Leipzig. Immer mehr Städte in Deutschland verabschieden sich von der Umweltzone. Auch in Leipzig steht eine Entscheidung darüber aus, ob Kraftfahrzeuge in Zukunft noch eine grüne Plakette brauchen oder nicht. Allerdings tut sich die Stadtverwaltung damit offenbar schwer.
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Die erste Umweltzone in Deutschland war 2008 in Berlin eingerichtet worden, Leipzig zog 2011 nach. Das Ziel: mit Fahrverboten für „Stinker“ die damals noch hohen Schadstoffbelastungen in der Luft, insbesondere durch Feinstaub und Stickstoffdioxid, zu verringern und die Gesundheit der Menschen so wirksam zu schützen.
Leipzig hält Luftschadstoff-Grenzwerte seit Jahren ein
Nach Angaben des Umweltbundesamtes werde mittlerweile flächendeckend in Deutschland der europaweit geltende Grenzwert für Feinstaub von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel und 50 Mikrogramm pro Kubikmeter im Tagesmittel eingehalten. Lediglich für Stickstoffdioxid bestehe noch punktuell Handlungsbedarf.
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Leipzig kommt bereits seit 2015 nicht mehr annähernd an die Feinstaub-Grenzwerte heran. Auch die Stickstoffdioxid-Belastung liegt seit 2019 deutlich unter der Grenze von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Die Folge: Aktuell existieren in Deutschland noch 36 Umweltzonen, 22 wurden wieder aufgehoben. Als nächste Stadt folgt die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz, wo am 1. Oktober die Plakettenpflicht wegfällt.
Stadtspitze verschiebt Entscheidung
Bis Ende Juni dieses Jahres, so hatte es der Stadtrat im vergangenen Herbst beschlossen, sollte die Umweltbehörde ihre Prüfungen zur Wirksamkeit der Umweltzone abschließen und darauf basierend dem Rat einen Vorschlag unterbreiten, wie es mit dem Instrument weitergeht. In der Verwaltung scheint man sich darüber noch nicht einig geworden zu sein. Eine für den 12. August vorgesehene Befassung in der Dienstberatung beim Oberbürgermeister wurde kurzfristig verschoben. „Die Vorlage befindet sich deshalb noch im verwaltungsinternen Verfahren“, heißt es jetzt auf LVZ-Nachfrage aus dem Rathaus.
Deutlich klarer sind da schon die Positionen in der Ratsversammlung. In der Bewertung sind sich alle Fraktionen einig: Die Luftqualität hat sich seit der Einführung der Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß deutlich verringert. Eine Mehrheit des Stadtrats tendiert daher zu Aufhebung der Leipziger Umweltzone.
Mehrheit im Stadtrat gegen Fortsetzung der Umweltzone
Er glaube, sagt Falk Dossin (CDU), dass von ihr keine weiteren Effekte mehr zu erwarten sind. Wenn die Prüfung der Umweltbehörde auch zu dem Schluss kommt, plädiere die Union für das Aus der Umweltzone. „Zur Wahrheit gehört ja, dass Autos schlechter als Euro 4 nicht mehr gebaut werden“, so der CDU-Stadtrat. Vereinzelt seien zwar Oldtimer und ältere Lkw auf den Straßen anzutreffen.„Aber die Zahlen sind vernachlässigbar“, erklärt er.
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Die AfD hatte bereits 2023 das Ende der Umweltzone beantragt, war damals aber noch im Stadtrat gescheitert. „Wir erwarten vom OBM und der Verwaltung, dass die Umweltzone so schnell wie möglich aufgehoben wird und die Entscheidung dazu nicht länger herausgezögert wird“, sagt Christian Kriegel. Seine Fraktion hält Verbesserungen des Verkehrsflusses und eine Verringerung des Parksuchverkehrs für deutlich zielführender in puncto Luftreinhaltung.
Wir erwarten vom OBM und der Verwaltung, dass die Umweltzone so schnell wie möglich aufgehoben wird und die Entscheidung dazu nicht länger herausgezögert wird.
