Zu Beginn dieser Woche konnte man es nicht einmal den glühendsten Fans des 1. FC Nürnberg verübeln, wenn sie ein bisschen durcheinander kamen. Beim Club war ja wieder derart viel los, dass man schon mal den Überblick verlieren konnte. Wie hieß also nochmal der Stürmer, den Nürnberg auf den letzten Drücker aus Paderborn geholt hatte? Adriano Grimaldi? Ja, das müsste sein Name sein. Aber wohin war Florian Flick gewechselt? Zum FC 08 Homburg? Nein, das war doch der neue Klub von Simon Joachims. Aber wer genau war eigentlich Simon Joachims? Und wie buchstabierte man überhaupt den neuen Mittelfeldspieler, der mit Vornamen wohl Adam hieß und von irgendeinem Verein aus Zypern gekommen war?

Es war ein gehöriges Durcheinander, bis sich das sogenannte Transferfenster am vergangenen Montag endgültig schloss. Die Nürnberger hatten es bis zum letzten Moment derart weit offen gehalten, dass mehrere Spieler auf einmal hindurchschlüpfen konnten, ohne dass irgendeine Scheibe zu Bruch ging. Und jetzt, da das Fenster verriegelt und der Rollladen heruntergelassen ist, bleibt die Frage, auf welcher Seite des Fensters der Club eigentlich steht. Draußen, im Regen? Ist er also gewissermaßen weg vom Fenster, nachdem ihm seine besten Spieler der vergangenen Saison in diesem Sommer abhandengekommen sind? Oder hat der finanziell gebeutelte Club seine Spielerchen ins Trockene gebracht?

Wenn Sportvorstand Joti Chatzialexiou den Transfersommer einordnet, betont er, wie zufrieden er ist. Weil der Club erst seit Juni mit dem Daten-Unternehmen Jamestown Analytics zusammenarbeitet, habe sich die Kooperation zwar „noch etwas geringer“ in den Transfers niedergeschlagen, als es in Zukunft der Fall sein soll – dennoch könne sich das Resultat sehen lassen. Zum einen, sagt Chatzialexiou, sei es gelungen, eine Menge Geld einzunehmen, was „wirtschaftlich erforderlich“ gewesen sei, um Schulden zu tilgen und die Infrastruktur zu verbessern. Zum anderen habe der Club „sehr viele Wunschspieler“ verpflichtet und könne nun „eine vernünftige Rolle“ in der zweiten Liga spielen.

Schon vor der Saison hatte Chatzialexiou den siebten Platz als Minimalziel ausgerufen. Eine Ansage, an der er auch nach dem Fehlstart festhält. „Ich habe für mich ein Saisonziel ausgerufen – und dann unterhalten wir uns im Mai, ob wir es nach 34 Spieltagen auch geschafft haben“, bekräftigt Chatzialexiou. Dabei hat man – auch wenn es für ein abschließendes Urteil noch viel zu früh sein mag – nach den ersten fünf Pflichtspielen eher den Eindruck, dass Nürnberg nicht nur seine Zukunft verkauft, sondern auch seine Gegenwart erst einmal verbaut hat. Zu groß scheint der Substanzverlust, zu markant der Einschnitt.

Der Club hat mit den Einnahmen das wirtschaftliche Fundament stabilisiert

Seit Jahresbeginn haben Finn Jeltsch, Jens Castrop, Mahir Emreli, Stefanos Tzimas und Caspar Jander die Kabine auf dem Trainingsgelände durch unterschiedliche Fenster verlassen und damit riesige Baustellen hinterlassen. Seitdem steht das Gebäude zwar sicherer denn je, weil der Club mit den Einnahmen das wirtschaftliche Fundament stabilisiert hat – allerdings ist fraglich, ob es sportlich auch in die Höhe gehen kann. Bleibt es also ein Flachbau? Oder kommt doch noch ein Dach drauf? Eine Ungewissheit, die auf direktem Wege ins Trainerbüro führt.

Vor einem Jahr gelang es Miroslav Klose, eine ganze Reihe an Spielern besser zu machen und damit auch die gesamte Mannschaft Schritt für Schritt weiterzubringen. Jetzt ist es an ihm, eine solche Entwicklung ein zweites Mal einzuleiten. Klose soll die erste Länderspielpause der neuen Saison als zweite Vorbereitung nutzen, den erst jetzt vollständigen Kader auf den rechten Weg bringen und dafür sorgen, dass schon bald jeder buchstabieren kann, dass Adam mit Nachnamen M-A-R-K-H-I-E-V heißt.

Das muss Klose allerdings auch. Beim Auswärtsspiel nächste Woche in Karlsruhe bedarf es eines weiteren Belegs, dass die Mannschaft auch in diesem Jahr unter seiner Führung vorankommt. Auf die Frage, ob Klose auch im Falle einer Niederlage in Karlsruhe das Vertrauen genieße, entgegnet Chatzialexiou: „Wichtig ist erstmal, dass wir das Spiel in Karlsruhe spielen. Ich habe immer darauf verwiesen, wie es im letzten Jahr war.“

Und Nürnbergs Sportvorstand hat ja tatsächlich einen Punkt, wenn er fragt: Wer hatte im Sommer 2024 eigentlich schon mal was von Caspar Jander gehört? Und wer wusste, dass Rafael Lubach kein Hürdenläufer oder Stabhochspringer ist, sondern ein Fußballer, der bei Borussia Dortmund ausgebildet wurde?

Tatsächlich darf es der Club als Auszeichnung verstehen, wie sich Jander, Lubach, aber auch Tzimas, Castrop oder Berkay Yilmaz in der vergangenen Saison entwickelt haben. Doch jetzt müssen Spieler wie Adam Markhiev, Mohamed Ali Zoma, Pape Demba Diop oder Artem Stepanov denselben Weg gehen, damit Nürnberg erfolgreich sein kann. Noch scheint es dem Kader in der Spitze an Qualität zu fehlen. Und so ist Klose in der Gegenwart genötigt, den einen oder anderen Spieler aus der Breite des Kaders selbst in die Spitze zu hieven und damit wieder Fantasien für die Zukunft zu wecken.

Dass er sich damit auskennt, belegt schon alleine seine Biografie. Bevor Miroslav Klose als Mittelstürmer in die Bundesliga kam, arbeitete er als Zimmermann. Er weiß also, wie man ein Dach auf ein Gebäude setzt. Und genau das ist jetzt auch beim 1. FC Nürnberg sein Auftrag.