Eine Frau, mit einer Schlange im Gesicht bemalt, hält ein Kunstwerk.

AUDIO: Große Schau im Sprengel Museum ehrt Kunst von Niki, Kusama und Murakami (3 Min)

Stand: 05.09.2025 16:25 Uhr

Vor 25 Jahren schenkte Niki de Saint Phalle dem Sprengel Museum Hannover mehr als 400 Werke. Das feiert das Haus jetzt mit einer Blockbuster-Schau auf rund 2.000 Quadratmetern zusammen mit Werken der japanischen Künstler Yayoi Kusama und Takashi Murakami.

von Agnes Bührig

Zwei muntere, poppig-bunte Zeichentrickfiguren mit übergroßem Kopf, großen Augen und langen Hasenohren, die nach oben abstehen – Kaikai und Kiki sind ein Markenzeichen des 1962 geborenen Takashi Murakami. Als Skulpturen in der Ausstellung „Niki. Kusama. Murakami. Love You For Infinity“ haben sie glatte Körper, wie viele Werke des Japaners.

Seelische Abgründe unter perfekten Oberflächen

Nicht bei allen ist damit Positives verbunden. Das Glatte der Figuren verdecke auch etwas, sagt Paula Schwerdtfeger, kuratorische Assistentin der Ausstellung. „Bei Murakami spielt die japanische, gesellschaftliche Bearbeitung des Zweiten Weltkriegs eine sehr große Rolle“, erklärt sie, „und er sagt, da wurde so viel versteckt, so viel ist verdeckt und es gibt diese glatten Oberflächen. ‚Super-flat‘ nennt er das, also die absolut geschlossenen Oberflächen, die perfekt aussehen, aber darunter rumort es. Da sind die seelischen Abgründe.“

Der vergoldete Penis als Dominanz-Symbol

Zwei große Phallus-Skulpturen im Sprengel Museum Hannover

Phallus-Symbole im Vergleich: links als Mosaik von Niki de Saint Phalle, rechts als goldene Skulptur von Murakami.

„Monster“ ist ein Raum überschrieben, andere der 120 zum Teil großformatigen Werke sind unter Begriffen wie Utopia, Liebe und Sexualität gruppiert. In einem Raum etwa steht da ein rund zwei Meter hoher, goldglänzender, erigierter Penis, kreiert von Takashi Murakami: Auf dessen Eichel ist ein Gesicht mit verschmitztem Lächeln zu sehen. Beeindruckende drei Meter hoch ist der phallische Obelisk von Niki de Saint Phalle aus funkelnden Mosaiksteinen – eine Auseinandersetzung mit dem Symbol für männliche Dominanz.

Protest gegen bestehende Rollenbilder

Ein Mann in einem bunten Raum in bunt bemaltem Mantel

Der Künstler Takashi Murakami posiert 2019 in blumiger Kulisse.

Doch Künstlerinnen wie sie, Jahrgang 1930, und ihre ein Jahr jüngere japanische Kollegin Yayoi Kusama mussten darum kämpfen, wahrgenommen zu werden, sagt Kurator Stefan Gronert. „Kusama ist sehr stark in den Bereich der performativen Aktionen gegangen, hat Leute oder auch teilweise sich selbst mit Punkten bemalt und ist dann auch in der Öffentlichkeit aufgetreten, nicht nur in Kunstinstitutionen. Niki hat einen anderen Weg gemacht, allerdings auch sehr stark performativ, weil sie mit ihren Schießbildern sehr viel Aufsehen erregt hat“, sagt Gronert.

Wo Niki de Saint Phalle, die sich selbst schlicht Niki nannte, auf Farbbeutel in Männerfiguren aus Gips schießt und damit gegen bestehende Rollenbilder protestiert, beginnt Yayoi Kusama ungezählte Reihen von Tupfen zu malen – auf Leinwand, Papier und Körper, die sogenannten Polka-Dots. Das Malen hilft ihr, Halluzinationen zu überwinden, unter denen sie schon als Kind litt.

Mit Punkten die Welt auflösen

Ein Raum mit scheinbar unendlich vielen bunten Lampen an Stangen

Das Kunstwerk „Infinity Mirror Room“ von Yayoi Kusama ist ein begehbarer Kubus im Sprengel Museum.

Zugleich ist es ein Sich-Verlieren in der Unendlichkeit, sagt der Direktor des Sprengel Museums, Reinhard Spieler. „Man kann sich selber nirgends mehr verorten. Das ist ein Bild für Tod, für das Aufgehen in der Unendlichkeit, dass die Abgrenzung von einem Individuum und auch von einem Gegenstand nicht mehr funktioniert“, erläutert Spieler. „Leben bedeutet eigentlich, dass ich mich als Individuum noch von der Welt abgrenzen kann. Ich habe eine körperliche Form. Und diese Polka-Dots, dieses Übersäen von allen Gegenständen mit Punkten, das alles einebnet, ist eben das Auflösen von Grenzen“, so der Museumsdirektor.

Selbsterfahrung in der Unendlichkeit

Wie sich das anfühlt, kann man im „Infinity Mirror Room“ im letzten Raum der Ausstellung selbst erleben. An silbernen Stangen leuchten bunte Kugeln in einem begehbaren Kubus´ mit 6 x 6 Metern Grundfläche. Ihr Licht wird an allen Seiten durch Spiegel in die Unendlichkeit vervielfältigt. Das ist hochpoetisch, zugleich ist man stets damit beschäftigt, sich selbst darin wiederzufinden und ist so zurückgeworfen auf sich selbst. Jedem Schönen scheint auch eine Untiefe innezuwohnen.

Ab dem 6. September ist die Ausstellung im Sprengel Museum Hannover geöffnet und läuft bis zum 14. Februar 2026.

Ein Raum mit scheinbar unendlich vielen bunten Lampen an Stangen

Museumsdirektor Reinhard Spieler spricht bei NDR Kultur à la carte über die Ausstellung, die Niki de Saint Phalle, Yayoi Kusama und Takashi Murakami gemeinsam zeigt.

Installation von Yayoi Kusama

Der 95-jährigen Künstlerin Yayoi Kusama war 2021 in Berlin eine große Retrospektive gewidmet. Claudia Christophersen über die japanische Welt der Punkte von Kusama.

Eine Frau, mit einer Schlange im Gesicht bemalt, hält ein Kunstwerk.

Punkte, Penisse und Protest: Niki, Kusama und Murakami im Sprengel Museum

Knallig-bunte Farben, kurvenreiche Figuren und Symbole der Männlichkeit – in Hannover eröffnet die Ausstellung „Love You For Infinity“.

Datum:
06.09.2025, 10:00 Uhr
Ende:
14.02.2026
Ort:

Sprengel Museum Hannover

Kurt-Schwitters-Platz

30169

Hannover

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