Bob Hanning nahm mit Abpfiff einen tiefen Schluck aus seiner Colaflasche, dann verflüchtigte er sich allein in die Katakomben der Max-Schmeling-Halle. Ob dem Geschäftsführer der Füchse Berlin in diesem Moment der Gedanke durch den Kopf gegangen war, was er da nur angerichtet hatte?
Seine Berliner hatten nach der historischen Woche mit den beispiellosen Entlassungen von Meistertrainer Jaron Siewert und Sportvorstand Stefan Kretzschmar gerade völlig chancenlos mit 32:39 (13:22) gegen den SC Magdeburg verloren. Doch dieser Sonnabendnachmittag hielt mehr als nur ein verlorenes Handballspiel bereit.
Füchse Berlin: Fans präsentieren Plakate für Kretzschmar und Siewert
Schon vor dem Anpfiff trat in der mit 9000 Zuschauern ausverkauften Max-Schmeling-Halle offen zu Tage, dass es an diesem Sonnabend um mehr ging als nur Sport – und dass die Fans der Füchse den Doppel-Rauswurf von Kretzschmar und Siewert noch nicht verdaut hatten.
Die Fans der Füchse Berlin präsentieren ein altes Trikot des ehemaligen Trainers Jaron Siewert.
© picture alliance/dpa | Andreas Gora
In der ganzen Halle verteilt hielten Zuschauer Plakate mit emotionalen Danksagungen an den ehemaligen Trainer und Sportvorstand hoch. Der Fanclub präsentierte zum Einlaufen der Mannschaften zusätzlich ein altes Siewert-Trikot der Füchse Berlin. Insbesondere der ehemalige Coach ist angesichts seiner langjährigen Vergangenheit im Klub nach wie vor tief in den Herzen verankert.
Hanning muss Pfeifkonzert über sich ergehen lassen
Den nächsten Beweis dafür gab es in der Halbzeitpause: Hanning wurde zum Halbzeitinterview bei der ARD gebeten, die ihr Pult in einer Spielfeldecke unmittelbar vor den besonders heißblütigen Füchse-Fans aufgebaut hatten. Diese zettelten ein Pfeifkonzert gegen den Berliner Geschäftsführer an, das sich auf die ganze Halle übertrug. Während Hanning im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sprach, wurden ihm von der Hintertortribüne abfällige Gesten entgegengeschleudert – und die Fans gaben nun Jaron-Siewert-Sprechchöre zum Besten.
„Wenn man Verantwortung trägt, muss man auch dazu stehen. Ich muss das jetzt so annehmen“, sagte Hanning in besagtem Halbzeitinterview bei der ARD auf die Wut der Fans angesprochen. „Ich bin aber für mich persönlich absolut sicher, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben.“ Daran darf nach diesem Sonnabend in der Max-Schmeling-Halle allerdings begründeter Zweifel angemeldet werden.
Auch der neue Trainer Nicolej Krickau wird ausgepfiffen
Die Fans beließen es nämlich nicht nur bei Liebesbekundungen gegenüber der Entlassenen und Wutausbrüchen gegen Hanning – sie pfiffen auch den neuen Trainer Nicolej Krickau im Rahmen der Mannschaftsvorstellung gnadenlos aus. „Ich habe völliges Verständnis dafür“, sagte Krickau, „das war glaube ich mehr Respekt für Jaron als mangelnder Respekt mir gegenüber.“
Und auch die Berliner Spieler waren sichtbar überfordert mit der Partie gegen Magdeburg. Sie erhielten zwar während des Spiels die uneingeschränkte Unterstützung der Fans, was Kretzschmar (der genau wie Siewert nicht in der Halle war) am Morgen via Instagram noch eingefordert hatte. „Die Mannschaft braucht euch heute. Bildet eine Einheit mit dem Team“, hieß es in seinem kurzen Statement.
Gidsel zur Trainer-Entlassung: „Das ist nicht meine Entscheidung“
Es half allerdings nichts, die Füchse waren überhaupt nicht präsent. In der Abwehr verloren sie viel zu viele einfache Zweikämpfe, Magdeburg führte schnell 10:5 (12.). Nach einer Berliner Auszeit kam kurz so etwas wie ein Momentum auf, als Torwart Lasse Ludwig eingewechselt wurde und die Krickau-Sieben mit einigen Paraden zurück ins Spiel brachte (10:12, 18.). Es flackerte allerdings nur kurz Hoffnung auf, Magdeburg antwortete darauf mit einem 7:0-Lauf und das Spiel war noch vor der Pause entschieden.
„Wir haben heute gegen eine viel bessere Mannschaft gespielt. Es gingt total nach Magdeburgs Wunsch vom Tempo her“, sagte Gidsel. Die spektakuläre Doppel-Entlassung ging auch am Welthandballer nicht spurlos vorbei: „Das war menschlich nicht einfach, heute hier zu stehen. Das kannst du nicht weglegen, das war schwierig für mich.“ Nachrichten, wonach mehrere Führungsspieler und auch Gidsel selbst die Entlassung Siewerts vorangetrieben hätten, wies der Däne zurück: „Das ist nicht meine Entscheidung, das ist nicht Max Darjs Entscheidung, das ist nicht die Entscheidung irgendeines Spielers. Der Verein hat diese Entscheidung getroffen.“
In der zweiten Hälfte demütigten die Magdeburger ebenjenen Verein dann noch auf ganzer Linie, als der Gästeblock skandierte: „Ohne Jaron habt ihr keine Chance!“ Mit dem 32:39-Endstand waren die Berliner gut bedient, doch an diesem Tag ist mehr verloren gegangen als nur ein Spiel gegen Magdeburg.
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