Fundbüro am Flughafen: Was Fluggäste am Airport Stuttgart so alles verlieren Die Brillenkiste im Fundbüro des Airports füllt sich regelmäßig, weiß Martin Stoll, der dort für die Fundsachen zuständig ist. Foto: Natalie Kanter

Brillen liegen zuhauf in den Regalen und Kisten des Fundbüros am Stuttgarter Flughafen. Die Mitarbeiter der Flughafenwache kümmern sich aber auch um ganz andere Fundsachen.

Ein blauer Koffer wird am Donnerstagmorgen ins Fundbüro des Flughafens gebracht – das zur Flughafenwache gehört. Die Polizei hat den Trolley zuvor überprüft. Filiz Alhan, Mitarbeiterin der Wache, zieht dennoch Schutzhandschuhe an, bevor sie den Koffer öffnet. Schließlich könnten spitze Gegenstände darin sein. Mehrere Herrenpullis und etwas Müll kommen zum Vorschein.

Ihre Kollegin Helma Glaser protokolliert das Ganze, füllt das Übergabeprotokoll aus. Der Koffer bekommt einen Barcode – wie jedes Fundstück, das hier aufgenommen wird. Er wird in einem Computerprogramm erfasst, mitsamt seinem Lagerort für die nächsten Wochen: der Schließfachanlage. Dokumentation ist ganz wichtig im Fundbüro. Nur so gibt es eine Chance, dass verlorene Dinge zurück zu ihren Besitzer gelangen. Die Verlierer können auch eine Suchanfrage auf der Fund-Webseite stellen.

Kinderwagen werden auch gerne stehen gelassen am Flughafen Stuttgart Filiz Alhan räumt im Fundbüro mit Spezialhandschuhen einen herrenlosen Koffer aus. Foto: Natalie Kanter

Ob der Trolley wirklich verloren oder bewusst stehen gelassen wurde, ist offen. Vielleicht wollte sich der Fluggast auch zusätzliche Gepäckkosten sparen. „Kinderwagen, die defekt sind, werden auch gerne stehen gelassen“, berichtet Martin Stoll und muss es wissen. Er ist Schichtleiter in der Wache und zuständig für das Ressort Fundsachen. Zippo-Feuerzeuge, die an der Sicherheitskontrolle abgegeben werden müssen, landen im Fundbüro des Airportes. Genauso wie Motorsägen oder Motoröl, die gar nicht so selten bei Reisenden im Gepäck gefunden werden. Zu den Fundsachen gehören auch Fahrräder, die teils über Monate am Radabstellplatz stehen und nicht mehr bewegt werden.

„Mit E-Zigaretten könnten wir schon einen Handel aufmachen“, sagt Thomas Gallai, der sich wie Martin Stoll bestens mit Fundsachen auskennt und öffnet dabei eine bis fast nach oben gefüllte Plastikkiste. Einmal wurde am Airport auch eine Plastiktüte mit sehr viel Bargeld gefunden. „Der Verlierer ist ganz aufgelöst zu uns gekommen. Er wollte sich mit dem Geld ein Auto kaufen“, sagt Gallai. In einem der Schränke steht seit kurzem auch ein Mixer. Diesen wollen die Reisenden nach ihrer Rückkehr wieder abholen. Lebensmittel, die sich mitunter in Fundkleider-Stücken finden, werden entsorgt. „Medikamente bekommt die Feuerwehr, die sie vernichten muss“, sagt Thomas Gallai.

80 Fundbrillen in einem Monat wurden am Flughafen Stuttgart vergessen Dieser Fundstoffhase sitzt seit acht Jahren im Büro von Teamleiter Bernd Wiegratz. Foto: Natalie Kanter

In den Terminals bleiben sehr viele Sonnen- und Lesebrillen liegen. Und zwar nicht nur in den Sommerferien, sondern das ganze Jahr über. Martin Stoll hat schon 80 Fundbrillen in einem Monat gezählt. In der Rangliste der meisten Fundstücke folgen kabellose Kopfhörer, dicht hinter den Brillen. In den Regalen und Schränken des Fundbüros liegen aber auch jede Menge Gürtel, Uhren und Ringe. Letztere werden zum Händewaschen abgestreift und im Anschluss nicht mehr an den Finger gesteckt. „Die Leute sind eben aufgeregt“, sagt Martin Stoll. Wie Fluggäste aber ihre Handys oder Laptops verlieren können, das kann er nicht nachvollziehen. Doch auch diese Geräte finden sich vielfach im Fundbüro.

