Einer der längsten Tunnel Deutschlands ist gesetzt: In zwei Wochen soll der Bundestag die milliardenteure Anbindung der Gäubahn an Stuttgart 21 besiegeln. Aber wann wird gebaut?

Ist der Pfaffensteigtunnel definitiv in trockenen Tücher? Oder vielleicht doch nicht? Beim letzten fehlenden Baustein des Gesamtprojekts Stuttgart 21, der Anbindung der Gäubahn über den Stuttgarter Flughafen an den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof, hat es in den vergangenen Wochen einen Schlussspurt gegeben. Intensive Lobbyarbeit der Befürworter konterten die Gegner und Skeptiker mit verbliebenen, offenen Fragen.

Grünes Licht vom Haushaltsausschuss

Doch mit dem nun gefassten Beschluss des Haushaltsausschusses des Bundestages, dass für das Projekt 1,69 Milliarden Euro in den aktuellen Etat eingestellt werden, ist die Ziellinie überschritten. Die Verabschiedung des Verkehrshaushalts im Bundestag in der Sitzungswoche vom 15. bis zum 18. September gilt jetzt noch als Formsache.

„Dies macht den Weg für den Pfaffensteigtunnel nunmehr frei“, sagt der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU), der sich in jüngster Zeit mit Äußerungen zurückgehalten hatte. Für Stuttgart ist der im Rahmen von Stuttgart 21 vertraglich in irgendeiner Weise vorgeschriebene Anschluss der Gäubahn zentral, um im Frühjahr 2027 den finalen Abbau der oberirdischen Gleisanlagen am bisherigen Hauptbahnhof beginnen zu können. „Dieses Zukunftsprojekt muss auch unter neuer Führung der Deutschen Bahn höchste Priorität haben“, sagt Nopper.

Die CDU-Abgeordneten, die das Projekt schon vor zwei Wochen für gesetzt erklärt hatten, als es im Haushaltsentwurf der Regierung auftauchte, sehen sich nun bestätigt. Die Bundesregierung könne ab sofort vertragliche Verpflichtungen für den Pfaffensteigtunnel eingehen, schreiben die Landtagsabgeordneten Matthias Miller (Böblingen-Sindelfingen) und Sabine Kurtz (Leonberg-Herrenberg) zusammen mit ihrem Böblinger Bundestagskollegen Marc Biadacz: „Der Abschluss einer Baufinanzierungsvereinbarung ist damit gesichert.“

Der Tunnel stand im Haushalt in Konkurrenz mit anderen, bisher nicht finanzierten Projekten. „Man muss unterstreichen, dass es der Tunnel als Neubauprojekt in den Haushalt geschafft hat, obwohl aktuell der Schwerpunkt auf Erhaltungsmaßnahmen liegt“, sagt Steffen Bilger, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU und Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete. Und Alexander Lahl, Regionaldirektor des Verbands Region Stuttgart, zeigt sich erleichtert. „Wir begrüßen ausdrücklich, dass jetzt endlich Klarheit herrscht,“ sagt er.

Grünen-Abgeordneter: Rein politisch durchgezogen

„Politisch scheint der Wille vorhanden, dass nun einfach durchzuziehen“, sagt der Filderstädter Grünen-Abgeordnete Matthias Gastel, der den Tunnel wegen seiner hohen Kosten kritisiert. Nur mithilfe dieses nachträglich hinzu geplanten Projekts habe man sich aus der Zwangslage befreien können, in die man bei Stuttgart 21 durch die drohende Abtrennung der Gäubahn vom neuen Hauptbahnhof geraten sei.

Widerstand der Deutschen Bahn, welche die Kosten laut interner Papiere für knapp eine Milliarde zu niedrig veranschlagt hält, sei wegen der politischen Abhängigkeiten des Unternehmens nicht zu erwarten, sagt Gastel. Den Zeitplan für eine Finanzierungsvereinbarung 2025 und einen Baubeginn 2026, noch vor der einige Monate nach der S-21-Eröffnung geplanten Kappung der Gäubahn, hält er weiterhin für eng.

Gastel verweist auch darauf, dass man Gelder für den Ausbau der anschließenden Gäubahn, der den Tunnel laut Berechnungen erst rentabel mache, nun nicht berücksichtige: „Es wird das gebaut, was unwirtschaftlich ist, und der wirtschaftliche Teil wird weggelassen.“

Die Planfeststellung läuft schon

Aktuell läuft in einem beschleunigten Verfahren bereits die Planfeststellung. Da der Tunnel bergmännisch vorangetrieben werden kann, ist nicht mit massiven Einsprüchen von Anwohnern zu rechnen. Mindestens fünf Jahre bleibt der Anschluss der Gäubahn aus Richtung Schwarzwald und Bodensee aber in Stuttgart-Vaihingen auch bei einem zügigen Baubeginn und -verlauf gekappt.

Kritiker des Projekts wie die „Schutzgemeinschaft Filder“ könnten nur noch nach Angriffspunkten beim Bau und dessen Logistik zu finden versuchen. Mit elf Kilometern Länge wäre der Pfaffensteigtunnel nach der geplanten Fertigstellung 2032 nach dem zurzeit noch im Bau befindlichen Tunnel unter dem Fehmarnbelt, der zweitlängste in Deutschland.