Hälfte der Mitglieder über 60
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So kämpft der Golfsport um seine Zukunft
Sa 06.09.25 | 11:23 Uhr | Von Marc Schwitzky
Bild: dpa/Uwe Anspach
Golf gilt als Sportart der alten, reichen Männer. Auch wenn die Ausrüstung inzwischen günstiger zu haben ist und Golfplätze mit Schnupperkursen locken, spielen kaum junge Leute Golf. Liegt das am Image oder strukturellen Problemen? Von Marc Schwitzky
Der deutsche Golfsport hat ein Problem. An Zahlen zum generellen Zulauf lässt sich das noch nicht direkt ablesen: Laut offizieller Verbandsstatistik steigt die reine Anzahl der gemeldeten Golferinnen und Golfer seit 2015 kontinuierlich an – wenn auch in einem kleinen Rahmen. Vom Jahr 2023 zu 2024 kamen 0,7 Prozent neue Spielerinnen und Spieler hinzu – also 4.582 -, wodurch der Deutsche Golf-Verband bei nun rund 686.000 Mitgliedern steht. Der Verband meldet sogar ein Rekordhoch in seiner 115-jährigen Geschichte.
Das Problem liegt woanders. Denn die Zahlen zeigen auch das auf, was von vielen Menschen klischeehaft über den Sport gedacht wird: Golf ist vor allem der Sport alter Männer. Zwar meldeten sich in den vergangenen Jahren zunehmend Frauen an. Doch auch sie taten es eher spät im Leben. Knapp 300.000 – und damit beinahe die Hälfte aller – Mitglieder ist über 60 Jahre alt.
Der Golfsport hat ein Nachwuchsproblem
Der Anteil der 7- bis 18-Jährigen Mitglieder im Golf-Verband beträgt hingegen nur 6,15 Prozent. Die junge Basis des deutschen Golfsports – und somit auch der Talente-Pool für den Leistungssport – schmilzt seit Jahren: seit 2015 sank die Zahl von 45.400 auf 42.250.
Selbst die 15- bis 35-Jährigen, die den Mittelbau eines Sports bilden, machen mit 105.247 lediglich rund 15 Prozent aus. Zwar gab es lediglich ein kleines Zwischenhoch in der Corona-Zeit, als Golf als eine der ganz wenigen Sportarten ausgeübt werden durfte.
Wegener-Wenzel: „Junge Menschen kommen nur tröpfchenartig“
Auch in Berlin-Brandenburg sehen die Zahlen alles andere als gut aus. „Wir sind nicht jünger geworden, wir haben dieses Jahr etwa zehn Prozent an jungen Mitgliedschaften verloren“, sagt Roderich Wegener-Wenzel, Geschäftsführer des Golfverbands Berlin-Brandenburg, im Gespräch mit rbb|24. „Wir müssen leider feststellen, dass wir zu den eher älteren Sportarten in Deutschland gehören.“ Und er führt aus: „Junge Menschen kommen nur tröpfchenartig in den Golfsport.“
In Berlin und Brandenburg sind 27.600 Mitglieder organisiert, knapp 11.00 davon sind über 60 Jahre alt, nur 5.140 zwischen sieben und 35 Jahren. Als Gründe werden oft das schlechte Image des Sports genannt, oder auch Golfclubs, die durch ihre Exklusivität verprellen.
Golfclub Berlin-Pankow geht einen anderen Weg
Unterhält man sich mit Golferinnen und Golfern, können diese meist sehr schnell Clubs nennen, die nach ihrem Eindruck elitär wirken. „Es gibt auch Golfclubs, wo man sehr klar zu spüren bekommt, dass man nicht erwünscht ist“, erzählen gleich mehrere während der rbb-Recherche.
Dass es auch anders gehen kann, zeigt ein Besuch beim Golfclub Berlin-Pankow. Hier gibt es schon auf den ersten Blick keine Barrieren. Der Platz ist frei zugänglich, jeder kann sich völlig frei bewegen. Clubmanager Paul Wagmüller beteuert, dass auf dem Gelände zwischen Blankenburg und Malchow jeder gleich behandelt wird. „Bei uns kann man direkt loslegen. Wir haben hier ja auch keinen Marmorpalast. Bei uns steht der Sport im Vordergrund, nicht das Sehen und Gesehen werden“, sagt Wagmüller. Das bodenständige Ambiente käme bei der Jugend sehr gut an.
Tatsächlich laufen auf dem Gelände recht viele jüngere Menschen herum, das Altersspektrum ist breit gefächert. Es ist ein freundliches Miteinander zwischen Jung und Alt. Man kennt sich hier. Viele Eltern spielen zusammen mit ihren Kindern. Zwischen Clubhaus und dem Grün liegen nur wenige Meter.
