Mit 17,7 Prozent der Stimmen (+10,3) durften sich die Duisburger Grünen als Gewinner der Kommunalwahl 2020 fühlen. Die Hoffnung, mit der 19-köpfigen Fraktion in einer Kooperation mit der SPD im Rat die Stadtpolitik gestalten zu können, erfüllte sich allerdings nicht. Am 14. September steht die Partei vor der Herausforderung, drittstärkste Kraft im Stadtparlament zu bleiben. Überzeugen wollen die Grünen die Bürger mit einem neu verfassten Kommunalwahl-Programm auf 60 Seiten.
Als Deborah Rapp und Vera Kropp im März zum Sprecherinnen-Duo des grünen Kreisverbandes gewählt wurden, war die Arbeit am Programm schon in vollem Gange. „Wir haben nicht das Programm von 2020 aktualisiert, sondern es neu aufgesetzt“, berichten sie. Seit dem Sommer 2024 formulierten Arbeitsgruppen die Ziele. Wichtig dabei: „Wir wollten uns nicht im Klein-Klein verlieren.“
Grüne in Duisburg: Intensive Beratungen vor der Kommunalwahl
Die Beratungen waren „intensiv“, berichten die Sprecherinnen: „Es gab allein 80 Änderungsanträge.“ Die hohe Zahl, so finden sie, sei Ausdruck der intakten Diskussionskultur und auch das Ergebnis der stark gestiegenen Mitgliederzahl auf aktuell 675. Wie bei anderen Parteien gab des bei den Grünen nach dem Scheitern der Berliner-Ampel-Koalition eine Eintrittswelle.
Das Ergebnis sei „ein Angebot an die Duisburger, mit dem wir deutlich machen wollen, dass wir nicht nur für Umwelt und soziale Themen stehen“, sagen Deborah Rapp und Vera Kropp. Das Programm sei auch Grundlage für mögliche Gespräche über eine Kooperation im neuen Rat. „Es ist klar, dass wir nur mitgestalten können, wenn wir für unsere Ziele auch Mehrheiten haben.“
Umwelt, Klima, Stadtentwicklung
Duisburg klimaneutral bis 2035: Um dieses Ziel zu erreichen, das sich die Stadt gegeben hat, fordern die Grünen den Beschluss „eines verbindlichen Klimaschutzplans mit klaren, messbaren Zielen“. Fortschritte sollen jährlich überprüft werden, in zehn Jahren soll Duisburg auf fossile Energien verzichten können.
Solaranlagen sollen auf allen geeigneten städtischen Gebäuden stehen, zu ihrer Sanierung soll es ein Sofort-Programm geben. Weitere Ziele der Grünen: Die Umstellung des städtischen Fuhrparks auf emissionsfreie Antriebe, ein „Klimabeirat“ für Bürger und Experten und ein städtisches Förderprogramm „ökologisches Gärtnern“.
Außerdem soll das Klima-Anpassungsgesetz des Bundes in Duisburg ebenso umgesetzt werden wie der Hitzeaktionsplan. Dazu sollen Hitzeinseln tunlichst beseitigt, kühle Orte geschaffen und mehr Trinkwasser-Spender aufgestellt werden. Der Freiflächen-Verbrauch soll auf Netto-Null sinken.
Bei Neubau und Sanierungen wollen die Grünen Schwammstadt-Prinzipien berücksichtigt sehen: mit begrünten Dächern, Versickerungsmulden und Zisternen. Versiegelte Flächen sollen in begrünte, wasserdurchlässige Zonen umgewandelt werden. Auch für die Regenwasser-Nutzung soll es dauerhafte finanzielle Anreize für die Bürger geben.
Im Frühjahr wählten die Grünen in Duisburg Vera Kropp (l.) und Deborah Rapp (r.) zu Sprecherinnen des Kreisverbandes.
© Grüne Duisburg | markus laghanke
Konsequenter Tierschutz
Für Hunde aus Tierheimen fordern die Grünen eine Steuervergünstigung (drei Jahre steuerfrei), um Adoptionen zu erleichtern sowie eine öffentliche, eingezäunte Hundewiese mit Schattenplätzen und Sitzgelegenheiten für den Auslauf ohne Leine.
Der Zoo soll sich zu einem „artgerechten Lern- und Naturschutzzentrum“ entwickeln, aktuelle Haltungsbedingungen müssten „konsequent tierschutzgerecht überprüft und verbessert werden“. Veranstaltungen mit Wildtieren sollen untersagt werden. Zur Regulation der Tauben-Populationen fordert die Partei betreute Taubenhäuser in allen Stadtbezirken.
