Jess Walter zeichnet in „Der Engel von Rom“ das humorvolle Porträt eines 21-Jährigen US-Amerikaners, der in Italien Priester werden soll, doch am Ende als Drehbuchschreiber gefeiert wird.
Jack Rigel wohnt in Omaha, Nebraska, kommt aus einer streng katholischen Familie und die Mutter möchte, dass ihr Sohn Priester wird. Doch Jack ist atheistisch und will viel lieber Schriftsteller werden. Als er dann die Gelegenheit bekommt, ein Jahr im Vatikan Latein zu studieren, nimmt seine Fantasie sofort freien Lauf. Tatsächlich bekommt er das Stipendium – unnötig zu erwähnen, dass er trotz seiner Behauptungen weder Latein beherrscht noch Italienisch spricht.
Jess Walter: Der Engel von Rom
Kampa Verlag, 2025, 128 S., 20 Euro
Aus d. Engl. v. Georg Deggerich
Er beschreibt sich selbst als „unfertiges Projekt“ und will diese Gelegenheit nutzen, um den alten, schüchternen Jack vollständig hinter sich zu lassen – und an einem Ort neu anfangen, wo niemand ihn kennt. Noch dazu in Rom, dem Kultur-Paradies schlechthin …
„Ich konnte diesen neuen Jack Riegel praktisch vor mir sehen, wie er den ganzen Tag über in Cafés an seinem Espresso nippte, mit dunkler Sonnenbrille und dem schwarzen Ledermantel (…), Sartre und Nietzsche zitierte und Muratti-Zigaretten rauchte.“
Doch in Rom angekommen, wird Jack schlagartig zurück in die Realität katapultiert und findet sich ohne Geld in einem komplett abgerockten, winzigen Apartment wieder. Er ist mit Abstand der schlechteste in seinem Lateinkurs, schrecklich schüchtern und besitzt noch dazu das außergewöhnliche Talent, sich selbst in die unangenehmsten Situationen zu bringen. Schon nach kurzer Zeit ist er bereit, aufzugeben und seine Mission als gescheitert zu erklären – doch dann nimmt sein Leben eine unerwartete Wendung.
Jack platzt direkt in ein Filmset – und stößt auf den Engel von Rom
Mitten in den Gassen Roms hat Jack plötzlich nur noch Augen für sie: die berühmte italienische Schauspielerin Angelina Amadio, wie sie dort im – merkwürdigerweise stark erleuchteten – Café sitzt. Seine heimliche Liebe, seit er sie auf der Leinwand eines Kinos in seiner Heimat gesehen hat. Angelina Amado ist sein persönlicher Engel von Rom.
Wie in Trance bewegt er sich auf sie zu – und platzt mitten in einen Filmdreh. Doch Sam, ebenfalls Schauspieler und Jack als „Ronnie“ aus einer seiner Lieblingsserien bekannt, hält Jack für einen Freund Angelinas – und dieser kriegt, schüchtern wie er ist, seinen Mund nicht auf, um das Missverständnis aufzuklären.
Jack wird zum scheinbaren Freund, Ronnies Komplizen, Übersetzer, Drehbuchautoren …
Dieser Irrtum ist erst der Beginn, und schon bald häufen sich Missverständnisse und Lügen. Doch jetzt hat Ronnie Jack als Komplizen ausgewählt: Jack wird zu Ronnies persönlichem Übersetzer – ohne Latein oder Italienischkenntnisse.
„Ich habe keine Ahnung, wie ich diesen Teil von Ronnies Rede übersetzte. Ich machte einfach nur Geräusche, die irgendwie Italienisch klangen. (…) dann nickte ich ihm zu, fortzufahren.“
Sie trinken gemeinsam Wodka, Jack trifft nahezu keine Entscheidung selbst, gibt vollständig die Kontrolle ab – und lässt damit seinem Leben voller unerwarteter, unglaublich lustiger Momente freien Lauf. Er stolpert von einer Rolle in die nächste – und hat stets das Glück auf seiner Seite, dass alle Menschen seine Schusseligkeit mit liebevollem Humor aufnehmen.
„Ronnie nickt mir zu, und wir nahmen das erste Glas. (…) Ich kann nicht genug betonen, was für ein frommer katholischer Junge ich bis dahin gewesen war (…) – Gott ergeben im Fleische, wenn auch nicht immer im Geiste.“
Auf diese Art findet Jack seinen ganz persönlichen Weg: Als Ronnie mit seiner Rolle im Drehbuch unzufrieden ist, preist er Jack auch noch als Drehbuchüberarbeiter an – und die zuständigen Personen vertrauen Jack in ihrer Verzweiflung tatsächlich das Skript an. Jack taucht vollständig in die Welt des Films ein – und 20 Jahre später ist er dann wirklich ein erfolgreicher Drehbuchautor. Ein Happy End aus dem Buche also.
Ein Coming-of-Age Roman – jedoch ganz anders als erwartet
„Der Engel von Rom“ wirkt mit dem Aufbruch des 21-jährigen Jacks in einen neuen Lebensabschnitt zunächst wie ein typischer Adoloszenzroman. Autor Jess Walter macht jedoch von Beginn an klar, dass seine Coming-of-Age-Geschichte einem ganz eigenen Muster folgt. Mit viel Humor berichtet er von all den eigenartigen Zufällen, und es ist diese Undurchschaubarkeit, die den Roman zu einem witzigsten und unterhaltsamsten Bücher des Sommers 2025 macht.