Sylvia Linn will Oberbürgermeisterin von Duisburg werden. Seit Juni 2024 ist die CDU-Kandidatin bereits ehrenamtliche Bürgermeisterin – sie trat seinerzeit die Nachfolge des verstorbenen Volker Mosblech an. Nun will die 59-Jährige hauptamtlich die Geschicke der Stadt lenken, hat sich dafür in etliche Themen tief eingearbeitet. Und obwohl sie bereits Mitte der 1980er Jahre in die Junge Union und die Christdemokratische Partei eingetreten ist, hat ihr früher niemand prophezeit, dass sie einmal Bürgermeisterin sein würde. Ein Interview über ihre Motivation, die Wahlkampf-Themen Sicherheit, Ordnung und die wirtschaftliche Entwicklung Duisburgs sowie darüber, was die Friemersheimerin in der Innenstadt vermisst. Das Gespräch findet in einem Café statt. Kaum bringt die Kellnerin den Kaffee, kommt schon ein Mann und bittet um ein bisschen Kleingeld. Und schon ist man mitten im Thema.
Die CDU fordert erneut ein Alkoholverbot für die Innenstadt. Das wurde schon einmal vom Verwaltungsgericht abgewiesen – und allein die Forderung hat eine kontroverse Debatte ausgelöst. Haben Sie damit gerechnet?
Es war klar, dass es einen Aufschrei geben wird. Den gab es damals auch. Aber wir wollen nach der Wahl einen neuen Versuch unternehmen, damit sich die Bürger wieder wohlfühlen und gerne in die Stadt gehen. Darüber würden sich auch die Geschäftsleute freuen.
Sylvia Linn nahm am Rundgang von „Fridays for Future“ über die Bahnhofsplatte teil. Den Wahlkampf trenne sie strikt von ihrem Bürgermeister-Ehrenamt.
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Wie sind bisher Ihre Erfahrungen?
Als ich neulich zu einem Termin von Fridays for Future auf die Bahnhofsplatte wollte, bin ich in der Stadt innerhalb kürzester Zeit zwei Mal angebettelt worden. Ich tue mich schwer damit, Geld zu geben, wenn ich weiß, dass das in Alkohol oder Drogen investiert wird. Aber ich habe dann beim Bäcker eine gemischte Tüte Brötchen geholt und die Person gefragt, ob sie etwas möchte. Das Mienenspiel war faszinierend, aber sie hat sich über das Käsebrötchen gefreut. Wenn sich die Leute nicht auf der Königstraße aufhalten, sitzen sie woanders. Das ist ein Verdrängungsmechanismus, darüber bin ich mir im Klaren.
Das alleine wird die Innenstadt auch nicht retten. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass die City wieder attraktiver wird?
Wenn ich mich daran erinnere, wie es hier früher einmal ausgesehen hat… Ich bin früher gerne, wenn ich ins Rathaus musste, vorher durch die Königsgalerie gegangen und habe dort Besorgungen erledigt. Mir fehlt zum Beispiel ein gutes Schuhgeschäft. Ich weiß, es gibt noch einige wenige, aber früher war einfach mehr Auswahl. Ich bin auf jeden Fall jemand, die noch gerne vor Ort einkauft und nicht online.
Was war das Letzte, was sie in Duisburg geshoppt haben?
Kinderkleidung. Ich bin am 29. August zum zweiten Mal Oma geworden. Der errechnete Termin war eigentlich im September. Die Zeiten sind auch ohne Kommunalwahl sehr aufregend.
Was hat Sie seinerzeit politisiert und dazu bewogen, in die CDU einzutreten?
Ich komme aus einer CDU-nahen Familie. Zudem hatte ich als Kind eine Grundschullehrerin, die heute noch ein Vorbild für mich ist. Sie saß für die CDU in Kempen im Rat. Sie hatte ein großes Herz und war trotzdem sehr konsequent. Als in den 1990er Jahren meine Tochter und mein Sohn geboren wurde, habe ich nach einigen Monaten Pause recht schnell wieder gearbeitet. Meine Tochter ist mit dreieinhalb in die Kita gekommen. Es war eine größere Einrichtung, aber insgesamt gab es nur sieben Betreuungsplätze über Mittag. Damals haben wir einen bekommen und die Betreuung ist auch Dank der Unterstützung innerhalb der Familie geglückt. Auf die Fläche gesehen, haben wir vielleicht genügend Plätze, aber wohnortnah gibt es in Duisburg noch einigen Nachholbedarf. In Friemersheim tut sich jetzt zum Glück etwas, aber es hat Jahre gedauert, bis dort ein geeigneter Platz gefunden wurde. Ich würde mir wünschen, dass Politik und Verwaltung künftig besser und schneller zusammenarbeiten.