Mobilität
Bus und Bahn, Fuß- und Radverkehr sind vorrangig zu behandeln, um so Klima und Umwelt zu schützen, fordern die Grünen. Dazu soll die Taktung von Bussen und Straßenbahnen erhöht, das Stadtbahn- und Busnetz ausgebaut werden, u.a. mit einer Straßenbahn-Linie nach Rheinhausen. Reparaturzeiten von Aufzügen und Rolltreppen sollen maximal zwei Wochen betragen.
Das Radwegenetz wollen die Grünen sanieren und ausbauen, dafür soll es mehr Planer geben. Gute Fahrradstraßen sollen die Stadtteile verbinden, zwei Radschnellwege (Nord-Süd und Ost-West) angelegt werden. Außerdem: Trennung von Auto- und Radverkehr, wo möglich; bessere Baustellensicherung; besondere Ampelphasen für Radfahrer und mehr sichere Abstellorte für Fahrräder.
Eine Fußverkehrsstrategie soll zu barrierefreien Gehwegen und einem Stadtteilcheck zum Verbesserungsbedarf führen. In der Folge sollen ÖPNV, Radfahren und Fußverkehr sicherer werden, ihr Anteil am Gesamtverkehr steigen.
Saubere Luft, saubere Stadt
Lkw-Verkehr soll aus Wohngebieten konsequent herausgehalten werden, fordern die Grünen. Sie setzen sich ein für emissionsfreie Antriebe bei Taxen und Lieferdiensten sowie Car-Sharing als Alternative zum Pkw-Privatbesitz und wollen E-Mobilität und Lastenräder fördern. Sie wollen mehr verkehrsberuhigte Zonen einrichten, Verstöße und Falschparken auf Rad- und Gehwegen konsequenter ahnden.
Der Lkw-Verkehr soll auf Hauptverkehrsachsen möglichst gebündelt werden, um das innstädtische Schwerlast-Aufkommen zu senken, LKW-Parken soll an mehr Industrie- und Hafenstandorten möglich sein, die Lade-Infrastruktur für klimafreundliche Antriebe ausgebaut werden.
Mehr Bäume und Wald für Duisburg
Die Grünen fordern die Wiedereinführung einer Baumschutz-Satzung und die Entwicklung neuer Waldflächen in Stadt und Umland sowie die Anlage von „Tiny Forests“, dichten Mini-Wäldern in urbanen Quartieren, etwa auf bislang versiegelten Arealen oder Brachflächen.
Ehrenamtliche Initiativen für Aufforstung und Pflanzaktionen sollen gefördert, das Patenprogramm für Baumscheiben ausgeweitet werden. Urbaner Wald soll in die Stadtentwicklungsplanung integriert werden.
Soziales und Gesundheit
Duisburg soll für die Grünen „ein Ort für alle sein – unabhängig von Herkunft, Alter oder sozialer Lage“. Sie setzen sich ein für mehr bezahlbaren Wohnraum, wollen Integration fördern, Armut und Ausgrenzung bekämpfen. Dazu wollen sie den sozialen Wohnungsbau stärken und nach Lösungen für Großwohnsiedlungen wie die „Weißen Riesen“ in Homberg suchen.
Frauenhäuser und Beratung für Frauen in Not sollen besser finanziert, mehr Plätze durch ein weiteres Frauenhaus geschaffen werden. Für arme Menschen soll eine „Duisburg-Card“ der Zugang zu Kultur-, Sport- und Bildungsangeboten möglich werden.
Die Suchtprävention und das Streetwork will die Partei ausbauen, um den vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden und mehr Prävention betreiben zu können. In allen Bezirken soll es Anlaufstellen geben.
Der Vorsorge dienen auch „Gesundheitskioske“ in den Stadtteilen. Weitere Forderung: Ausbau der pychosozialen Beratung, die zukunftssichere Gestaltung der Pflege, Sicherung der Aidshilfe, Förderung der Selbsthilfe.
Bildung, Wissenschaft, Kinder und Jugendliche
Durch Kinder- und Jugendparlamente wollen die Grünen die Demokratiebildung stärken. Duisburg soll das Zertifikat „Kinderfreundliche Kommune“ anstreben. Auf der Königstraße wollen sie einen Spielplatz einrichten, weitere freie Sport- und Bewegungsräume ausbauen, die Kooperation zwischen Schulen und Jugendzentren stärken.
Der Ausbau der Kitas und die Ausbildung des Personals soll Priorität sein, eine Schulentwicklungsplanung aufgesetzt, der schulische Ganztag ausgebaut werden. Die Berufsorientierung wollen die Grünen verbessern durch Partnerschaften mit Unternehmen, Handwerk und Hochschulen.
