Pest, Kohle, Comeback: Dortmunds Bevölkerung erlebte dramatische Wendungen. Heute leben 614.495 Menschen in der Stadt – ein neuer Rekord im 21. Jahrhundert.
Mit 614.495 Einwohnern erreichte Dortmund 2024 einen neuen Höchststand im 21. Jahrhundert und schreibt damit ein weiteres Kapitel in der über 1.100-jährigen Geschichte einer Stadt, deren Bevölkerungsentwicklung wie ein Seismograf die großen gesellschaftlichen Umbrüche Deutschlands widerspiegelt.
Doch der Weg war alles andere als gradlinig. Der absolute Höchststand liegt bereits fast 60 Jahre zurück: 1965 erreichte die Stadt mit rund 658.000 Bürgern ihren historischen Rekord, als Stadtplaner sogar von einer künftigen Millionenmetropole träumten.
Die Stadtgeschichte Dortmunds reicht weit ins Mittelalter zurück – bereits 882 wurde eine Siedlung namens „Throtmanni“ erstmals urkundlich erwähnt. Im 14. Jahrhundert galt Dortmund mit schätzungsweise 7.000 Einwohnern als eine der wichtigsten Hansestädte. Um 1300, während der Zeit der Hanse, zählte Dortmund mit den benachbarten Städten Köln und Soest zu den größten Städten auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik. Historiker gehen von 6.000 bis 10.000 Einwohnern aus. Für mittelalterliche Verhältnisse sind dies beeindruckende Zahlen, wenngleich sie auch unsicher sind, da die Bevölkerungszahl noch nicht systematisch erfasst wurde.
Diese frühe Blütezeit verdankte Dortmund seiner strategischen Lage an wichtigen Handelswegen und dem wirtschaftlichen Erfolg seiner Fernkaufleute, nachdem die Siedlung 1220 zur Reichsstadt erhoben worden war.
Der große Einbruch: Pest und Kriege
Was folgte, war ein jahrhundertelanger demografischer Absturz. 1350 näherte sich die Pest, die europaweit 40 Prozent der Bevölkerung dahinraffte. Die große Dortmunder Fehde von 1388 verstärkte die Krise zusätzlich, als sich die Grafschaft Mark und das Erzbistum Köln gegen die Stadt verbündeten.
Im Laufe des Mittelalters sanken die Einwohnerzahlen auf etwa 4.000. Dieser dramatische Rückgang setzte sich über Jahrhunderte fort: 1793 hatte Dortmund nur noch 4.500 Einwohner, 1826 lebten innerhalb der Wallanlagen lediglich etwa 4.000 Menschen in 940 Wohnhäusern. Die einst stolze Hansestadt war zu einer verschlafenen Ackerbürgerstadt geschrumpft.
Zur Datenqualität
Die erste systematische Bevölkerungszählung in Dortmund fand wahrscheinlich 1816 als Teil der ersten preußischen Volkszählung statt, nachdem die Stadt 1815 an das Königreich gefallen war. Ab 1834 erfolgte die Erfassung durch den Deutschen Zollverein.
Besonders bei den älteren Bevölkerungszahlen handelt es sich oft um Schätzungen oder Annäherungswerte, da einheitliche Erhebungsmethoden erst im 19. Jahrhundert entwickelt wurden.
Das Statistische Landesamt gibt zudem stets niedrigere Bevölkerungszahlen an als die kommunalen Statistiker in NRW. Ende 2024 lebten laut Landesamt 603.46 Bürger in Dortmund.
Den alten Hauptbahnhof mit der Bastion am Königswall zeigt diese colorierte Ansichtskarte.© Stdtarchiv
Die Wende kam mit der Industrialisierung. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann durch Kohlenförderung und Stahlverarbeitung der Aufstieg zur Industriestadt. Die 1847 eröffnete Cöln-Mindener Eisenbahn machte Dortmund zum wichtigen Verkehrsknoten.
Das Bevölkerungswachstum war atemberaubend: Von rund 10.500 Einwohnern 1849 auf 90.000 im Jahr 1890. 1904 überschritt die Stadt die 100.000er-Grenze und wurde zur Großstadt. Nach der Eingemeindung von Hörde und der Landkreise Dortmund und Hörde lebten 1929 etwa 538.000 Menschen in der Stadt.
Dieses rasante Wachstum wäre ohne massive Zuwanderung unmöglich gewesen. Arbeitskräfte wurden zunächst im deutschsprachigen Osten, später auch in Polen angeworben. Der Anteil der in Westfalen geborenen Einwohner sank zwischen 1880 und 1905 von 77 auf 66 Prozent.
Die größeren Industriegründungen wie Hörder Verein, Dortmunder Union und Hoesch beschäftigten bald mehrere tausend Menschen. 1913 erreichte die Kohleförderung in den Dortmunder Zechen 12,2 Millionen Tonnen. Neben Kohle und Stahl etablierte sich das Braugewerbe: Der Bierausstoß stieg zwischen 1870 und 1913 von 140.000 auf 1,7 Millionen Hektoliter.
Zweiter Weltkrieg: Zerstörung und Wiederaufbau
Der Zweite Weltkrieg unterbrach diese Erfolgsgeschichte brutal. Im April 1945 zählte das zerstörte Dortmund nur noch 340.000 Menschen.
Doch der Wiederaufbau ging schnell voran. Flüchtlinge und Vertriebene ließen sich nieder, 1950 zählte die Stadt 500.000 Einwohner. Bei 2,3 Prozent Arbeitslosigkeit herrschte 1952 Vollbeschäftigung. 1956 waren es bereits 624.000 Einwohner. Den Höhepunkt erreichte diese Entwicklung 1965 mit rund 658.000 Bürgern – dem historischen Höchststand.
Die Betenstraße mit dem Alten Stadthaus, nachdem die Trümmer geräumt wurden.© Stadtarchiv
In den Folgejahren sank die Bevölkerungszahl wie im gesamten Ruhrgebiet. Bis 2000 schrumpfte sie auf 588.994. Der Niedergang der Montanindustrie hinterließ tiefe Spuren.
Doch seit der Jahrtausendwende zeichnet sich eine Trendwende ab. 2016 überschritt die Stadt erneut die 600.000er-Marke. Der gelungene Strukturwandel von der Kohle- und Stahlstadt zur Technologie- und Bildungsmetropole trägt Früchte.
Das Foto zeigt die Dortmunder City von oben im August 2025 mit dem RWE- und Sparkassen-Turm sowie der Petri- und Reinoldikirche.© Blossey
Besonders bemerkenswert ist die qualitative Veränderung: Die Alterung der Bevölkerung ist seit zehn Jahren gestoppt, das Durchschnittsalter sank von 44 auf 43 Jahre. 2024 wuchs die Stadt um über 2.400 Personen vor allem durch Zuzüge.
Heute ist Dortmund mit 614.495 Einwohnern die neuntgrößte Stadt Deutschlands und die drittgrößte in Nordrhein-Westfalen. Nach über 1.100 Jahren wechselvoller Geschichte hat Dortmund seine demografische Vitalität zurückgewonnen – auch wenn der historische Höchststand von 1965 noch in weiter Ferne liegt.
Die Bevölkerungsdaten basieren auf offiziellen Statistiken der Stadt Dortmund und des Statistischen Bundesamtes.