Auf die Frage „eher Merz oder Merkel“ sieht sich Sylvia Linn eher bei Merkel. An Merz schätzt sie dennoch einiges.
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Es gibt noch andere Ämter, in denen es hakt. Wenn Bürger einen neuen Ausweis beantragen wollen, dauert es teilweise lange, bis sie einen freien Termin bekommen. Auch wer zum Ausländeramt muss, kann ein Liedchen davon singen.
Wir wollen dort, wo es möglich ist, Prozesse vereinfachen und digitalisieren. Ich möchte mir nach der Wahl genau anschauen, was die Dinge so kompliziert und langwierig macht – vor allem, wenn es darum geht, dass daran etwa eine Aufenthaltserlaubnis geknüpft ist. Richtig ist, dass es je nach Herkunftsland andere Regeln gibt und sich das Personal darin auskennen muss. Die Fluktuation in diesem Bereich ist hoch. Vielleicht hilft uns in diesem Bereich auch KI. Ich bin mir sicher, sie wird uns helfen und nicht dazu führen, dass Personal abgebaut wird.
Sie sind Mitglied im Integrationsrat. In diesem Jahr wird „Wir schaffen das“ zehn Jahre alt. Hat Duisburg es geschafft?
Duisburg hat eine lange Tradition, Menschen, die hier leben und arbeiten wollen, zu integrieren.
OB Sören Link hat einmal gesagt, dass er lieber mehr Flüchtlinge als Zugewanderte aufnehmen würde. Machen Sie da auch einen Unterschied?
Wenn ich eine Unterscheidung vornehme, dann nur in Personen, die sich hier integrieren und die hier arbeiten wollen und in solche, die unsere Sozialsysteme unterwandern.
Sie kommen aus Friemersheim. Wie erleben Sie Stadtteile wie Hochfeld oder Marxloh?
Ich war neulich bei einem Termin in Marxloh bei einem Demokratiefest und habe festgestellt, dass wir bestimmte Bevölkerungsgruppen dort gar nicht mehr erreichen. Mir hat ein Projekt im Dichterviertel in Alt-Hamborn imponiert. Dort gibt es Quartiersmanager, die die Bewohner an die Hand nehmen und ihnen beispielsweise zeigen, dass Folie in die Gelbe Tonne und Papier in die Blaue Tonne kommt. Und wenn man etwas Größeres entsorgen möchte, kann man Sperrmüll anmelden. So etwas würde ich mir, in Kooperation mit der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft und etwa den Wohnungsgenossenschaften, auch für andere Quartiere in Duisburg wünschen.
Was sagen Sie den Duisburgern, die aus Frust ihr Kreuzchen bei der AfD machen?
In vielen Fällen kommt gar kein Gespräch mehr mit diesen Personen zustande. Teilweise kann ich den Frust verstehen. Es gibt in Rheinhausen bekannte Familien, da weiß man, dass die Kinder klauen. Die sind sogar teilweise namentlich bekannt. Da muss man konsequent durchgreifen. Wenn es tatsächlich einmal zu einem Gespräch mit AfD-Wählern kommt, dann bitte ich sie, uns eine Chance zu geben.
Merz oder Merkel?
Eher Merkel. Aber an Merz schätze ich seine wirtschaftspolitische Kompetenz und dass er es geschafft hat, dass Deutschland wieder an Ansehen in Europa gewonnen hat. An der vorherigen Ampel-Regierung hat mir missfallen, dass zu viele Absprachen nach außen gedrungen sind, sobald etwas vertraulich besprochen wurde.
„Ich wünsche mir, dass die CDU so stark wie möglich wird.“ Mit der Duisburger SPD habe man in den vergangenen Jahren gut zusammengearbeitet.
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Sie arbeiten mit der SPD zusammen, zeigen sich in den sozialen Netzwerken aber auch immer mal wieder mit grünen Politikern.
Ich würde mir natürlich wünschen, dass die CDU so stark wie möglich wird. In Duisburg arbeiten wir gut mit der SPD zusammen, es gibt aber auch Parteikollegen, die Kontakte zu den anderen demokratischen Parteien pflegen.
Sie sagen selbst von sich, dass Sie gerne Kurzreisen unternehmen. Wo würden Sie in Duisburg Urlaub machen?
In Duisburg gibt es eine schöne Mischung aus Arbeiten und noch dörflichen Strukturen, wenn wir zum Beispiel an Baerl, Friemersheim, Walsum oder Serm denken. Ich bin gerne am Innenhafen oder in den Rheinauen unterwegs. Und wenn man Duisburg mal von oben betrachtet, sieht man, wie schön grün es hier ist. Selbst, als ich auf dem Riesenrad der Beecker Kirmes gesessen habe, konnte man gar nicht den ganzen Platz überblicken, weil überall Bäume stehen.