuttgart, dass das Projekt freier Eintritt ablesbar Wirkung zeigt. „Der freie Eintritt im Jubiläumsjahr“, so Neumeister, „macht sichtbar, wie stark ökonomische Barrieren die Reichweite kultureller Institutionen formen. Der Effekt war ein deutlicher Zuwachs an Besucher:innen und eine Diversifizierung des Publikums. Das bleibt als Erfolg bestehen“. Im Kunstmuseum Stuttgart versteht man den freien Eintritt im Jubiläumsjahr indes offenbar auch als Herausforderung: „Wie nachhaltig dieser Effekt ist“, sagt Constantin Neumeister, „wird sich erst noch zeigen. Entscheidend ist, dass zahlreiche Erstkontakte zum Kunstmuseum zustande kamen“, seien dies doch „Fundamente für längerfristige Bindungen“.

Länger schauen am Freitag

Öffnungszeiten
Das Kunstmuseum Stuttgart hat diese Öffnungszeiten; Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis 21 Uhr. Montag geschlossen, außer an Feiertagen.

Ausstellungen
Zentrale Schau im Jubiläumsjahr 2025 ist im Kubus die Ausstellung „Doppelkäseplatte“ mit Werken aus der Sammlung des Kunstmuseums. Zudem zeigen sich auch in den Sammlungsräumen im Erd- und Untergeschoss neue Werkdialoge.