Der Golfsport will sich öffnen
Pankow verfolgt das Konzept, ein Golfclub für alle zu sein. Es stünden nicht nur die Mitglieder im Vordergrund, sagt Wagmüller, „der Golfsport soll für jeden zugänglich gemacht werden bei uns auf der Golfanlage“. Es gebe beispielsweise im Gegensatz zu anderen Clubs keine Startzeiten, die Tage vorher festgelegt werden müssten. Diese Niedrigschwelligkeit würde dazu führen, dass junge, eher spontane Menschen immer wieder kommen. Die Mundpropaganda funktioniert offensichtlich: „Wir haben in unseren 20 Jahren noch nie Außenwerbung machen müssen“, so Wagmüller.
Der Platz des Golfclub Berlin Pankow (Foto: rbb/Marc Schwitzky)
Dem Golfsport im Allgemeinen geht es anders. Er ringt um die Aufmerksamkeit junger Menschen – und versucht, sich zu öffnen. So werden seit ein paar Jahren in nahezu allen Golfclubs öffentliche Golfplatzbereiche angeboten. „Niemand muss mehr zwingend Mitglied in einem Klub werden, um Golf spielen zu können, man kann sich in diesen freien Bereichen einfach mal ausprobieren“, so Wegener-Wenzel, Geschäftsführer des Golfverbands Berlin-Brandenburg. Darüber hinaus betreibt der deutsche Golfverband die Initiative „Abschlag Schule“, durch die unter anderem jedes Jahr 30 Schulprojekte in Brandenburg gefördert werden, um Schulkinder auf den Golfplatz bekommen.
„Auch zeitlich haben wir uns angepasst, indem wir ‚After Work Spiele‘ anbieten, die nur 9 statt 18 Löcher beinhalten und so wesentlich kürzer dauern. Wir haben viele Hindernisse der Vergangenheit abgeschafft“, erklärt Wegener-Wenzel. Auch wenn zum Beispiel das Thema Social Media laut Wagmüller beim Golf noch in den Kinderschuhen stecke – anders formuliert: Der Sport ist oft gar nicht vertreten und wenn doch, dann zumeist altbacken präsentiert.
Doch einige Hindernisse bleiben – besonders für Jugendliche: Der Golfsport ist für viele zu teuer. Auch wenn zumindest das Hineinschnuppern merklich günstiger geworden ist. „Interessenten haben die Möglichkeit, Golf einmal auf einer Driving-Range (Übungsanlage) auszuprobieren. Hier kann jeder für etwa einen Euro ein Schläger ausleihen und für eine kleine Gebühr die Übungsanlage nutzen“, sagt Wegener-Wenzel vom Golfverbands Berlin-Brandenburg. „Wer den Sport weiter betreiben will, kann zum Beispiel auf Ebay gebrauchte Golfschläger schon für circa 150 bis 200 Euro bekommen.“
In Pankow kostet der zweistündige Schnupperkurs, in dem die Grundlagen vermittelt werden, 35 Euro pro Person. „Von zehn Leuten, die den Schnupperkurs besuchen, bleiben geschätzt drei Personen irgendwie im Golfsport hängen“, sagt Clubmanager Wagmüller.
Doch wer den Sport langfristig betreiben will, muss im Vergleich zu anderen Sportarten weiterhin tief in die Tasche greifen. Eine qualitativ hochwertiges Schlägerset für mehrere Jahre kostet weit mehr als die erwähnten 150 bis 200 Euro. Für die „Platzreife“ – sprich: den Nachweis, die Regeln und Etikette zu kennen – wird (unterschiedlich viel) Geld fällig. Die Platzreife ist meist die Voraussetzung dafür, überhaupt auf Golfanlagen spielberechtigt zu sein.
Wer Mitglied in einem Club werden will, um stets auf den Platz zu können, zahlt jährlich zwischen 1.500 und 2.500 Euro. Hier kommt eine Summe zusammen, die – besonders in Zeiten der Inflation – für viele Menschen nicht zu bezahlen ist. Erst recht nicht für junge.
Eine weitere Hürde ist die schlechte Verkehrsanbindung von Golfplätzen. „Dieses Problem können wir kaum lösen, unsere Anlagen mit teils knapp acht Hektar Fläche können nicht in Ballungsgebieten stehen“, erklärt Wegener-Wenzel. So sind sie selten ohne Auto zu erreichen.
„Die ÖPNV-Anbindung ist unheimlich wichtig, um junge Menschen anzuziehen. Da haben wir einen Standortvorteil“, erklärt Pankows Clubmanager Wagmüller. Doch selbst Pankow liegt am Stadtrand und verlangt zum Schluss noch einen Fußmarsch von mehreren Hundert Metern.
Hohe Preise, zu exklusiv gehaltene Golfclubs, schlechte Anbindung der Plätze: genügend Gründe für Kinder und Jugendliche, einen anderen Sport zu wählen – und genügend Gründe, den Golfsport weiter zu öffnen.
Beitrag von Marc Schwitzky