Der Karlsruher Literaturprofessor Hansgeorg Schmidt-Bergmann sitzt in der Museumsbibliothek.

Der Karlsruher Literaturprofessor Hansgeorg Schmidt-Bergmann ist am Mittwoch abrupt aus dem Leben gerissen worden. Seine Frau ist fassungslos und zugleich zutiefst gerührt angesichts der großen Anteilnahme.

Foto: Uwe Anspach/dpa

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Hansgeorg Schmidt-Bergmann ist vollkommen unerwartet und plötzlich mitten aus dem Leben gerissen worden. Im Alter von 69 Jahren ist er am 3. September zu Hause in Karlsruhe gestorben.

Wie seine Frau Annette Ludwig im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt, hatte er noch unglaublich viele Pläne und Projekte in der deutschen Literaturlandschaft in Vorbereitung. „Die Literatur war sein Lebenselixier“, sagt seine Frau.

So war Professor Schmidt-Bergmann bis zuletzt Kuratoriumsvorsitzender der Deutschen Schillerstiftung Weimar, Vorsitzender der Badischen Bibliotheksgesellschaft und Professor für Neuere Deutsche Literatur am KIT Karlsruhe. Er saß in diversen Jurys für Literaturpreise und hielt international Vorträge.

Nicht zuletzt hat er in Karlsruhe die Literarische Gesellschaft als geschäftsführender Vorsitzender in den vergangenen Jahrzehnten zu einer der führenden Europas entwickelt und das Literaturmuseum am Oberrhein im Prinz-Max-Palais nach vorne gebracht.

Die Literatur war sein Lebenselixier.

Annette Ludwig

Ehefrau und Kunsthistorikerin

Mit ihm verliert Karlsruhe neben dem früheren ZKM-Vorstand Peter Weibel und dem früheren Direktor des Badischen Landesmuseums Harald Siebenmorgen eine weitere herausragende Persönlichkeit der Stadtgesellschaft, deren Verlust nur schwer zu ersetzen ist.

Seine Witwe Annette Ludwig ist vollkommen fassungslos über den unerwarteten Schicksalsschlag, den sie hinnehmen muss und sehr berührt, von der übergroßen Anteilnahme von Freunden ihres Mannes, Weggefährten und Schriftstellern, die sie zur Stunde erfährt. „Sein Netzwerk ist überwältigend“, sagt Annette Ludwig.

Hansgeorg Schmidt-Bergmann war befreundet mit vielen bedeutenden Schriftstellern

Professor Schmidt-Bergmann war mit vielen Literaten befreundet, unter anderem auch mit Martin Walser, wie seine Frau erzählt.

Schmidt-Bergmann hat viele literarische Persönlichkeiten im Rahmen der von ihm ins Leben gerufenen Literaturtage und für Lesungen nach Karlsruhe gebracht, unter anderem auch den Literaturnobelpreisträger Günter Grass.

Der Literaturkenner Schmidt-Bergmann war bis zuletzt Mitglied in Jurys bedeutender Literaturpreise, etwa des Schiller-Gedächtnispreises, des Johann-Peter-Hebel-Preises und des Grimmelshausen-Preises. Der Hermann-Hesse-Preis der Stadt Karlsruhe ist alle zwei Jahre unter seiner Mitwirkung vergeben worden.

Der 1956 im schleswig-holsteinischen Bad Oldesloe geborene Germanist Hansgeorg Schmidt-Bergmann wurde 1998 von dem Rilke-Experten Jacob Steiner, ehemals Präsident der Rilke-Gesellschaft, an die Universität Karlsruhe geholt.

Schmidt-Bergmann war unheimlich belesen: Er studierte Germanistik, Politikwissenschaft und Philosophie an den Universitäten Marburg und Frankfurt am Main. Bereits jung hat er seinen Doktortitel erhalten.