Sicherheit und Beteiligung
Die Grünen setzen auf Stadtteilzentren als Anlaufstellen für Ehrenamt und Nachbarschafts- und Vereinsprojekte. Bei städtischen Bauvorhaben soll es „echte Beteiligung“ mit transparenten und partizipativen Prozessen geben.
Extremismus und Islamismus wollen sie zurückdrängen durch Prävention und Bildung. Zur Bekämpfung von Kriminalität setzt die Partei auf eine Vernetzung von Polizei, Ordnungs- und Jugendamt mit weiteren Behörden lokalen Akteuren und den Ausbau digitaler Meldewege für die Bürger. „Stadtteil-Lotsen“ der Verwaltung sollen in den Bezirken die Sichtbarkeit von Stadt und Staat verbessern.
Sebastian Ritter kandidiert für das Amt des Oberbürgermeisters. Als einer der drei ehrenamtlichen Vertreter des OB war der Ratsherr der Grünen bereits in der nun endenden Wahlperiode tätig.
© FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka
Kultur und queeres Leben
Die Grünen unterstützen Neubau oder Sanierung des Stadttheaters, zuvor soll es einen Beteiligungsprozess zur Entwicklung eines „inklusiven Nutzungskonzepts“ geben, das auch die freie Szene einbindet. Sie soll mehr Raum für kreative Projekte bekommen. Stärken will die Partei auch die Kinder- und Jugend- und Soziokultur sowie wie die postmigrantische Kultur.
Für die queere Community wünschen sich die Grünen ein Zentrum. Der geschützte Raum für Austausch, Unterstützung und Sichtbarkeit soll der Aufklärung und Bekämpfung von Vorurteilen dienen und könnte auch andere Beratungs- und Hilfsangebote beherbergen.
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Arbeit, Integration, Wirtschaft und Digitalisierung
Die Grünen fordern den Ausbau von Information, Beratung, Bildungsangeboten und Kooperation zwischen Verwaltung, Unternehmen und Ehrenamt, um Zugewanderte und Geflüchtete möglichst schnell in Arbeit zu bringen. Die Ausländerbehörde soll zu einem Service- und Beratungszentrum werden und Anträge sollen vereinfacht werden.
Duisburg soll auf die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) setzen, um die kommunale Wirtschaftsstruktur zu verbessern und sich für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen. Die Partei steht zum Industriestandort und zur Stadt als Dreh- und Angelpunkt der Waren- und Güterströme und unterstützt die Transformation zur Klimaneutralität der Wirtschaft. Neue Ansiedlungen sollen durch die Revitalisierung von Brachen ermöglicht werden. Wasserstoffforschung, erneuerbaren Energien und Digitalwirtschaft wollen die Grünen durch gemeinsame Innovationslabore mit der Uni Duisburg-Essen (UDE) unterstützen. Durch eine konsequente Digitalisierung soll Duisburg „fit für die Zukunft“ werden.
>> SO HABEN WIR ANALYSIERT
Für unsere Zusammenfassung der Wahlprogramme haben wir uns folgende Kriterien gesetzt:
• Inhaltliche Relevanz. Bei der Kommunalwahl geht es um die Zukunft der Stadt. Wir haben daher nur Positionen wiedergegeben, die sich auf diese Zukunft beziehen. Zusammenfassungen bereits gefasster Beschlüsse oder dessen, was eine Partei in der Vergangenheit erreicht haben möchte, lassen wir an dieser Stelle bewusst aus.
• Zuständigkeit der Stadt Duisburg. Am 14. September geht es um das, was die Parteien in Duisburg tatsächlich umsetzen können. Deshalb geben wir keine Ziele wieder, deren Erreichbarkeit von Landes- oder Bundespolitik abhängt.
• Eigene Leistung. Ziele, für deren Umsetzung es Fördermittel geben muss oder für die sie bereits angekündigt sind, lassen wir aus. An dieser Stelle soll’s um das gehen, was die Parteien selber erreichen können.
• Konkrete Ideen. In jedem Wahlprogramm finden sich Sätze, dass Duisburg besser, schöner, sauberer werden soll. Allgemeinplätze dieser Art haben daher in unserer Zusammenfassung keinen Platz. Stattdessen fassen wir die konkreten Ideen der jeweiligen Parteien zusammen, die sie zum Wie formuliert haben.
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Als Konsequenz fallen unsere Zusammenfassungen der Wahlprogramme unterschiedlich lang und unterschiedlich konkret aus. Darin spiegelt sich keine politische Präferenz, sondern die Ausgestaltung des jeweiligen Wahlprogramms.