Donald Trump wollte von seinem Tod nichts gehört haben. Am Montag stand der US-Präsident im Oval Office vor der versammelten Presse, als er von einem Reporter gefragt wurde, wie er am Wochenende herausgefunden habe, dass er gestorben sei.

Davon wisse er nichts, sagte der durchaus lebendig wirkende US-Präsident. Danach hob er jedoch zu einer Verteidigungsrede an. Mehrere öffentliche Auftritte habe er in den vergangenen Tagen absolviert, die allesamt sehr erfolgreich gewesen seien.

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Dann habe er zwei Tage nichts von sich hören lassen – und schon würden alle fragen, was nicht mit ihm stimme. Und sowieso: Sein Vorgänger Joe Biden habe sich zum Teil über Monate nicht blicken lassen – eine frei erfundene Falschaussage Trumps.

Was sich wie eine weitere skurrile Trump-Episode anhört, hat einen durchaus ernsten Hintergrund. Für mehrere Tage wurde vor allem in den sozialen Medien über die Gesundheit des Präsidenten spekuliert, weil er sich ungewöhnlich lange nicht hatte blicken lassen. Fotos tauchten auf, auf denen der Präsident nicht besonders frisch aussah. Der Auftritt am Montag sollte diese Gerüchte wohl entkräften.

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Doch etwas Bemerkenswertes passierte während Trumps für ihn unüblicher medialer Pause. US-Vizepräsident J.D. Vance gab ein Interview, in dem er zwar die „unglaublich gute Gesundheit“ seines Chefs lobte. Allerdings sagte er auch, wenn etwas Tragisches passieren sollte, könne er sich kein besseres „Training am Arbeitsplatz“ vorstellen, als das, was er in den vergangenen 200 Tagen erhalten habe.

Übersetzt heißt das: Wenn dem Chef was zustößt, stehe ich bereit.

Trump ist der älteste Mann, der je ins Amt eingeführt wurde

Donald Trump ist der älteste Mann (bislang waren es nur Männer), der je in das Amt des US-Präsidenten eingeführt wurde. Zum Zeitpunkt seiner Inauguration im Januar war er 78 Jahre alt. Joe Biden war bei seinem Amtseintritt 2021 zwar im gleichen Alter, jedoch fünf Monate jünger.

Natürlich rückt der jeweilige Vize in einer solchen Situation stärker ins Rampenlicht. Denn was, wenn der Präsident ausfällt oder gar stirbt? Die Nachfolge ist im 25. Zusatzartikel der US-Verfassung geregelt. Sollte Trump versterben oder zurücktreten, würde Vance automatisch nachrücken. Zudem würde Vance bei einem zeitweiligen Ausfall die Geschäfte führen.

Doch selbst wenn der US-Präsident seine Amtszeit beendet: Derzeit scheint es keinen natürlicheren Nachfolger für die Maga-Bewegung (nach dem Trump-Slogan „Make America Great Again“) zu geben als J.D. Vance.

Das liegt auch an der bemerkenswerten Entwicklung, die er durchgemacht hat, seit Trump ihn Mitte des vergangenen Jahres zu seinem Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten machte.

Seine Geschichte verarbeitete Vance in einem Bestseller-Buch

Bekannt wurde der heute 41-Jährige zunächst auf anderem Wege: als Autor. Vance kommt aus einer weißen Unterschichtfamilie. Seine Geschichte verarbeitete er in der Autobiografie „Hillbilly Elegie“, mit der er zum gefeierten Bestseller-Autor wurde. Darin beschreibt er sein Aufwachsen in einem harten, von Gewalt und Drogen geprägten Umfeld.

Er verbrachte seine Kindheit im Bundesstaat Ohio in der ehemaligen Industriestadt Middletown. Es ist das Milieu, das 2015 viele Hoffnungen in Donald Trump steckte – und überwiegend das, das ihn 2016 zum ersten Mal ins Amt des Präsidenten wählte.

Vance selbst schaffte es, sich aus dem Umfeld zu befreien. Er ging zu den US-Marines und studierte später Jura an der renommierten Yale-Universität.

Fortan galt er als Maga-Erklärer, als einer, der dem von Trump schockierten liberalen Amerika die Leute näherbringen konnte, die ihn gewählt hatten.

„Idiot“, „Amerikas Hitler“, „kulturelles Heroin“ J.D. Vance war nicht immer ein Fan von Donald Trump – die besten Zitate

Dabei hielt sich Vance mit seiner Kritik an Trump nicht zurück. Ob dieser „Amerikas Hitler“ sei, fragte Vance sich in einer privaten Konversation auf Facebook mit einem Bekannten 2016. Im gleichen Jahr schrieb er in einem Gastbeitrag für das renommierte Magazin „The Atlantic“, dass Trump „kulturelles Heroin sei“.

Doch in den Folgejahren näherte sich Vance dem vermeintlich verhassten Trump an. Er dachte öffentlich darüber nach, diesen 2020 zu wählen – was er schließlich auch tat. Er schlug nun einen gänzlich anderen Ton gegenüber Trump an, lobte ihn für seine erste Amtszeit.

Und so wurde er 2023 Senator für seinen Bundesstaat Ohio.