Literatur am Oberrhein international verankert

Seine Doktorarbeit schrieb er 1983 in Marburg, habilitiert wurde er in Karlsruhe 1990, ehe er ins Ausland ging. Schmidt-Bergmann hatte Gastprofessuren in Bari, Bratislava, Marburg, Wien und Paderborn inne. Er war außerdem Herausgeber der Schriften Hugo von Hofmannsthals, Arthur Schnitzlers, Otto Flake und Johann Peter Hebels.

Seit mehr als 25 Jahren führte Schmidt-Bergmann auch als Literaturprofessor am Institut für Germanistik des heutigen Karlsruher KIT Generationen Studierender an die große deutsche Literatur heran. Über die deutsche Literatur hinaus war ihm, der zuvor an der Universität in Bari (Italien) gelehrt hat, die Avantgarde-Literatur und die internationale Literatur wichtig.

In Karlsruhe hat sich Schmidt-Bergmann besonders hervorgetan, indem er die vor bald 30 Jahren (seit 1998) doch relativ unscheinbare Literarische Gesellschaft so groß gemacht hat, dass sie inzwischen als kleine Schwester der Deutschen Schillergesellschaft und des Deutschen Literaturarchivs Marbach gehandelt wird – und über Karlsruhe und Baden-Württemberg hinaus großes Ansehen genießt.

Gegen das Ausbluten der Kultur gekämpft

Bis zuletzt hat Schmidt-Bergmann als geschäftsführender Vorstandsvorsitzender für die Unterstützung „seiner“ Literarischen Gesellschaft in Karlsruhe durch die Politik und für eine notwendige Sanierung des Museums für Literatur am Oberrhein im Prinz-Max-Palais gekämpft.

Angesichts der besonderen Originale, die das Literaturmuseum in Karlsruhe beherbergt, sollte es seiner Ansicht nach auch als Haus moderne Museumsstandards erfüllen.

Auf einer seiner letzten Pressekonferenzen bei den vergangenen Literaturtagen Karlsruhe hat Schmidt-Bergmann angesichts der Kürzungsbestrebungen und der geplanten Einsparungen finanzieller Mittel vor dem Ausbluten der Literarischen Gesellschaft und der oberrheinischen Literatur gewarnt. Dennoch hat er zum 100-jährigen Bestehen der Literarischen Gesellschaft im vergangenen Winter noch einen großen Festakt zusammen mit seinem Team gestemmt.

Er war fleißig, klug und strukturiert.

Annette Ludwig

Ehefrau und Kunsthistorikerin

Trotz all der vielen herausfordernden Aufgaben ist Hansgeorg Schmidt-Bergmann ein positiver Mensch gewesen, der mit viel Freude an seine vielen Aufgaben herangegangen ist. „Er war fleißig, klug und strukturiert“, sagt seine Ehefrau.

Er pflegte den Austausch mit vielen Menschen. Auf diese Weise hat er sich auch der Jugend nicht nur als Professor, sondern auch als Förderer in der Stadt hervorgetan. Dass die Jugend literarisch am Ball bleibt, war ihm ein besonderes Anliegen.

Anlässlich des Festakts zum 100-Jährigen der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe betonte Schmidt-Bergmann in seiner Rede, dass es zu den Aufgaben der Gesellschaft gehöre, nicht nur, die literarische Tradition zu vermitteln, sondern auch, die Sprach- und Lesekompetenz zu stärken. „In der Krise liegt die Chance, dass Vereine wie unserer als außerschulische Orte des Lernens gestärkt werden“, erklärte er damals.

In seiner knapp bemessenen Freizeit gehörte zu Schmidt-Bergmanns Hobbys natürlich das Lesen. Er hat die Neuerscheinungen der deutschen und internationalen Literatur geradezu verschlungen, war stets auf dem Laufenden im Literaturbetrieb. „Er war aber auch ein Freund der Kunst“, betont Annette Ludwig, die selbst Kunsthistorikerin ist. Auch über die Bildende Kunst habe sie mit ihrem Mann einen anregenden Austausch gehabt.

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