Christian Kriegel
AfD-Stadtrat
Auch die Grünen halten an der Umweltzone nicht mehr fest. „Sie hat das Ziel erreicht“, betont Nicole Schreyer-Krieg. „Fahrzeuge ohne grüne Plakette sind faktisch verschwunden. Deshalb ist ihre Fortführung heute weder notwendig noch sinnvoll.“ Für die Zukunft brauche man andere Instrumente, um die urbane Mobilität klimafreundlich und gesundheitsgerecht weiterzuentwickeln: einen sauberen öffentlichen Personennahverkehr, attraktive und bezahlbare Bus- und Bahnangebote, mehr und sichere Radwege sowie Elektromobilität.
Auch für die Freie Fraktion ist die Sache gelaufen. „Da inzwischen fast alle in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge die Grenzwerte der Umweltzone einhalten, kann sie abgeschafft werden. Sie schadet aber auch nicht. Sie bewirkt einfach fast nichts mehr“, so das Fazit der Fraktion aus „Die Partei“, FDP und Piraten.
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Für eine Aufhebung der Umweltzone oder zumindest deutliche Vereinfachung der bisherigen Regelung spricht sich ebenso das BSW aus. „Eine Verschärfung der Regeln wie die Einbeziehung von Baumaschinen oder landwirtschaftlichen Zugmaschinen lehnen wir aufgrund der aktuell hohen Baukosten und Erzeugerpreise strikt ab“, stellt Sascha Jecht klar.
Linke und SPD halten an grüner Plakette fest
Da derzeit mehr als 90 Prozent der Autos die Abgasstandards für eine grüne Plakette erfüllen und die Umweltzonen mit ihren derzeitigen Kriterien kaum noch Wirkung erzielten, wie das Umweltbundesamt feststellt, hatte die Behörde vorgeschlagen, die grünen Plakette auf weitere Fahrzeuggruppen auszuweiten.
„Der Gesamtverkehr ist nach der Industrie beziehungsweise der Energiewirtschaft immer noch die Hauptemittentengruppe an Staub- und Stickstoffemissionen“, hebt Susanne Scheidereiter (Linke) hervor. Die Umweltzone haben zu einem Umdenken in der Bevölkerung beim Thema Verkehr geführt, was wichtig für die Verkehrswende sei. „Wir sehen die Erfolge ganz klar als Zeichen für die Beibehaltung“, so Scheidereiter. Eine Aufhebung war das falsche Signal – zumal in der Europäischen Union in den nächsten Jahren die Grenzwerte verschärft würden.
„Somit ist die Stadt Leipzig noch nicht am Ende der Arbeit“, steht für SPD-Fraktionsvorsitzende Anja Feichtinger fest. „Vorschnelle Rufe nach Abschaffungen von Umweltzonen sind unserer Meinung nach damit obsolet.“
Aktuell noch 36 aktive Umweltzonen in Deutschland
Baden-Württemberg: Ludwigsburg und Umgebung, Pforzheim, Stuttgart
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Bayern: Augsburg, München, Regensburg
Berlin: Berlin
Bremen: Bremen
Hessen: Darmstadt, Frankfurt a.M., Limburg an der Lahn, Marburg, Offenbach, Wiesbaden
Niedersachsen: Osnabrück
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Nordrhein-Westfalen: Aachen, Bonn, Dinslaken, Düsseldorf, Eschweiler, Hagen, Krefeld, Köln, Langenfeld, Mönchengladbach, Münster, Neuss, Overath, Remscheid, Ruhrgebiet, Siegen, Wuppertal
Rheinland-Pfalz: Mainz
Sachsen: Leipzig
Sachsen-Anhalt: Halle/Saale, Magdeburg
22 Umweltzonen wurden seit 2021 beendet
Baden-Württemberg: Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Heidenheim, Heilbronn, Herrenberg, Ilsfeld, Karlsruhe, Leonberg, Mannheim, Mühlacker, Pfinztal, Reutlingen, Schramberg, Schwäbisch Gmünd, Tübingen, Ulm, Urbach, Wendlingen am Neckar
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Bayern: Neu-Ulm
Niedersachsen: Hannover, Hemmingen,
Thüringen: Erfurt
LVZ