Den Sinneswandel erklärte er in einem Interview mit der „New York Times“ im Juni 2024 so: „Wie viele andere Elite-Konservative und Elite-Liberale habe ich mich so sehr auf das stilistische Element von Trump konzentriert, dass ich die Art und Weise, in der er in der Außenpolitik, im Handel und bei der Einwanderung etwas ganz anderes anbietet, völlig ignoriert habe.“

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Kritiker werfen ihm vor, dass er vor Trump den Kotau gemacht habe, um politisch Karriere zu machen – und das geht in der republikanischen Partei seit einigen Jahren eben nur mit Trump.

Doch es half. Im Juli 2024 machte der einst Kritisierte ihn zu seinem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft.

Jasper Trautsch ist außerplanmäßiger Professor und im Nordamerikastudienprogramm der Universität Bonn tätig.

Seitdem profiliert er sich als Scharfmacher. „Er ist ein entscheidendes Sprachrohr der Regierung“, sagt Jasper Trautsch, außerplanmäßiger Professor und im Nordamerikastudienprogramm der Universität Bonn tätig. „Zu vielen politischen Themen – vom Kulturkampf gegen ‚linke‘ Universitäten bis zur Ablehnung kostspieliger militärischer Interventionen – vertritt er ähnliche Standpunkte wie der Präsident.“ 

Die westlichen Partner waren entsetzt von Vance Rede in München

Entsetzt ließ er etwa die internationale Gemeinschaft Anfang des Jahres auf der Münchner Sicherheitskonferenz zurück, als er den Europäern unter anderem Defizite bei der Meinungsfreiheit vorwarf, weil diese sich weigerten, mit Parteien wie der AfD zusammenzuarbeiten. Später traf er sich dann mit der Vorsitzenden der Partei, Alice Weidel.

Den westlichen Partnern in schlimmer Erinnerung bleibt zudem, wie er gemeinsam mit seinem Chef den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Februar im Weißen Haus herunterputzte und dem Staatschef des von Russland angegriffenen Landes Undankbarkeit vorwarf.

Vance, so der Eindruck, der aus den vergangenen Monaten bleibt, ist der natürliche Erbe Trumps. „Er befindet sich derzeit in der Favoritenrolle für die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2028“, sagt Trautsch. „Er genießt Trumps Vertrauen und spielt eine bedeutsame Rolle in dessen zweiter Präsidentschaft. Er wird in zentrale Entscheidungen eingebunden, nimmt an wichtigen Treffen teil.“

Trotzdem es für Vance gut läuft: Am Ende entscheidet Donald Trump (rechts), wer sein Nachfolger wird.

© IMAGO/Pool/ABACA

Dass sich politisch unter einem Präsidenten Vance also viel verändern würde, erscheint unwahrscheinlich.

„Auch unter einem Präsidenten Vance hätten die USA kein Interesse an Demokratieförderung im Ausland, würden Bündnisse nur danach beurteilt, welche unmittelbaren Vorteile sie für die USA haben, und stünden sie kostspieligen militärischen Interventionen außerhalb der westlichen Hemisphäre ablehnend gegenüber“, sagt Jasper Trautsch.

Auch beim Thema Migration dürfte er Trumps Politik fortführen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz kritisierte er die Europäer für die „Massenmigration“, die sie zulassen würden. Im März lobte er Trump an der mexikanisch-amerikanischen Grenze für dessen rigorose Migrationspolitik.

Wenn Trump das Gefühl bekommt, dass Vance an seinem Stuhl sägt, kann seine Unterstützung ganz schnell in Feindschaft umschlagen.

Jasper Trautsch, außerplanmäßiger Professor und im Nordamerikastudienprogramm der Universität Bonn tätig.

„Allenfalls bei der Handelspolitik erscheint es denkbar, dass Vance eine gemäßigtere und zielgerichtetere Linie verfolgen würde“, sagt Trautsch.

Ein Unterschied ist außerdem Vance’ Nähe zu Tech-Unternehmern wie dem Milliardär Peter Thiel, der dessen Wahlkämpfe zum Teil finanzierte. Dem Vernehmen nach ist Vance stark geprägt von dessen Denken, der nach Ansicht vieler Beobachter den Rechtsruck in den USA entscheidend mitbetreibt.

Trump selbst scheint Vance derzeit als seinen Nachfolger auserkoren zu haben. Auf die Frage, ob sein Vize derzeit der offensichtliche Erbe der Maga-Bewegung sei, sagte Trump Anfang August, dass dieser „höchstwahrscheinlich“ der führende Anwärter sei.

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Letztlich wird es aber darauf ankommen, wen Trump zu seinem Nachfolger bestimmt. Denn auch, wenn es derzeit gut für den Vize zu laufen scheint: Die Meinung des Patrons kann sich jederzeit ändern, wenn er sich bedroht fühlt. „Wenn Trump das Gefühl bekommt, dass Vance an seinem Stuhl sägt, kann seine Unterstützung ganz schnell in Feindschaft umschlagen“, sagt Trautsch. „Unterstützt der Präsident Vance 2028, hat er beste Karten, zur neuen Maga-Führungsfigur zu werden.“

Bis dahin wird Vance weiter Trumps Agenda vehement nach außen vertreten – und so versuchen, seinen Chef nicht zu verärgern.