Die Fertigungs- und Laser-Experten Prof. Alexander Brosius (links) und Prof. Andrés Fabián Lasagni (rechts neben Uni-Rektorin Prof. Ursula Staudinger) leiten das „2nd Life Metal“-Projekt der TU Dresden. Als Andenken an den Projektstart haben sie dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer eine Art Puzzle geschenkt, das demonstriert, wie sich künftig Laser passende Segmente aus alten Schrottteilen herausschneiden und dann zu größeren Blechen zusammenschweißen. Foto: Heiko Weckbrodt
Blech-Rückgewinnung ohne Schmelzofen und Schrottpresse: Dresdner Uni startet Kreislauf-Projekt „2nd Life Metal Component“
Dresden, 5. September 2025. Ein neues Technologieprojekt der Technischen Universität Dresden (TUD) könnte womöglich auch der krisengebeutelten Autoindustrie in Sachsen neue Geschäftsfelder eröffnen: Im heute gestarteten Forschungsvorhaben „2nd Life Metal Component“ wollen die Teams um die TUD-Professoren Alexander Brosius und Andrés Fabián Lasagni aus alten Autos, Becken und anderen ausgemusterten Dingen ganz ohne Schmelzofen fast neuwertige Bleche aus Stahl oder Alu mit innovativen Verfahren zusammenfügen und sie dann mit Lasertricks aufwerten. Die Siemens-Stiftung fördert
„Die Schrotthändler sitzen auf wahren Schätzen“
Prof. Alexander Brosius, Experte für Fertigungstechnik an der TU Dresden
Diese neue Technologiekette soll Sachsen einen Vorsprung in nachhaltigen „Recycling“ und „Upcycling“ bescheren und für zahlreiche Firmengründungen sorgen. Das Projekt könnte aber eben auch neue Perspektiven für Autofabriken eröffnen. Zu denken ist da beispielsweise an die Volkswagen-Werke in Zwickau, denen die Konzernmutter Autoaufträge entzieht und die Order erteilt hat, sich stattdessen etwas in der Abfallverwertung auszudenken. „Wir sind tatsächlich auch mit VW im Gespräch“, bestätigt Prof. Brosius auf Oiger-Anfrage. Eine richtig große Nummer könnte die Technik aus Dresden auch für die Abfallwirtschaft werden, meint der Professor: „Die Schrotthändler sitzen auf wahren Schätzen“, meint er. Die Vision: Wenn die komplexe Prozesstechnik serienweise ist, könnten die Betreiber die neuen Anlagen auf ihren Schrottplätzen installieren und könnten fortan auch produktionsfähige Bleche verkaufen. Alexander Brosius sieht darin auch einen Beitrag zu sicheren Lieferketten für Europas Industrie, wenn solche Bleche eben auch aus diesen Quellen gleich um die Ecke verfügbar werden – und dies ohne die energieaufwendigen und teuren Schmelzprozesse, die bisher bei Stahl- und Alu-Recyling dominieren.
Aus ausgemusterten Spülen, Autos und anderem Schrott wollen die „2nd Life Metal“-Forscher der TU Dresden wiederverwertbare und aufgewertete Bleche für die Industrie gewinnen – ganz ohne Schmelzofen. Foto: Heiko Weckbrodt
Sachsen wollen bei Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft wieder erste Geige spielen
„Als Ingenieur war ich gleich begeistert, als ich davon hörte“, verriet Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) beim Projektauftakt in Dresden. „Ein tolles Projekt!“
Kretschmer wie auch TUD-Rektorin Staudinger sehen in dem Vorhaben Teil einer längerfristigen Spezialisierung von Sachsen auf Nachhaltigkeit: Es sei bekanntlich der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz in Freiberg gewesen, der 1713 den Begriff und das Konzept der Nachhaltigkeit prägte, als er die abgeholzten Hänge des Erzgebirges vor Augen gehabt habe, erinnert der Ministerpräsident.
Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) auf einer Gedenk-Plakette in Freiberg. Foto: Unukorno, Wikipedia, CC3-Lizenz
„Wird derhalben die gröste Kunst / Wissenschafft / Fleiß / und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen / wie eine sothane [solche] Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen / daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe…“
Auszug aus der „Sylvicultura Oeconomica“ (1713) von Hans Carl von Carlowitz
Leichtbau, Altelektronik, Bauen: TU Dresden hat weitere Großprojekte für Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit gestartet
Diese Perspektive gewinnt heute als „Kreislaufwirtschaft“ auch in der Industrie und gerade in Sachsen wieder an Relevanz. So seien zwei der neuen Exzellenzzentren an der Dresdner Uni kreislaufwirtschaftlichen Themen gewidmet, betont Rektorin Staudinger: „REC²“ beschäftigt sich mit leichter wiederverwertbarer Elektronik, während sich „Care“ dem ressourcensparenden Bauen widmet. Eng verbandelt mit dem „Zweites Leben“-Wiederverwertungsprojekt von Brosius und Lasagni, das sich auf Metalle fokussiert, sei zudem das Circecon-Zentrum in „Schwarze Pumpe“, an dem die Uni Dresden gemeinsam mit weiteren Partnern an neuen Kreislaufprozessen für kunststoffbasierte Leichtbau-Verbundmaterialien forsche. Beide Wissenschaftsteams planen übrigens den Aufbau von Modellfabriken, um die Funktionsfähigkeit ihrer neuen, komplexen Prozessketten zu beweisen.
Uni-Rektorin wittert Chance für nächste Exzellenz-Runde
Konkret beim Metall-Upcycling-Projekt liebäugelt Prof. Staudinger auch mit einer zweiten Projektphase, die eine Prototypenfertigung aufbauen soll, und mit einem neuen Exzellenzzentrum mit diesem Themenschwerpunkt zur nächsten Runde im Exzellenzwettbewerb von Bund und Ländern.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Vor-Ort-Besuch, TUD Auskünfte und Referate Brosius, Kretschmer, Staudinger, Oiger-Archiv, Wikipedia
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