Glück im Unglück hatte zuletzt ein junger Mann, der in England studiert, berichtet Bernd Wiegratz, der Teamleiter der Flughafenwache. Der Student hatte seinen Laptop samt einer wichtigen Arbeit für die Uni kurz vor dem Abflug am Stuttgarter Flughafen liegen gelassen und rief dann einen Tag später auf der Flughafenwache an. Ein Mitarbeiter, der zufällig am nächsten Tag nach England reisen wollte, hat ihn den Computer dann nach London mitgebracht. So konnte der Student die Arbeit seinem Dozenten doch noch rechtzeitig überreichen.

Bei gefundenen iPhones überprüft die Polizei, ob was Gestohlenes dabei ist, erläutert Thomas Gallai. Echte Dramen haben die Mitarbeiter der Wache schon mit Kindern erlebt. „Das Kind einer amerikanischen Familie hatte sein Plüschtier verloren“, sagt er. Als es dann in einen der Terminals gefunden wurde, haben es die Mitarbeiter noch spät abends zu der Familie in die Kelley Barracks nach Stuttgart-Möhringen gefahren. Für die Familie sei die Nacht damit gerettet gewesen. Verlorene Golfschläger hat das Team der Wache schon an den Stuttgarter Bahnhof gebracht, weil die Reisenden von dort aus mit Zug weiterfahren wollten. „Wir helfen, wo wir können“, sagt Thomas Gallai. „Allerdings nur, wenn die Fluggäste freundlich sind.“

Diese Fundsachen gingen vor wenigen Tagen ans Fundbüro nach Leinfelden-Echterdingen. Foto: privat/Bernd Wiegratz/Flughafenwache „Bitte fliegen Sie uns unseren Hasen hinterher“

Ein echter, noch ziemlich junger Hase wurde auch schon am Airport sitzen gelassen. Die Besitzer waren kurz zuvor nach Texas geflogen. Auf der Box des Tieres klebte ein Zettel mit der Aufschrift: „Bitte fliegen sie uns unseren Hasen hinterher.“ Diesen Service konnte die Flughafenwache nicht leisten. Das Tier kam zu einer örtlichen Tierschutzorganisation.

Ein Hase aus Stoff, den ein Kind einst verloren hat, sitzt seit gut acht Jahren im Büro von Bernd Wiegratz. „Weil er so ein liebes Gesicht hat“, erklärt er. Um den Chef zu ärgern, haben die Kollegen das Tier schon ein paar Mal versteckt. Schlussendlich wurde der Hase aber immer wieder gefunden.

Bis zu 300 Fundsachen pro Woche

Lagerfläche
Bei der Security der Flughafenwache gehen im Monat bis zu 300 Fundsachen ein, die dort zunächst gelagert werden. Dazu gibt es auch ein großes Lager im Keller des Terminals 1. Wieder abgeholt wird nur das Wenigste. Die Mitarbeiter des Fundbüros sind allein für Gegenstände, die in den Terminals liegen geblieben sind, zuständig. Was im Flugzeug oder in den Zubringerbussen verloren wird, geht in die Fundbüros der Airlines.

Kontakt
Vier Wochen bleiben wertvolle Fundsachen zunächst noch am Flughafen. Dann werden die Gegenstände ins Fundbüro nach Leinfelden-Echterdingen gefahren, wo sie nach einem halben Jahr entsorgt oder versteigert werden. Gegenstände, die nur einen geringen oder individuellen Wert haben, und nicht abgeholt werden, werden nach zwei, bis drei Wochen entsorgt. Das Fundbüro der Flughafenwache ist unter Telefon: 0711/948-3362 zu erreichen.