Stand: 05.09.2025 21:30 Uhr

Luba und Myhasyk, zwei Braunbären, sind von Tierschützern aus der Ukraine gerettet und in das Tierschutzzentrum Weidefeld in Kappeln gebracht worden. NDR Reporterin Mandy Schmidt hat sie begleitet.

von Mandy Schmidt

Wir starten in Kappeln mitten in der Nacht. Knapp 1.300 Kilometer liegen vor uns und – was ich bis zu dem Zeitpunkt nicht weiß – eine Zerreißprobe für unsere Nerven, unsere Geduld und auch die Hoffnung, die beiden Bären Luba und Myhasyk zu retten.

Bären für Touristenzwecke dressiert

Luba wurde in der Ukraine als Baby ihrer Mutter entrissen und zu Kunststücken im Zirkus gedrillt. Myhasyk diente als Fotobär. Touristen konnten ihn sich als Baby auf den Schoß setzen, bis er zu gefährlich und in einem winzigen Stahlkäfig weggesperrt wurde. Beide sind auf Medikamente angewiesen und zeigen Verhaltensauffälligkeiten. Im Tierschutzzentrum Weidefeld (Kappeln, Kreis Schleswig-Flensburg) sollen sie künftig artgerecht und sicher leben können.

Rettung steht immer wieder auf der Kippe

Die Vorbereitung für die Rettung hat nicht weniger als zehn Monate gedauert. Der eigentliche Transport wird von einer holländischen Spezialfirma durchgeführt. Sie werden bis hinter Kiew fahren, wo Luba und Myhasyk vorübergehend in einer Bären-Auffangstation wohnen. Wenn sie in einem sicheren Zuhause sind, können in der Ukraine die nächsten Bären aus unsachgemäßer Haltung oder Tierquälerei befreit werden.

Der Transport über die Grenze ist eine logistische Herausforderung, weil es eine Einreise von streng geschützten Tieren eines Drittlandes in die EU ist. Jede Rettung sei „anders“ und in diesem Fall eine heftige Herausforderung, erzählt mir Patrick Boncourt, der stellvertretende Leiter des Tierschutzzentrums in Kappeln. In gefühlt einhundert Anrufen während der Fahrt versucht er, die Rettung der beiden Bären zu retten – denn die droht gleich einige Male zu scheitern.

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Ein Mann sitzt in einem Auto und telefoniert.

Patrick Boncourt muss unterwegs immer wieder telefonieren, damit die Rettung nicht scheitert.

Während der ersten Hiobsbotschaften in puncto Aus- und Einreise wird Luba schlafen gelegt und verladen. Bei den Behörden scheint es zunächst allein daran zu scheitern, welches Zollamt die Abfertigung übernehmen soll. Patrick Boncourt organisiert sich die Finger wund. Denn wenn die Einreise jetzt scheitert, laufen Genehmigungen ab und eine nächste Rettung wäre erst im kommenden Frühjahr möglich. Wenn überhaupt. Niemand weiß, wie es in dem Kriegsland dann aussieht.

Wir sind kurz vor der Grenze zur Ukraine, aber fahren nicht mehr weiter, sondern warten. Stehen zum zweiten Mal für Stunden auf einem Rastplatz. Patrick Boncourt erfährt: Am Grenzübergang gibt es in dieser Nacht keinen diensthabenden Veterinär – was für eine Katastrophe! Der Tiertransporteur auf ukrainischer Seite wird ungeduldig, ohne grünes Licht an der Grenze wird er umkehren und die Bären wieder ausladen müssen.

Stundenlange Kontrollen und Snacks für die Bären

Ein Braunbär sitzt in einem Käfig.

Trotz der langen Reise geht es den Bären in ihren Stahlkäfigen gut. Bald dürfen sie raus.

Nur über einen persönlichen Kontakt aus vorherigen Rettungen gelingt es nach weiteren fünf Stunden, dass es nun „gut“ aussieht. Wir fahren jetzt die letzten Kilometer zum Grenzübergang Korczowa und entdecken dort unseren Tiertransport, der die ukrainische Grenze reibungslos passiert hat. Jetzt fehlt noch grünes Licht von polnischer Seite: Passkontrolle, Zollanmeldung und dann als letzte Station die Veterinärbehörde. Dieser Part allein soll vier bis sechs Stunden dauern, weil die Papiere bis ins kleinste Detail geprüft werden.

In der Zwischenzeit kontrolliert Patrick Boncourt, wie es den Bären geht in ihren beiden Stahlkäfigen in einem großen weißen Laster. Die Tiere sind riesig, Myhasyks Kopf ist fast so groß wie ein Gymnastik-Sitzball. Seine Tatzen dreimal so groß wie meine Hände. Die Tiere sind erstaunlich entspannt, werden etwas munterer, weil sie nun einen kleinen Mitternachtssnack bekommen: Äpfel, Möhren und Eier. Es ist halb 4 Uhr morgens.

Bären gerettet, Tierschützer erleichtert

Und dann bekommen wir endlich grünes Licht: Der Deutsche Tierschutzbund darf die beiden Bären einführen. Es ist geschafft! Erleichtert gehen wir auf die letzte Etappe, und am Freitagmorgen um 8 Uhr erreicht der Transporter das Tierschutzzentrum Weidefeld.

Bär kommt aus Box

Bärin Luba braucht eine Weile, um sich auf den neuen Stall in Kappeln einzulassen.

Mit einem Radlader wird zuerst Lubas Kiste vorsichtig aus dem Laster gehoben und in die Bärenanlage gefahren. Sie zögert, ist sichtlich mitgenommen von der Reise. Patrick Boncourt erklärt mir, dass sich eben genau daran zeigt, wie verstört und traumatisiert sie ist. Erst mit viel Geduld und Überredungskunst geht sie dann doch in ihren neuen Stall. Ihr Bärenkumpel Myhasyk ist ganz anders: Er springt mit einem gewaltigen Satz aus der Kiste in seinen Stall. Beide werden hier nun einige Tage bleiben und sich akklimatisieren, bis sie raus ins Freigelände dürfen.

Ich erlebe, wie bei allen die Anspannung abfällt. Übermüdet, gezeichnet, aber eben vor allem erleichtert wird ihnen klar: Die Bären sind gerettet. Ich bin beeindruckt, mit wie viel Leidenschaft alle dafür bis an ihre Grenzen und darüber hinaus gegangen sind. Und jetzt heißt es erstmal: schlafen.

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